Montag 26.05.14, 17:37 Uhr

Michael Townsend – der Stadtverplaner


Honke Rambow hat für die Ruhrbarone einen bemerkenswerten Beitrag über die Bochumer Kulturpolitik geschrieben, den er bo-alternativ.de zur Verfügung gestellt hat: »Michael Townsend ist Bochums langjähriger Kulturdezernent und seit September 2013 auch Stadtdirektor und damit der mächtigste Mann in der Bochumer Verwaltung. Als Kulturdezernent glänzte er bereits durch weitestgehende Abwesenheit. Im Schauspielhaus sah man ihn nur in Ausnahmefällen und auch bei der Enthüllung des restaurierten „Terminal“ – immerhin eine der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten Bochums – suchte man ihn vergebens. Aus Zeiten, da Townsend noch auf Facebook aktiv war, weiß man, was er abends lieber tut: Mit Hund und einem Glas Rotwein auf der Terrasse sitzen. Nun macht die bloße leibliche Anwesenheit bei Kulturveranstaltungen noch keinen guten Kulturdezernenten, aber es zeigt wenigstens eine gewisse Wertschätzung gegenüber der Kultur. Damit scheint es im Fall von Michael Townsend aber nicht weit her zu sein.

Am 23.5.2014 meldeten die Ruhr Nachrichten, dass das Gelände des Freien Kunst Territoriums (FKT) an der Bessemer Straße verkauft wurde und die dort arbeitenden Künstler bereits zum August das Gebäude geräumt haben müssen. Eigentümer der Anlage war bisher Thyssen Krupp, das die Altimmobilie nun an einen Medizintechnikhersteller verkauft hat. Bis hierher ist das alles ein normaler wirtschaftlicher Vorgang. Die Künstler des FKTs hatten die Immobilie gemietet und mussten stets damit rechnen, dass ein Käufer in Erscheinung treten könnte. Aus diesem Grund hatten sie bereits im vergangenen Jahr begonnen, ein langfristiges Entwicklungskonzept für Gebäude und Gelände zu erarbeiten. Das Land NRW zeigte Interesse an dem Konzept, ein Förderantrag stand kurz vor der Fertigstellung und der nötige Eigenkapitalanteil von rund 400.000 Euro war bereits zu einem großen Teil zusammen. Auch Künstler und Institutionen als zukünftige Mieter in dem Gebäude standen bereit, darunter die Volkshochschule Bochum, die dringend Werkstatträume sucht. Das FKT liegt am Rand des derzeitigen Stadtumbaugebietes Westend und in unmittelbarer Nachbarschaft zur Außenstelle der Volkshochschule an der Baarestraße und der Friedenskirche, die gerade zum Stadtteilzentrum umgebaut wird. Es ergibt sich also an dieser Stelle eine bemerkenswerte Agglomeration aus ähnlich gelagerten Institutionen, von denen positive Impulse in den Stadtteil ausstrahlen.

Damit ist nun Schluss. Stattdessen zieht das Medizintechnik-Unternehmen „Stapleline“, das derzeit an der Universitätsstraße 90 beheimatet ist, in die Gebäude – so Dorothee Schäfer vom FKT in den Ruhr Nachrichten. Der derzeitige Ateliertrakt soll in Zukunft die Werkstätten des Unternehmens, das laut Internetseite über fünf MitarbeiterInnen und einen verstorbenen Hund verfügt, aufnehmen. Der Haupttrakt der Anlage soll zu Büros umgebaut werden, die dann vermietet werden sollen. Für Unternehmen ist die Lage an der Bessemer Straße nicht unbedingt ideal. Der nächste Autobahnanschluss ist an der Wattenscheider Straße. Die Universitätsstraße ist für Lieferverkehr und Mitarbeiter wesentlich verkehrsgünstiger. Vor allem bringt aber so ein Unternehmen für den Stadtteil überhaupt nichts. Höchst unwahrscheinlich, dass die Mitarbeiter nach Stahlhausen umziehen werden. Ob die neu entstehenden Büroflächen in Bochum und besonders an diesem Stadtort gebraucht werden, ist zumindest fraglich. Zumal am oberen Ende der Alleestraße noch das Krupp-Hochhaus auf seine Zukunft als Bürostandort wartet.

