Sonntag 17.04.11, 22:01 Uhr
Hartz IV: Bildung und Teilhabe für arme Kinder gescheitert

UvdLeyen als „sterbender Schwan“


Kommentar von Norbert Hermann, Bochum-prekär, Mitglied bei www.bag-plesa.de
Es herrscht große Not: Bis zum 31. April soll in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BverfG) vom 9. 2. 2010 den bis 24-jährigen Schülern und Schülerinnen der Bildungsaufwand und den bis 17-jährigen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben finanziert werden. Ab dem 1. Januar 2011 soll das gelten, sagte das BVerfG. Von Fristen und Anträgen sprach es nicht. Bei nicht von der Regel abweichenden Bedarfen sollte das auch mit dem Hauptantrag erledigt sein. Der korrekte Weg wäre, dass auf die Antragstellung verzichtet wird und Kinder automatisch ihre Rechte erhalten. Zumindest muss die Antragsfrist erheblich ausgedehnt werden und immer rückwirkend geleistet werden.
So aber entsteht ein ungeheuer bürokratischer Aufwand, der möglicherweise teurer wird als das, was den Kindern tatsächlich zukommt. Ob das Verwaltungsungetüm der Abschreckung dienen soll? Oder als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Verwaltung? Jedenfalls ist so sichergestellt, dass ein Teil des Geldes tatsächlich in Dosenbier und Flachbildfernsehern angelegt wird …
Denn sie kriegen es nicht hin. In Bochum wären etwa fünf Millionen Euro an 17 Tausend Berechtigte zu vergeben – bislang sind erst wenige hundert Anträge eingegangen. Die Schuld daran wird gerne den Betroffenen angelastet. Die sind längst mit allen Nerven fertig wegen des generellen bürokratischen Chaos bei Hartz IV. Und meiden die Ämter, wo sie nur können. Denn nicht nur dort werden sie gelegentlich schräg angemacht – auch bei der Beantragung des „Bochum-Pass“ (Ermäßigungsausweis) bei der Kommune kommt es immer wieder vor, dass sie gefragt werden, ob sie denn nicht arbeiten wollten.
Es entsteht der Eindruck, Frau v.d.Leyen und ihr Ministerium haben vorsätzlich und ganz bewußt mangelhaft informiert, um weitere Kosten zu sparen. Die Kommunen haben bis heute keinerlei Umsetzungs-Informationen erhalten! Außer dass der Schlusstermin geschickt in die Osterferien gelegt wurde!
Nun will Frau VdL einen „Runder Tisch“ einrichten – wohl ein Moratorium mit Ethikkommission?
Ver.di-Erwerbslose und andere haben überlegt, öffentliche Verteilungen der Antragsformulare, gemeinsames Ausfüllen und eine gemeinsame Abgabe zu organisieren. Angesichts des Desasters macht selbst das keinen Sinn mehr.
Das Urteil des BverfG gilt!
Da gibt es kein Wenn und Aber – ab dem 01. Januar muss die Kohle da sein!
Verantwortlich ist unmittelbar die ARGE. Nach § 13 u.14 SGB I sind alle Sozialleistungsträger verpflichtet, alle Leistungsberechtigten über Rechte und Pflichten nach dem SGB zu beraten. Und zwar „aktiv“ – nicht erst auf Anfrage (Spontanberatung). Die Betreuungspflichten nach den §§ 16 Abs. 3 u. 17 Abs. 1 SGB I (Hilfe bei der Antragstellung und zügige Leistungszuteilung) sollen eine möglichst weitgehende Rechtsverwirklichung gewährleisten. Die Behörde muss von Amts wegen den Sachverhalt ermitteln und darf in solchen Fällen nicht warten, bis Anträge gestellt sind. Es ist zu beachten, dass Antragstellende mit dem Hauptantrag alle möglicherweise zustehenden Ansprüche geltend machen wollen.
Bei einer umfassenden und verständigen Würdigung der Interessen Hilfesuchender über den Wortlaut eines Antrages hinaus sollen Anträge zusätzlich als Antrag auf weitere Leistungen interpretiert werden. Unterbleibt ein Antrag, weil die Beratung unzureichend war, so sind die Leistungsberechtigten so zu stellen, als wären sie hinreichend beraten worden und hätten den daraus resultierenden Antrag gestellt.
Die Behörde unterliegt für ihre Beratung einer Dokumentationspflicht. Erwogen wird sogar eine Haftung für Beratungsfehler der Ämter!
Wir leisten gerne rechtliche Unterstützung bei aufkommenden Konflikten.