Dienstag 20.05.14, 14:09 Uhr

Hürden statt Hilfen – Gründen in Bochum


Von Horst Hohmeier
Während es in anderen Städten nach den bewährten Vertriebs- und Marketingregeln „One Face to the Customer“ zentrale Anlaufstellen für Neugründungen und Firmenumzüge gibt, lernt der/die Gründungswillige in Bochum den Dschungel der Bürokratie von Anfang an kennen. Die Gewerbeanmeldung erfolgt in Bochum im Bürgerbüro (Altes Rathaus), die Betriebsgenehmigung erteilt das Ordnungsamt (Junggesellenstraße) und das Bauordnungsamt (Technisches Rathaus), Firmenfahrzeug an- oder ummelden geht nur noch beim Straßenverkehrsamt (Bulksmühle). Wenn dann noch die Wege zur Bank, den Stadtwerken und zum Finanzamt dazu kommen, hat man wenigstens die Stadt schon mal kennen gelernt.
Wenn jetzt die Mühlen der Bürokratie zu mahlen beginnen, geht das Abenteuer erst richtig los! Nachdem das Frauencafe Tra di Noi (Zutritt ausschließlich für Frauen) in den 90ern gezwungen wurde, eine Männertoilette samt Urinal einzubauen, konnte man denken, der Höhepunkt des ordnungspolitischen Unsinns sei erreicht. Aber auch aktuell hat sich wenig geändert. Eine Event Location, die in der aktuellen Beilage der Brigitte „Die 100  besten Adressen in Deutschland“ neben der Zeche Zollverein aufgeführt wird, muss nach einem Umzug über ein Jahr auf die Genehmigung zur Neueröffnung warten, mit fadenscheinigen Begründungen der zuständigen Ämter.
Für die Eröffnung einer Eisdiele wird ein Schallschutzgutachten gefordert, Kosten 2000 – 5000 Euro. Eine Tanzschule muss ein Jahr auf die Erteilung einer Schanklizenz warten. Eine Kulturtrinkhalle wartet seit Monaten auf einen Bescheid, um endlich öffnen zu können.
Diese Verzögerungen können gerade für kleine Firmen schnell das Aus bedeuten. Mieten müssen gezahlt, Kredite getilgt werden, evtl. fallen schon die ersten Gehälter an, der Notar und der Steuerberater wollen ihr Geld. Kosten für teure Gutachten (Lärm- Brandschutz) sind im Business Plan nicht vorgesehen, das Geld muss aber dennoch aufgetrieben werden.
Dienstleistung sieht anders aus – gerade auch für Behörden, die aus dem Steueraufkommen finanziert werden!
Wenn Kneipengäste an einem sonnigen Aprilnachmittag eigenmächtig 3 Stühle auf die Straße stellen, um die Sonne bei einem Getränk und einer Zigarette zu genießen, kassiert das Ordnungsamt die Freisitzgebühr für den ganzen Monat. Eine weitere lustige Idee, die Lufthoheit über Bochums Straßen zu benutzen, um eine Gebühr für Reklameschilder zu kassieren, die mehr als 30 cm herausragen, wurde anscheinend fallen gelassen.
Bei der Neugestaltung der Kortumstraße fragte die Betreiberin eines Geschäftes, ob diese Baumaßnahmen denn unbedingt in der Vorweihnachtszeit, also der Hauptumsatzzeit stattfinden müssten? Die Antwort: Wenn ihr Laden das nicht überlebt, hat er in dieser Lage sowieso nichts zu suchen!
Das Finanzamt unterstützt die Stadt tatkräftig in ihrem Streben, jedes Engagement im Keim zu ersticken: Einem Trägerverein, dessen Vereinsheim vor 2 Jahren noch im Schauspielhausführer als lohnens- und liebenswertes Ziel in Bochum gewürdigt wurde, wird die Gemeinnützigkeit aberkannt. Eine der absurden Begründungen: Mit der kostenlosen Bereitstellung von Räumen z.B. für einen Umsonstladen, ein veganes Frühstück und Gruppentreffen würde die Gemeinnützigkeit missbraucht, da diese Initiativen selbst nicht gemeinnützig wären.
Der Rundlauf – Bochum, ein im dritten Jahr stattfindendes Highlight der Freien Kunst- und Kulturszene kann nur als öffentliche Probe stattfinden, weil das Ordnungsamt kurzfristig keine Genehmigung erteilen kann. Dabei wird mit dem Verweis auf den tragischen Verlauf der Love Parade in Duisburg auch bei kleinen Veranstaltungen mit 20 bis 200 TeilnehmerInnen über Sicherheitsmaßnahmen und Auflagen diskutiert, die dem Anlass nicht angemessen sind und die die Veranstalter vor massive Probleme stellen. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie eine Verhöhnung der Opfer dieses Megaevents.
Auf notorische Querulanten reagieren die Ämter dagegen zuvorkommend. Ein prominenter Anwohner des Stadtparks schafft es mit einem Anruf, Veranstaltungen, die nicht in sein Weltbild passen zu verhindern.
Seit mehr als 10 Jahren wird eine Kultureinrichtung in Langendreer von einem Anwohner terrorisiert. Das Genörgel dieses Nachbarns reichte , um sogar Kneipenkonzerte zu verbieten, die vor 22 Uhr stattfinden.
Auch wenn es bei den Ämtern durchaus nette und kompetente MitarbeiterInnen gibt, verhalten sich die Behörden eher mafiös:  Wohlverhalten wird belohnt, Aufbegehren und Beharrlichkeit werden sanktioniert. Deshalb habe ich auch, soweit vermeidbar, keine Namen von Firmen und Personen genannt, kann aber alle Beispiele in einem vertraulichen Gespräch belegen.