Mittwoch 30.11.11, 22:00 Uhr

Bildungsstreik und Repression


Die Teilnahme an der Bildungsstreik-Demonstration vor zwei Wochen könnte für einige Bochumer Schüler­Innen ein Nachspiel haben – jedenfalls, wenn es nach dem Willen ihrer Schulleitungen geht. Darüberschreibt Rolf von Raden in der heute erschienenen BSZ: »Die Schulen erkennen vielfach Entschuldigungsschreiben nicht an, selbst wenn sie von den Eltern unterschrieben sind. Die Konsequenz: Unentschuldigte Fehlstunden, in einigen Fällen sogar auf dem Abschlusszeugnis. „Die Schulen wollen demokratisches Engagement bestrafen. Aktive Schülerinnen und Schüler sollen eingeschüchtert werden, damit sie nicht noch einmal ihre Rechte wahrnehmen“, sagt BezirksschülerInnensprecher Jonathan Röder.

Röder betont, dass es sich nicht um eine Lappalie handelt. „Wer sich nach der neunten oder zehnten Klasse um einen Ausbildungsplatz bewerben will, dem können die unentschuldigten Fehlstunden einen Strich durch die Rechnung machen. Mit anderen Worten: Die Schulleitung versaut einem potentiell die Zukunft.“

Repression statt Unterstützung

Mehr Geld für Bildung, kleinere Klassen und weniger Stunden für LehrerInnen – das waren einige der Forderungen, mit denen an die 300 SchülerInnen am 17. November auf die Straße gegangen sind. „Man müsste meinen, ein solches Engagement ist auch im Sinne der Schulleitungen, stattdessen gibt es Repression“, ärgert sich der BezirksschülerInnensprecher. Zunächst wurden sogar Nachsitz-Stunden verhängt. Nach Verhandlungen mit der SchülerInnenvertretung sind zumindest diese in den meisten Fällen vom Tisch. Bei dem anderen Teil der Sanktionen, den unentschuldigten Fehlstunden, wollen die Schulleitungen aber hart bleiben.
„Es geht überhaupt nicht um die Forderungen der Demonstration, die zum Großteil ja in unserem Sinne sind“, sagt Martin Breuer, der Rektor der Maria Sibylla Merian-Gesamtschule in Wattenscheid. An seiner Schule sollen gut 20 SchülerInnen den möglicherweise folgenschweren Makel auf dem Zeugnis vermerkt bekommen. „Das Schulgesetz NRW lässt uns keine andere Wahl, daran müssen wir uns halten.“ Die Teilnahme an einem Schulstreik sei kein Entschuldigungsgrund. Darüber seien die SchülerInnen auch vorher informiert gewesen.

„Anarchie“ in Köln?

BezirksschülerInnensprecher Jonathan Röder hält das Argument für vorgeschoben. „Natürlich haben die Schulen einen Handlungsspielraum.“ In Köln hätten sogar ganze Klassen an der dortigen Bildungsstreik-Demo teilgenommen – ohne die Androhung von Repressionen. „Wollen die Bochumer Schulleitungen uns etwa erzählen, dass da unten am Rhein Anarchie und Gesetzlosigkeit herrschen? Dass das in Bochum nicht möglich sein soll, ist schon eine politische Entscheidung.“
Tatsächlich erscheint die Rechtsauslegung der Bochumer SchulleiterInnen zumindest fragwürdig. So erklärt auch Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg, also der für Bochum zuständigen Schulaufsicht: Grundsätzlich könnten Schulen durchaus ihren SchülerInnen die Teilnahme an einzelnen Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen ermöglichen, auch während der Schulzeit. Es sei jedoch Sache der einzelnen Schule, wie sie ihren pädagogischen Spielraum nutze. Damit sei auch die Entscheidung der Bochumer SchulleiterInnen von der Schulaufsicht nicht zu beanstanden.

Die Demokratie-Frage

„Die Schulleiter werden nicht damit durchkommen, sich auf angebliche juristische Zwänge zu berufen“, sagt Jonathan Röder. „Sie müssen sich schon der inhaltlichen Diskussion stellen. Und da helfen Lippenbekenntnisse nicht weiter, sondern es geht um die Frage: Wollen wir in Bochum Schulen, die demokratisches Engagement bestrafen, oder halten wir solche Verhältnisse für inakzeptabel?“ Die BezirksschülerInnenvertretung kündigt an, auch mit den Eltern der betroffenen SchülerInnen zusammenarbeiten zu wollen, um den Druck zu erhöhen. Außerdem könnte es sein, dass die Haltung der Schulleitungen noch ein Thema in den kommunalpolitischen Gremien wird. Aus den Reihen der Grünen gibt es erste Signale, dass die Frage auch im Schulausschuss des Rates der Stadt diskutiert werden soll.«