Dienstag 08.04.14, 15:49 Uhr

Die „Russen“ unter uns


Am 27.03.2014 fand fand die Informationsveranstaltung des Sozialpsychiatrischen Kompetenzzentrums Migration – SPKoM Bochum „Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion in Bochum und Umgebung – Migrationsgeschichte und psychische Gesundheit“ in der Volkshochschule statt. Die VeranstalterInnen berichten: »Zu den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, aus denen Menschen nach Deutschland kamen und kommen, gehören Armenien, Aserbeidschan, Estland, Georgien, Kasachstan, Kirgisistan, Lettland, Litauen, Moldawien, Russische Föderation, Tadschikistan, Turkmenien, Ukraine, Usbekistan und die Republik Weißrussland.
Die historischen Hintergründe der Migration aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion referierte Frau Edeltraud Stecher-Breckner vom Kölner „Institut zur interkulturellen Öffnung“. In ihrer Präsentation wurde deutlich, dass sich diese Migrationsgeschichte über mehr als 250 Jahre erstreckt. Schon Mitte des 18. Jahrhunderts baute die russische Zarin Katharina die Große ein „Amt für Migrationsmanagement“ auf und warb insbesondere Bauern und Handwerker in Deutschland zu hervorragenden Konditionen an. In späteren Zeiten wurden diese wunderbaren Bedingungen allerdings von den jeweiligen Machthabern hinweggefegt. Deutsche wurden vielfach diskriminiert, zwangsweise umgesiedelt, vertrieben. Die Nachfahren der damaligen deutschen MigrantInnen kamen dann ab 1950 als (Spät-)Aussiedler wieder nach Deutschland.
Auch jüdische Zuwanderer, für deren Aufnahme die Bundesregierung bestimmte Kontingente festgelegt hat, Menschen, die vor Kriegen und militärischen Auseinandersetzung fliehen mussten, StudentInnen, ArbeitsmigrantInnen und nachgereiste Familienangehörige gehören zu den Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion. Aus dem Vortrag von Edeltraud Stecher-Breckner wurde nachvollziehbar, wie vielfältig sowohl die Herkunftsländer als auch die Rechtsgrundlagen für ihre Zuwanderung sind, und auch wie groß der Einfluss politischer Ereignisse auf die Steuerung der Zuwanderung war und ist.
Dr. Jana Skalska, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am St. Marien-Hospital Eickel, berichtete über die psychischen Probleme von hier lebenden Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, die oftmals aus den Erfahrungen der Migration aber auch aus schwierigen psychosozialen Lebensbedingungen hier in Deutschland resultieren. Als häufige Diagnosen nannte Dr. Skalska Depression, Posttraumatische Belastungsstörung, Angststörungen mit Panikattacken sowie Demenzerkrankungen. Fallbeispiele machten ebenfalls deutlich, wie sich belastende Erfahrungen und Lebensumstände im Alltagsleben der betroffenen Menschen äußern.
Im St. Marien-Hospital Eickel finden Zugewanderte aus der ehemaligen Sowjetunion und aus Polen stationäre und ambulante Behandlung und Pflege auch in ihrer Muttersprache. Darüber hinaus werden Angehörige mit polnischer Muttersprache auch bzgl. der Pflege von Demenzkranken beraten. Eine Schulung für Menschen, die an Demenz erkrankte Angehörige pflegen, gibt es in Türkisch und Deutsch.
Aus ihrem persönlichen beruflich Werdegang heraus gab Dr. Skalska auch einem kurzen Einblick in die psychiatrische Versorgung in Polen und in der Ukraine, die von ihrer Struktur der hiesigen durchaus ähnlich ist. Neben der ärztlichen Behandlung, stationär und ambulant, gibt es in beiden Ländern auch gemeindepsychiatrische Versorgungsstrukturen, die in der Ukraine allerdings deutlich weniger ausgebaut sind, als in Polen und Deutschland.
Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Anna Glok, Vorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Orts- und Kreisgruppe Bochum ihre Vereinigung und deren Arbeit vor. Ihre anschaulichen Beispiele aus der Beratungspraxis und auch aus ihrer eigenen Lebensgeschichte führten in berührender Weise die teilweise sehr schwierigen Lebenserfahrungen, aber auch positiv Erlebtes vor Augen.«
Auf der Homepage von Psychosoziale Hilfen Bochum e.V. sind Präsentationen und relevante Statistiken veröffentlicht.