Montag 07.02.11, 15:40 Uhr

Glaubwürdig unstimmig


Die Fortsetzung des heutigen Antifa-Prozesses brachte ein sehr ungewöhnlich begründetes Urteil. Die als Zeugen auftretenden Polizisten schilderten derartig widersprüchlich den „Tathergang“, dass sich wahrscheinlich alle ZuhörerInnen im Saal gewiss waren, dass hier kräftig gelogen und vertuscht wurde. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachtes auf Falschaussage schien zwingend. Ganz anders die Richterin. Sie sah darin den Beweis, dass die Polizisten ihre Aussagen nicht abgesprochen hätten und damit glaubwürdig seien. Rolf van Raden berichtet in der am Mittwoch erscheinenden BSZ über den seltsamen Prozess: »160 Euro Strafe wegen Polizistenbeleidigung – das ist von den Vorwürfen gegen einen Bochumer Studenten übrig geblieben, der am 8. Mai gegen einen NPD-Infostand protestiert hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn bezichtigt, gegenüber zwei Polizisten gewalttätig Widerstand geleistet zu haben, darunter Sat.1-Darsteller Thomas „Harry“ Weinkauf. Nach den widersprüchlichen Zeugenaussagen der Polizisten war dieser Vorwurf vom Tisch. Dass der Student die Beamten „Nazi-Bullen“ genannt haben soll, fiel dem Polizisten außerdem erst ein, als die Richterin ihm den Wortlaut der vorgeworfenen Beleidigung vorlas.
Für eine Verurteilung reiche das dennoch, so die Begründung des Urteils, denn die polizeiliche Aussage sei gerade wegen ihrer Widersprüchlichkeit glaubwürdig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Student selbst hatte die Beleidigung bestritten und ausgesagt, er sei auf der Wache von TV-Polizist Weinkauf geschlagen worden. Der Verdacht gegen die Polizei, illegal das Handy des Betroffenen durchsucht zu haben (siehe bsz 858), ist bisher nicht ausgeräumt. Ein Polizei-Zeuge bestätigte, er habe die gespeicherten Handy-Inhalte überprüfen wollen. „Alleine das ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und ohne entsprechenden Beschluss verboten“, stellte Verteidiger Moritz Schmitz fest. Ein weiterer Polizist sagte aus, dass sich das Mobiltelefon später nicht mehr bei den Sachen des Studenten befand, als dieser in eine Zelle gebracht wurde. Sollte die Polizei die Zeit genutzt haben, um Informationen aus der SIM-Karte auszulesen, wäre dies sogar ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht 2005 entschieden. «