Die Ernst-Bloch-Assoziation lädt vom 4. bis 6. Oktober ein zur öffentlichen Tagung “Unvernünftige Vernunft oder vernünftige Unvernunft?” Der Untertitel lautet: “i-pads wachsen nicht auf Bäumen – Zur Kritik der herrschenden Rationalität und lrrationalität.” Das ganze findet im Jahrhunderthaus an der Alleestraße 80 statt. Im Programm der Tagung heißt es einleitend: »Vor etwas mehr als dreißig Jahren forderte Hans Peter Duerr zahlreiche Wissenschaftler aus Philosophie, Psychologie, aus den Naturwissenschaften, der Anthropologie, der Ethnologie und den Religionswissenschaften auf, ihre Überlegungen zum Verhältnis von Rationalität und lrrationalität für einen Beitrag zusammen zu fassen.¹
Die damalige Spannbreite und Vielfalt wurde in dieser Form kaum wieder erreicht. Positivismus, Neoliberalismus und Postmoderne haben in der verstrichenen Zeit das Bunte abgeschliffen, die Globalisierung – auch wissenschaftlicher Inhalte und Themen – ging darüber hinweg und hat einstmalige Tiefe von Kritik und Nachdenken zugeschüttet.
Die heutige Vielfalt ist quantitativ, nicht qualitativ gegründet, das Internet und allzeit greifbare und überall zugängliche Informationen entlasten vom mühsamen Wissenserwerb, Verfügbarkeit geht vor Validierung.
Die Sinnfrage bleibt jedoch äußerst aktuell. Finanzkrise, Kriege, Hunger und Erderwärmung dokumentieren: Es ist noch immer etwas faul.
Unter verschiedenen Aspekten des Nachdenkens über Rationalität und über das, was als Unvernünftiges ausgeschlossen wird, sollen Zugänge zu einer aktuellen Diskussion geschaffen werden. Entstammt die Rationalität dem Zweck-Mittel-Kalkül, dem Waren- und Geldmodell des Kapitalismus, und prägt sie derart ein ausschließlich bilanzierendes Denken? Gibt es Möglichkeiten, Ratio als mehr zu bestimmen, denn als ein bloßes Verhältnis? Der bilanzierend- berechnende Begriff von Rationalität setzt sich offensichtlich über die realen Bedürfnisse der Menschen hinweg und versklavt uns.
Rationales Handeln in der Ökonomie führt im Ergebnis zu irrationalen Folgen, die wiederrum mit systeminterner Rationalität nicht zu beherrschen sind. Bleibt diese Seibstwidersprüchlichkeit unbegriffen?
Sind wir – durch permanente Einübung – bereits biologisch durch diese Handlungskonzepte geprägt? Wir suchen erneut die Grenzbereiche, die Demarkationslinien der herrschen-den Vernunft, nicht zuletzt auch auf den Spuren des offenen Denkens Ernst Blochs.
Polyphone Vernunftkritik nimmt bestehende Technik und Wissenschaft in die Pflicht, genauso wie kulturelle Refugien irrationaler Naturauffassung. Sie lassen sich aber auch interkulturell, vom eurozentristischen Bild befreit, ansehen.
Vielleicht gelingt es, so eine neue Aufklärung zu finden und zu einer Renaissance einer global einsetzbaren Vernunft zu kommen.
Welche Ratio regiert wohl eine marktkonforme Demokratie?
Ist es nicht hohe Zeit, der ,Entinhaltlichung^, die sich aus dem puren Pragmatismus einer Politik ergibt, die nur noch Sachzwängen folgt, endlich massiv entgegenzutreten?
Woher lässt sich dafür eine Orientierung gewinnen, die nicht dogmatisch, beschränkt und ideologisch ist, und die trotzdem eine Richtung beibehält?
Ohne Relativismus.
Das Prinzip Hoffnung meint keinen fatalistischen Glauben an einen guten Ausgang; Utopien konkret werden zu lassen, ist hartes Tagewerk und präzise Chirurgie am offenen Herzen der Gesellschaft.
Das vorhandene Wissen in aller Welt und die Errungenschaften der Aufklärung fordern uns auf, nicht klein beizugeben.
Das aktuelle Biedermeiertum ist Gift für einen positiven Ausgang.
Wir verfügen definitiv über das für eine grundlegende Veränderung notwendige Wissen. Überall und zu jeder Zeit. Es kommt darauf an, es endlich produktiv werden zu lassen.
Noch immer gilt:
Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern.
Das Rüstzeug dazu liegt vor.
Die Tagung zeigt verschiedene Aktionsfelder und beleuchtet kritisch die (vor-)herrschen-den Entscheidungskriterien und Rasterungen im Denken von und über Rationalität und lrrationalität.
Die zur Anleitung fähigen theoretischen Begrifflichkeiten und Inhalte liegen offen zutage.
Hierzu wird versucht, qualifizierte Hinweise gegeben.
1 Hans-Peter Duerr, Der Wissenschaftler und das Irrationale, 2 Bde., Frankfurt/M. 1981
Programm und Anmeldung