Sonntag 19.02.12, 12:35 Uhr

Eine bemerkenswerte Woche


Am Montagabend dieser Woche hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband zum „Blauen Heinrich“ ins Museum geladen. Dies ist der jährliche Empfang des Paritätischen. Höhepunkt des Abends war ein Vortrag von Götz Werner, dem Gründer der Drogeriemarktkette DM. Es hat was, wenn so ein Multimillionär die Oberbürgermeisterin anlächelt und öffentlich feststellt, dass sie Dummheiten verbreitet, wenn sie in ihrer Begrüßungsrede davon spricht, dass die „finanziellen Ressourcen“ schwieriger geworden seien und für die städtische Sozialabbaupolitik wirbt. Werner: „Wir waren noch nie so reich wie heute.“ Er machte deutlich, dass die öffentliche Armut, aber auch z.B. die Kinderarmut Ergebnis von politischem Wollen sind. Eine weitere an die OB gerichtete Provokation: „Wie stände Bochum heute da, wenn die Millionen Euro nicht als Subvention an Nokia sondern in Bochumer Kindergärten geflossen wären.“ Sein Thema war „Zukunftsinvestitionen“.  Um die Zukunft ging es auch am Mittwochabend. Die Bochumer occupy-Initiative und das Schauspielhaus hatten zu einer Diskussion eingeladen: „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ Die Initiative machte ihrem Namen alle Ehre. Alle Stühle im „Theater unten“ waren besetzt. Einige BesucherInnen mussten stehen oder auf den Stufen Platz nehmen. Die kurzen Impulsreferate und die meisten Diskussionsbeiträge gingen nicht präzise auf das Thema des Abends ein, sondern fragten nach der eigenen Motivation, sich zu engagieren oder der Notwendigkeit zu gesellschaftlichen Veränderungen. Ein Rentner und ehemaliges Betriebsratsmitglied bei Opel stellte bedauernd fest: Es gibt in Bochum keine linke Kneipe mehr. Eine junge Frau beschrieb eindrucksvoll, welche Ängste sie verspürt, wenn sie daran denkt, wie sie in der vorherrschenden Arbeitswelt funktionieren soll. Ganz viele beteiligten sich mit ganz unterschiedlichen Beiträgen an der Diskussion. Trotzdem war ein roter Faden zu erkennen: Die heftige Kritik an den herrschenden Verhältnissen und die gemeinsame Suche nach einer besseren und gerechteren Welt.  Schauspielhaus Dramaturgin Sabine Reich versprach, dass weitere Veranstaltungen mit der occupy-Initiative folgen werden.
Am Donnerstagabend referierte schließlich Beate Küpper auf Einladung der Initiative Langendreer gegen Nazis und des Bahnhof Langendreer über das Thema „Deutsche Zustände“. Der Untertitel lautete „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. Diese Titel konnten offensichtlich nur unzureichend vermitteln, dass hier Forschungsergebnisse vorgestellt wurden, die sich mit rechten und rassistischen Einstellungen in unserer Gesellschaft beschäftigen. Es kamen nur knapp 30 ZuhörerInnen. Beate Küpper hat in dem in der Öffentlichkeit vor allem mit dem Namen Heitmeyer verbundenen Bielefelder Institut, die Untersuchungen zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ koordiniert. Sie erläuterte, wieso dieser Begriff das analysierte Problem am treffendsten beschreibt. Ablehnung bis zum Hass entwickelt sich bei Menschen, die auf Andersartigkeit nicht neugierig sind, sondern dies als bedrohlich wahrnehmen und/oder die Differenz brauchen, um sich selber positiv abzugrenzen. Die Hochschullehrerin stellte eine Reihe von interessanten Zusammenhängen bei den Ergebnissen der untersuchten Einstellungen vor. Die Vorurteile gegen „Ausländer“ sind z. B. in Gegenden signifikant ausgeprägter, in denen kaum BürgerInnen ohne deutschen Pass leben. Dort, wo angeblich das Boot voll sein soll, ist die Haltung gegenüber „AusländerInnen“ deutlich durch mehr Toleranz geprägt. Der Vortrag war nicht nur inhaltlich, sondern auch in seiner Präsentation bemerkenswert. Er hätte ein größeres Interesse verdient gehabt.