Wie kommt nun aber Michael Townsend wieder ins Spiel. Durch eine Äußerung gegenüber den Ruhr Nachrichten. Die Gruppe (FKT) habe nach wie vor seine volle Unterstützung heißt es dort. Hoffen wir, dass das nur so dahingesagt und nicht dreist gelogen ist. Und dann wörtlich: „Aber wenn sich ein Unternehmen ansiedeln will, dann kann ich das doch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus – gerade für eine Stadt wie Bochum – nicht verhindern wollen.“ Falsch ist zunächst, dass sich ein Unternehmen ansiedeln will, denn Stapleline arbeitet ja längst in Bochum. Richtig ist, dass natürlich Stapleline der Stadt Steuereinnahmen bringt, das FKT vielleicht auch, aber vermutlich in geringerer Höhe. Fraglich ist aber, ob Michael Townsend angesichts seiner Doppelfunktion als Stadtdirektor und Kulturdezernent ausschließlich wirtschaftlich denken sollte. Als Kulturdezernent sicher nicht – und als Stadtdirektor? Auch nur bedingt. Denn zuallererst sollte die allgemeine, planvolle Entwicklung der Stadt sein Denken bestimmen. In diesem Sinne ist an diesem Standort eine Institution wie das FKT weitaus zukunftsträchtiger als ein abgeschottetes Unternehmen. Und Michael Townsend hätte natürlich Mittel gehabt, hier einzugreifen. Er hätte sowohl das FKT bei den Ankaufplänen unterstützen können, hätte Stapleline alternative Standorte aufzeigen können und bei Thyssen Krupp einen Aufschub erwirken können. Er hat all dies nicht getan und das kann nur als komplettes Desinteresse an der kontinuierlichen Arbeit des FKTs interpretiert werden. Wenn nicht am kompletten Desinteresse am Kulturstandort Bochum. Ach nein, das kann ja gar nicht sein, denn wie heißt es doch auf der Seite der Stadt Bochum? Da sagte Michael Townsend anlässlich der Ernennung zum Stadtdirektor: „Optimierte Quartiersstrukuren und Urbanität bilden den Charakter einer attraktive, lebenswerten und von einem positiven Lebensgefühl geprägten Großstadt: Bochum als großartige Sportstadt und kulturelles Schwergewicht in der Region bietet dafür optimale Voraussetzung. Hier gibt es viele Pfunde, mit denen wir wuchern können.“ War das auch nur so dauergeplappert? Muss man es nicht „dumm“ nennen? Oder ist es einfach eine dreiste Verarschung? Oder blanker Zynismus, den Michael Townsend Bochum da entgegenschleudert? Medizintechnik in einem Wohnviertel als optimierte Quartiersstrukturen?

Und noch eine kleine zynische Spitze bietet der Zeitpunkt, zu dem sich all das ereignet. Gerade fragt das Detroit-Projekt, welche Impulse Künstler der postindustriellen Stadt geben können. Knapp 1,5 Millionen Euro haben Urbane Künste Ruhr und das Schauspielhaus Bochum für die Beantwortung dieser Frage zur Verfügung. Ein Projekt ist eine One Man Sauna von modulorbeat, die gerade auf dem Gelände des FKT zu Gast ist. Auch im FKT wurden die Pflanzcontainer gezimmert, die derzeit die grüne Bühne auf dem Schauspielhaus-Vorplatz bilden. Das FKT ist die beste Antwort darauf, was Künstler für eine Stadt leisten können, aber Michael Townsend interessiert das eben nicht. Und die Medizintechnik gehört einfach auf die Fläche des ehemaligen Opelwerkes, aber da müsste mit dem Umzug ja noch ein oder zwei Jahre gewartet werden. Hoffentlich sind dann noch genug Unternehmen da, die sich nicht schon irgendwo in Wohngebieten breit gemacht haben, weil Michael Townsend mal wieder nichts getan hat. Nichts für die Kultur und nichts für die Stadt Bochum.«