Freitag 27.09.13, 15:07 Uhr
Die Linke im Rat der Stadt Bochum:

Bericht von der Ratssitzung


Gestern hat der Rat zum ersten Mal nach den Sommerferien wieder getagt und die Linksfraktion hat einen Bericht geschrieben: »Es war eine lange und zum Teil sehr emotionale Sitzung. Insbesondere die Frage, ob die Bundeswehr auf der Berufsbildungsmesse vertreten sein soll und ob die Stadt noch weiteres Geld in den Platz des Europäischen Versprechens stecken soll bzw. muss, war sehr umstritten. Wir informieren über folgende Themen:  Die Grundstücksrichtlinie privilegiert UnternehmerInnen,  die Leitlinien zur Entwicklung der Opel-Flächen, die Teilnahme der Bundeswehr an der Berufsbildungsmesse, der Platz des Europäischen Versprechens, die Benennung von Straßen und Plätzen nach Frauen,  die Anfrage zu Gewalttaten durch Sportschützen,  die Situation von wohnungslosen Menschen in Bochum.
Grundstücksrichtlinie privilegiert UnternehmerInnen
In den Grundstücksrichtlinien für den Verkauf von städtischen Flächen gibt es Wirtschaftsförderungskriterien. Für die Ansiedlung, Verlagerung, Erweiterung oder Strukturverbesserung von Unternehmen werden Grundstücke bevorzugt verkauft. So weit, so nachvollziehbar. Dass dazu auch Wohngrundstücke für leitende MitarbeiterInnen in Unternehmen oder FirmeninhaberInnen zählen, haben wir immer kritisch gesehen. Gestern sind diese Kriterien sogar noch erweitert worden auf Beschäftigte aus dem Bereich der Hochschulen.
Die Grundstücke werden zwar zum Verkehrswert verkauft, werden aber nicht mehr ausgeschrieben, sondern freihändig vergeben. Dies geschieht in nicht öffentlicher Sitzung. Entgegen der Beteuerungen von Koalition und CDU handelt es sich keinesfalls um ein transparentes Verfahren. In einer schriftlichen Stellungnahme hatte die Oberbürgermeisterin darauf verwiesen, dass die KäuferInnen die Grundstücke nicht zu vergünstigten Konditionen erwerben. Wenn es aber keine Begünstigung ist, warum werden für bestimmte Personengruppen Ausnahmen gemacht? Wir halten das für eine unzulässige Privilegierung von Personen, die durchaus finanzkräftig sind und am freien Markt Grundstücke für Privatzwecke erwerben können. Die Förderung von Privatbauten ist keine Aufgabe der Wirtschaftsförderung! Wir haben einen Antrag gestellt, die Kriterien für diese Personen vollständig zu streichen. Unser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Leitlinien zur Entwicklung der Opel-Flächen
Was geschieht in Zukunft mit den Opelflächen? Darüber hat die Stadt Bochum versucht, innerhalb der Stadt in einem Workshop gemeinsame Positionen zu entwickeln. Diese Positionen sollen jetzt als Leitlinien im weiteren Dialog mit Opel, dem Land NRW, den Bürgerinnen und Bürgern und der Fachöffentlichkeit eingebracht werden und anschließend in die Bauleitplanung einfließen. So soll der Standort Opel I durch das Zusammenwirken von Dienstleistungsbetrieben, Forschung, Entwicklung und Produktion geprägt werden. Er soll neue Nutzungsoptionen für die Kooperation der Bochumer Hochschulen sowie für die regionale Universitäts- und Hochschulallianz bieten. Die Standorte Opel II und Opel III sind demnach für zukunftsfähige und innovative Produktion geeignet. Alles sinnvolle Dinge, weshalb die Leitlinien einstimmig beschlossen wurden. Davon unbenommen wurde GM und das Opelmanagement für sein wenig zuverlässiges bzw. intransparentes Agieren kritisiert. Was für die Belegschaft gilt, gilt auch für die Politik: Wir wollen verlässliche Aussagen von Opel.

Teilnahme Bundeswehr Berufsbildungsmesse
Die UN-Kinderrechtskonvention ächtet das Werben von Minderjährigen für Armeen. Trotzdem soll die Bundeswehr wieder an der diesjährigen Berufsbildungsmesse teilnehmen. Nicht zuletzt deswegen, weil CDU und FDP auf der letzten Ratssitzung (s. Bericht von Juli) aus dieser Frage einen heftigen Kulturkampf gemacht haben und insbesondere die Grünen eingeknickt sind.
Zwar verlief die Diskussion diesmal etwas sachlicher, Aussetzer hatten insbesondere die Oberbürgermeisterin, die unser Ratsmitglied Arnold Vogel rüde unterbrach und die FDP. Sie beantragte, dass das Jugendamt sich das Hausrecht vorbehält. Gemeint war, dass gegen StörerInnen vorgegangen wird. In einem Redebeitrag beschwerte sich Heiko Fröhlich (FPD), dass die KritikerInnen nicht bereit seien, demokratisch gefasste Beschlüsse zu akzeptieren und bereits Proteste angekündigt haben. Tja, zur Demokratie gehört es auch – sogar ganz zentral – dass man gegen politisch gefasste Beschlüsse protestieren darf!
Zur Kosmetik darf die Bundeswehr diesmal„nur“ für zivile Berufe werben, als würde das etwas an ihrem Charakter als Interventionsarmee ändern. Schließlich wartet der Automechaniker Fahrzeuge für den Auslandseinsatz und die Flugzeugmechanikerin Flugzeuge, aus denen Bomben geworfen werden. So fragt sich auch das Bochumer Friedensplenum: „Hat der EDV-Spezialist, der das Programm schreibt, wie zielgenau Menschen mit einer Drohne getötet werden können, einen zivilen Job?“. Wir meinen Nein.
Die Linksfraktion hat gegen die Teilnahme der Bundeswehr an der Berufsbildungsmesse gestimmt und ruft dazu auf, sich an den Protesten der Friedensbewegung am 9.10. zu beteiligen.

