Sonntag 30.09.12, 18:09 Uhr

Demo-Kritik 3


„Ein paar Autonome aus Bochum“ haben auf dem Webportal indymedia einen kritischen Bericht über die gestrige umFAIRteil-Demo veröffentlicht. Sie schreiben u. a. : Den Organisator_innen der „Umfairteilen“-Kampagne und ähnlicher Veranstaltungen muss vorgeworfen werden, praktische Wahlkampfhilfe für die SPD geleistet zu haben. Dass sich die soziale Situation in Deutschland unter sozialdemokratischer Herrschaft nicht verbessert, sollte spätestens seit der Agenda 2012 und Hartz IV klar sein. Insbesondere politisch aktive Menschen aus den Gewerkschaften und Sozialverbänden sollten dies wissen und entsprechend reagieren.“ Der Bericht räumt  aber auch selbstkritisch ein: »Die Idee, einen „antikapitalistischen Block“ auf der Demonstration in zwei bis drei Tagen organisieren zu können und so effektiv linksradikale Inhalte in eine solche Demonstration tragen zu können, muss als gescheitert betrachten werden. Dem Aufruf folgten wenige Menschen, und gerade die Bochumer „Szene“ blieb der Demonstration beinahe komplett fern.«


3 Gedanken zu “Demo-Kritik

  • Norbert Hermann

    Im Vergleich mit den 40.000, die bundesweit (!) von den millionenstarken (Geld und Menschen) Trägern der Kampagne auf die Beine gebracht wurden, sind die paar Dutzend, die offensiv „antikapitalisch“ auftraten, schon gewaltig.

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    Offenbar haben die Initiator_innen der Kampagne sich selbst nicht ganz so ernst genommen. Eben doch ein unverbindliches Wahlkampfspektakel für Rot/Grün? In Hamburg fühlten sich die allerdings arg vor den Kopf gestoßen, weil dort der Auftritt des griechischen Oppositionspolitikers Alexis Tsipras von der linksextremen SYRIZA für Aufregung sorgte.

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    Ein großer Teil der Demo-Teilnehmenden war offensichtlich viel weiter als die Kampagne selbst. Sie lauschten mit Interesse der Rede von Mag Wompel, in der sie zum „Ungehorsam“ aufrief. Auch die Transparente der „Antikapitalistischen“, geschickt am Strassenrand posiert, wurden durchaus mit Sympathie aufgenommen und von einem Lautsprecherwagen ausdrücklich begrüßt. Da war von Occupy Düsseldorf „Umfairteilen reicht nicht. Ursachen bekämpfen – nicht Symptome“, „Menschen statt Profite“ von Occupy Dortmund, „Jede Stunde Arbeit fürs Kapital ist eine Stunde zu viel“ von Bochum Prekär und „Eßt die Reichen“ mit Kreide auf einer großen Schiefertafel, was wer ergänzt hatte mit „ … Parteifunktionäre und Gewerkschaftsbonzen“. Den Schuh hat sich dann allerdings wer angezogen, für den er einige Nummern zu groß ist. Nett waren auch die „Deutschländer“ von der türkischen pluralistischen linken Plattform ÖDP mit den Fahnen „Freiheit und Solidarität Almanya“.

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    Etwas peinlich die Rede eines Vertreters der „Kreativen“: für ihn schien es beim „Umverteilen“ nur darum zu gehen, dass seine „Kultur“ was abkriegt. Die vielen Millionen Menschen, denen es geraubt wurde und wird, und die mit dem Einkommen nicht mehr auskommen sollen weiter in die Röhre gucken?

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    Impressionen von der Demo finden sich auch hier:

    http://www.youtube.com/watch?v=t-PRnP_w13I

  • Peter Bender

    Ich war offenbar auf einer ganz anderen Demo als Norbert Hermann. Ich habe es so wahrgenommen, dass Mag Wompel vom Bündnis eingeladen war und herzlich von Gudrun Müller, der Sprecherin des Bündnisses, begrüßt wurde. Das Bündnis hat offensichtlich die Position von Mag Wompel als einen wichtigen Teil der Demonstration angesehen. Und wenn die Kollegen in Hamburg auch jemanden als Redner eingeladen haben, der SPD und Grünen nicht gefällt, dann spricht das doch dafür, dass das Bündnis wahrscheinlich nicht nur in Bochum viel weiter ist, als es in das verbiesterte Weltbild von Norbert Hermann passt.
    Ich habe den Eindruck, dass hier ein Bündnis auf der Grundlage eines Minimalkonsenses entstanden ist und sich nun eine erfreuliche Dynamik entwickelt. Es war doch auch am Samstag nicht so, dass kapitalismuskritischen Aktivitäten irgendwie an den Rand gedrängt oder ausgegrenzt wurden. Ich fand es ausgesprochen klasse, wie bunt und vielfältig unterschiedliche Positionen präsentiert wurden. Ein Teil beschränkte sich in seinen Forderungen auf den beschriebenen Minimalkonsens. Viele andere formulierten weitergehende Positionen.
    Die herrschende neoliberale Ideologie hat es geschafft, dass viele Menschen tatsächlich glauben, dass kein Geld da sei und alle Opfer bringen müssten. Ich finde die Kampagne um-fair-teilen deshalb gut, weil sie es schafft, bis in die Mitte der Gesellschaft den neoliberalen Unsinn in Frage zu stellen. Wenn es gelingt, dieser neoliberalen Kampfansage die gesellschaftliche Akzeptanz zu entziehen, dann hat die Kampagne ganz schön viel erreicht.
    Auch ich fühle mich in einem antikapitalistischen Block wohl und empfinde es eine Zumutung, wenn SPD und Grüne bei der Demo mitmachen, ohne dass ihnen die Schamesröte ins Gesicht schießt. Ich demonstriere aber auch ganz gerne mit ein paar Tausend Menschen für eine kurzfristige Beschränkung privater Aneigung von gesellschaftlichem Vermögen. Die Ambivalenz reformistischer Politik ist mir dabei durchaus bewusst und bereitet mir Bauchschmerzen.
    Aber es gibt ja auch wieder Ereignisse, wo wir fröhlich mit ein paar wenigen Leuten für die Revolution auf die Straße gehen können.

  • Norbert Hermann

    Persönliche Beleidigungen wie „verbiestertes Weltbild“ verbitte ich mir. Du kennst mein „Weltbild“ überhaupt nicht, und wenn du es kennenlernen wolltest würdest du dich vermutlich sehr wundern.

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    Ansonsten kann ich dir in weiten Teilen voll zustimmen, in manchen Teilen relativ. Ich sehe keinen grundsätzlichen Widerspruch zu meinem Leserbrief.

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    Lasst uns denn weiter etwas für eine „erfreuliche Dynamik“ tun.

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    Denn der „beschriebene Minimalkonsens“ ist allerdings immer noch neoliberal.

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    In der „Mitte der Gesellschaft“ der Gesellschaft (einschließlich ihres kreativ-kulturellen Anteils) ist angekommen, dass sie geschröpft werden. Verständlich und gut, dass sie beginnen sich zu wehren. Mit Solidarität und Vorstellungen von einer andern Welt hat das zunächst einmal nichts zu tun. Kann aber kommen. Zunächst aber reicht Ihnen und dir eine „ … kurzfristige Beschränkung privater Aneignung von gesellschaftlichem Vermögen…“. Das ändert aber rein gar nichts am vorherrschenden Elend.

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