Es gibt eine Gruppe von Menschen, die ich für sehr problematisch halte. Sie verachten die Demokratie. Sie haben Probleme mit Schwulen und Lesben. Ihr Frauenbild ist völlig antiquiert. Sie hassen die USA – ohne Wenn und Aber. Und Toleranz bedeutet für sie nur eines: den Verrat an den eigenen, ziemlich reaktionären Werten. Andersdenkende sind ihnen ein Gräuel.
Ja, so sind sie. Aber von wem rede ich eigentlich: von Islamisten oder von Pegida-Spinnern? Hass auf Amis, Schwule, Gleichberechtigung und Demokratie hegen sie beide. Islamisten und Pegida haben so verdammt viel gemein. Sie sind Fleisch vom selben Fleische – denn zwei Backen sind ein Arsch.
Auch deswegen lehnen wir beide ab: Islamisten wie Islamhasser. Und wir sagen es ganz deutlich: Islamismus und Pegida-Wahn – nicht mit uns. Weder das eine, noch das andere!
Wir trauern um die toten Journalisten und Polizisten in unserem Nachbarland Frankreich. Unser Mitgefühl gilt den Kollegen, den Verwandten, den Freunden der Todesopfer. Wir denken an jene, die nach dem feigen Anschlag schwer verletzt mit dem Tode ringen. Wir stehen jenen bei, die hoffend und bangend an ihren Krankenbetten sitzen. Ihr seid nicht allein!
Ja – und das ist die erste Hälfte der Wahrheit: Dieser Anschlag war feige. Er war erschreckend professionell. Er war barbarisch. Und dies in einem Maße, das uns bisher unvorstellbar erschien. Er ist ein Anschlag auf die Demokratie. Mögen die Täter schnell gefasst werden!
Wer – wie die Pariser Mörder – allen Ernstes glaubt, er könne die Meinungsfreiheit zerstören, indem er Menschen niedermetzelt, den werden wir eines Besseren belehren.
Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Meinungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, Religionen und deren Auswüchse zu kritisieren. Wir werden von diesem Recht auch weiterhin Gebrauch machen. Wir alle sind Charlie Hebdo!
Doch da ist auch die andere Hälfte der Wahrheit. Fast jeder dritte Deutsche unterstützt die Forderungen der Pegida-Bewegung, so besagen es die Umfragen, wohl gemerkt: bereits vor dem Pariser Anschlag. Pegida wendet sich vordergründig gegen Salafisten, also eine besonders militante Spielart des Islamismus. Tatsächlich aber geht es gegen Fremde und Schutzsuchende.
Und auf die Hetze folgen Taten: In Dresden wurden Jugendliche nach einem Pegida-Aufmarsch durch ein Einkaufszentrum gejagt und geschlagen, weil sie nicht aussehen, wie ein Pegida-Deutscher sich seinen Nachbarn vorstellt. Und scheinbar ganz gewöhnliche Bürger applaudierten. Der grobe Bruder von Pegida, die Hooligan- und Nazi-Truppe Hogesa, gab uns Ende Oktober in Köln einen Vorgeschmack darauf, wozu Islamhasser fähig sind.
Die Anschläge auf Moscheen häufen sich. Es herrscht ein Klima der Angst. Und es besteht die reale Gefahr, dass es auch bei uns in Deutschland zu einer Eskalation des Hasses kommt. Wir alle sind gefordert, dem etwas entgegen zu setzen.
In Köln ist das am letzten Montag gelungen: Zehntausende verhinderten den Marsch einiger hundert Pegida-Anhänger. Gewaltfrei, aber entschlossen, verpassten sie Pegida eine vernichtende Niederlage. Und die Niederlage blieb nicht ohne Folgen. Einmal und nie wieder versuchte Pegida in Köln zu demonstrieren. Schwer geschlagen zogen die Rassisten ab. Sie kommen nicht wieder. Wir alle sind Köln!
Liebe Freundinnen und Freunde,
die wenigsten Menschen in diesem Land sympathisieren mit fanatischen Islamisten oder mit fanatischen Islamhassern. Den meisten von uns ist Fanatismus suspekt. Das sollte eigentlich eine Binse sein – und doch ist es in diesen kalten Tagen nötig, es deutlich auszusprechen: Wir wollen keinen Fanatismus, gleich welcher Art. Wir wollen keine Gewalt, von wem immer sie auch ausgehen mag. Wir wollen friedlich miteinander leben und Konflikte mit demokratischen Mitteln austragen. Genau deshalb stehen wir hier.
Wir rufen den Islamisten zu: Hört auf, uns Euren Fanatismus aufzudrängen, das wird Euch nicht gelingen. Auch nicht mit Maschinengewehren.
Wir rufen in Richtung Pegida: Bei weitem nicht jeder Muslim ist eine tickende Zeitbombe. Wir werden Euren Fremdenhass nicht tolerieren.
Wir sind überzeugt: Die demokratischen Selbstbehauptungskräfte sind viel stärker, als Islamisten und Pegida glauben.
Liebe Freundinnen und Freunde,
sehr verehrte Damen und Herren,
unsere Vorfahren lernten in der Schule, dass »der Franzose« unser Erbfeind sei. Deutschland wurde als das Land besungen, »wo jeder Franzmann heißet Feind« (1). Das ist Geschichte. Wir sind heute mit unseren französischen Nachbarn verbunden in Trauer und Entsetzen und Solidarität. Das zeigt: Der Kampf gegen menschenfeindliche Ideologien kann erfolgreich sein. Die Stimme der Vernunft muss nun laut erschallen. Die Stimme der Vernunft wird siegen. Wir alle sind die Stimme der Vernunft!
(1) Ernst Moritz Arndt: Des Deutschen Vaterland (1813)
Rede von Marcus Meier auf der Mahnwache 'Gegen Islamismus und gegen Islamhass' am 8. 1. 2015
Donnerstag 08.01.15, 21:36 Uhr