Platz des Europäischen Versprechens
Der Rechnungsprüfungsausschuss hat getagt und festgestellt, dass die Stadt über die Kosten und Verträge nicht vollständig und korrekt informiert sowie Gelder ausgegeben hat, die sie nicht hätte ausgeben dürfen. Konsequenzen für die Verwaltung: keine. Die Grünen hatten bereits in der letzten Ratssitzung im Juli den Antrag gestellt, dass auch bei möglichen Sponsoren- oder Fördermitteln die Stadt in Zukunft keine Eigenmittel mehr zur Verfügung stellen soll. Wir vertreten die Auffassung, dass der Platz fertig gestellt ist und die Stadt nicht zu weiteren Zahlungen verpflichtet ist. Zu einem ähnlichen Schluss kommt ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. Die Frage, ob die Stadt tatsächlich verpflichtet ist, weiteres Geld in das Projekt zu stecken, wurde so wenig geklärt, dass die Abstimmung erstaunlich knapp ausfiel. Mit 39 zu 29 Stimmen wurde die Fortsetzung beschlossen. So wird die Stadt voraussichtlich ca. 300.000 € und das Land 1,1 Millionen Euro nachschießen. Wir finden: Das ist finanzieller Wahnsinn.

Benennung von Straßen und Plätzen nach Frauen
Wir hatten im Juni nachgefragt, ob es eine Übersicht gibt, welche Straßen und Plätze nach Frauen benannt sind und ob es eine Liste möglicher Namensgeberinnen gibt. Die Verwaltung hat nun geantwortet, dass es eine solche Übersicht nicht gäbe. Nach ihrer Einschätzung sind ca. 10 % der Straßen und Plätze nach Frauen benannt. Dem Katasteramt würden unregelmäßig Vorschläge zur Umbenennung unterbreitet, doch diese werden nicht nach Geschlechterkriterien behandelt. Das würde DIE LINKE im Rat jedoch sehr begrüßen. Schließlich gibt es von Seiten der Stadt mit den Bochumer Frauenportraits oder auch Ausstellungen zu weiblichen Persönlichkeiten Ansätze, der männerzentrierten Geschichtsschreibung etwas entgegen zu setzen. Wir meinen, das sollte sich auch in der Benennung von Straßen und Plätzen widerspiegeln.
Um Bochumer Frauen aus dem Schatten der offiziellen Geschichtsschreibung heraus zu holen, bietet das Frauenarchiv ausZeiten regelmäßig Stadtrundgänge zur Bochumer Frauengeschichte an. Einen solchen Rundgang, der ca. 2 ½ Stunden dauert, hat die Linksfraktion für Sonntag, den 29. September gebucht. Alle Interessierten (auch Männer und Nicht-Mitglieder) sind herzlich zur Teilnahme eingeladen. Wir treffen uns um 11 Uhr an der Glocke vor dem Rathaus. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Anfrage zu Gewalttaten durch Sportschützen
In den vergangenen Jahren ist es immer wieder zu Amokläufen und Gewalttaten durch Sportschützen gekommen. Am 20. August gab es einen entsprechenden Vorfall auf einer Eigentümerversammlung im nordbadischen Dossenheim. Einen Tag vorher soll es auch in Bochum zu einem Gewaltdelikt durch einen Sportschützen gekommen sein. Laut Medienberichten war der 83jährige Tatverdächtige, der seine Ehefrau erschoss, ein Sportschütze, der seine Waffen zu Hause lagerte. Für uns scheint es ein besonderes Problem zu sein, dass die Sportschützen ihre Waffen zu Hause aufbewahren dürfen. Wir befürchten, je mehr Waffen in Umlauf sind, desto größer die Gefahr des Missbrauchs. Deshalb wollen wir in einer Anfrage an die Verwaltung in Erfahrung bringen, wie viele registrierte Schusswaffen es in Bochum gibt und ob bekannt ist, wie viele zu Hause gelagert werden. Die Antwort müssen wir spätestens zur Dezemberratssitzung erhalten.

Wohnungslose Menschen in Bochum
Die Zahl wohnungsloser Menschen in Deutschland hat nach Angaben des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge massiv zugenommen. Sie sei von 2008 bis zum vergangenen Jahr um 25 Prozent auf 284.000 Menschen gestiegen. Weitere 130.000 Menschen seien von Wohnungsverlust bedroht. Deshalb haben wir nachgefragt, wie sich die Zahl der Wohnungslosen in Bochum von 2008 bis 2013 entwickelt hat und welche Maßnahmen die Stadt ergreift, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.«