Sonntag 15.12.13, 19:15 Uhr

Kein Platz in der Herberge


In einigen Tagen werden all überall die Worte zu hören sein: „…und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ Und es werden viele Verantwortliche in Politik, Verwaltung und Medien beteuern, wie wichtig ihnen eine christliche Botschaft ist. Für LeserInnen, die nicht vor diesem Rummel fliehen können und evtl. auf einen der Verantwortlichen treffen, hier als Handreichung eine Geschichte zum Vorlesen; geschrieben vom Ökumenischen Arbeitskreis Altenbochum veröffentlicht in Standpunkte, Zeitung der katholischen Liebfrauen-Gemeinde:

Wir können als Christen nicht schweigen, wenn wir hören, dass mehr als zweihundert Afrikaner, die in Europa Asyl gesucht haben, vor der Küste Lampedusas ertrunken sind, weil ihnen das europäische Asylrecht keinen anderen Weg offen lässt als die Flucht über das Meer in unzureichend gerüsteten Schiffen als Opfer gewinnsüchtiger Schlepper. Wir können erst recht nicht schweigen, wenn wir hören, dass diese beispiellose Katastrophe bei den verantwortlichen politischen Instanzen, auch dem Innenministerium unseres Landes, keine andere Reaktion auslöst als das Beharren auf dem bisher geltenden restriktiven Recht. Das Mittelmeer darf nicht länger ein. Massengrab für Flüchtlinge sein. Die europäische Richtlinie 2002 / 90 / EC aber, die die Mitgliedsstaaten auffordert, „angemessene Sanktionen“ für jene einzuführen, die Nicht-EU-Ausländern „absichtsvoll“ bei der Einreise helfen, ist das Grab der Humanität. Was muss noch geschehen, damit wir lernen, dass es Zeit ist umzudenken?

Wir könnten längst wissen, dass es heute nicht mehr möglich ist, im Sinne der Genfer UN-Flüchtlingskonvention (28.7.1951) Art. 3, Abs 1 zwischen echten, nämlich „politischen“, und unechten, nämlich „Wirtschaftsflüchtlingen“, zu unterscheiden. Macht es einen Unterschied, ob einer flieht aus Furcht, wegen seiner politischen Einstellung sein Leben zu riskieren oder aus Armut und Hunger, weil seine Ernten vom Krieg vernichtet sind und er keine Perspektive mehr für sein Leben im eigenen Land sieht? Unsere herkömmlichen Kategorien greifen nicht mehr, aber wir halten an ihnen fest. An dieser Praxis wird der tödliche Konflikt zwischen Gesetz und Recht – Menschenrecht – offenbar, der den beunruhigenden Nerv des ganzen Komplexes bildet. Denn hier geht es nicht nur um Wohl und Wehe des hilfesuchenden Fremden, hier geht es auch um Anspruch und Selbstverständnis des Staates, an dessen humanitäre Normen er appelliert.

Wenn wir uns als Christen der Bitte des Ökumenischen Rates und seiner in diesen Tagen beginnenden Vollversammlung in Busan/ Korea anschließen – „Gott des Lebens – weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden!“ – so ziehen wir daraus für unser Handeln die Folgerung: Es gibt ein Recht des wegen seiner Rasse, Religion oder politischen Überzeugung Verfolgten, vor Folter und willkürlichen Repressionen in Schutz genommen zu werden, und es gibt ein Recht des Hungernden, seiner Existenzgrundlage Beraubten, wenigstens die zum Überleben notwendige Hilfe zu finden. An dieses Recht angesichts nationaler Interessen und einer alle Lebensbereiche überwuchernden Bürokratie zu erinnern, ist heute die wichtigste Aufgabe der Kirche. Deshalb appellieren wir an unsere Regierung, sich im Rahmen der Europäischen Union für neue Wege in der Asylpolitik einzusetzen.«

Bochum, im Oktober 2013.