Freitag 15.06.12, 07:04 Uhr

Missstände bei Kirche als Arbeitgeberin


In einem offenen Brief an die Superintendenten, an die Kirchenleitung, an Verbände und Gewerkschaften prangern die Mitarbeitervertretungen der diakonischen Werke und Einrichtungen im Bereich Ruhr-Lippe ihre Arbeitsbedingungen im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts scharf an. „Die MAVen der diakonischen Werke und Einrichtungen  Marl, Herten, Witten, Recklinghausen, Bochum, Herne, Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen, Gladbeck-Bottrop-Dorsten, Hattingen, Hagen haben mich beauftragt, ihre gemeinsame Erklärung an die Öffentlichkeit weiterzuleiten,“ sagt Gudrun Müller, Geschäftsführerin im ver.di Bezirk Bochum-Herne. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unterstützt die Kolleginnen und Kollegen im Kampf um bessere und gerechte  Arbeitsbedingungen. Der Offene Brief ist in der Anlage beigefügt.
Die Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas sind die größten Anbieter im Sozial- und Gesundheitsdienst. Bundesweit gibt es tausende kirchliche Einrichtungen in diesem Bereich mit etwa 1 Mio. Beschäftigten. Ihre Arbeit finanziert sich weitgehend über Mittel der öffentlichen Hand, der Sozial- und Pflegekassen. Die kirchlichen Sozialkonzerne agieren inzwischen im harten Wettbewerb am Markt wie ´ganz normale Arbeitgeber`. Die Beschäftigten dagegen arbeiten im Rahmen des kirchlichen Sonderarbeitsrechts zu unterschiedlichsten Bedingungen. Befristete und Teilzeit-Arbeitsverhältnisse, auch Leiharbeit und Outsourcing sind inzwischen weit verbreitet. Arbeitsverdichtung, Lohnkürzung, Lohndumping sind mittlerweile üblich. „Mit den Idealen einer kirchlichen Gemeinschaft hat das wenig zu tun“, meint Gudrun Müller. „Bei Kirchen gilt ein spezielles Arbeitsrecht – der sog. Dritte Weg“, erklärt Agnes Westerheide, zuständige Gewerkschaftssekretärin bei ver.di in Bochum. „Es gibt keine Tarifverträge und streiken ist verboten. Das ist ungerecht, weil Kirche sich über das Grundrecht auf Streik stellt!“
Der „Dritte Weg“ der Kirchen ist vor allem billig und undemokratisch; das spüren die Beschäftigten immer mehr. Einzig ihre hohe Bereitschaft, bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten helfend und versorgend ihre Arbeit zu erledigen, hindert noch viele protestierend auf die Straße zu gehen. Mit dem Offenen Brief wollen die Mitarbeitervertretungen auch die Auseinandersetzung zu den Themen mit den eigenen Kolleginnen und Kollegen fördern und die gewerkschaftliche Basis stärken.
Im Spätsommer wird das Bundesarbeitsgericht zum Streikrecht für kirchliche Beschäftigte eine Entscheidung treffen. „Das Recht auf Streik ist ein individuelles Grundrecht und darf auch den kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht vorenthalten werden.“ sind sich die MAVen und ver.di einig.