Montag 09.08.10, 07:31 Uhr
Entdecke deine Stadt und ihre unbekannten Klangkörper!

Das Ding auf dem Husemann-Platz


Seit vielen Jahren rätseln Bochumer BürgerInnen, was eigentlich „das Ding“ (Foto) unmittelbar vor der Husemann-Gedenktafel für eine tiefere Bedeutung hat. Der Autor dieser Zeilen hielt diese Ungewissheit nicht länger aus. Bei seinen Stadtführungen „Bochum im Faschismus“ wurde er, wenn die TeilnehmerInnen vor der Gedenktafel standen, immer wieder nach dem Zusammenhang von diesem Klotz mit Husemann oder dessen sonstigem Sinn gefragt. Immer wieder musste er seine Unkenntnis eingestehen. Auch die vielen LehrerInnen, die an den Stadtrundgängen teilnahmen, z.T. sogar mit der Fakultas Kunst und das meistens sogar für die Sekundarstufe II, konnten sich nur mit der sowieso mangelhaften LehrerInnenausbildung entschuldigen. Also begann der „Stadtführer“ mit seiner Recherche. Erste Station: Verschiedene städtische ParlamentarierInnen. Aber niemand wusste, was soll es bedeuten. Falls nicht nur totale Verwirrung darüber aufkam, warum man/frau denn wissen will, was da so in der Stadt rumsteht, reichten die Vermutungen von „Sirene für den unter dem Husemann-Platz ins Parkhaus integrierten Atombomben-Bunker“ bis „Entlüftungssystem für das Parkhaus“. Auch als Teil der Husemann-Gedenkplatte wurde „das Ding“ eingeordnet, also irgendwie als Kunst.
Da ja wohl das Stadtarchiv weiß, worum es sich bei „dem Ding“ handelt, ging die nächste Anfrage ans Stadtarchiv. Eine qualifizierte Mitarbeiterin behauptete, da gebe es „so etwas“ überhaupt nicht. Sie folgte aber immerhin der Aufforderung, beim nächsten ihrer häufigen Gänge über den Husemann-Platz doch mal die Augen auf zu machen und siehe da: „Das Ding“ gibt es wirklich! Die Frage nach dem Sinn wurde einem angeblich noch viel höher qualifizierten Mitarbeiter des Stadtarchivs übergeben. Auch der musste erst das corpus delicti persönlich in Augenschein nehmen – hatte aber keine Ahnung, was das denn nun darstellen soll.
Der Rechercheur mailte daraufhin eine stadtbekannte Künstlerin an: Ergebnis war, dass auch diese Künstlerin nur auf eine Befragung ihr bekannter Bochumer Bildhauer und sonstige Steinmetze verweisen konnte. Das Ergebnis war auch bei denen gleich null.
Volkshochschule! Die VHS als das Volk bildende Anstalt mit vielen studierten MitarbeiterInnen wird doch Bescheid wissen! Dem war aber nicht so. Nur der Verweis, doch mal Dr. B. anzufragen, der absoluter Fachmann in Sachen Bochumer Kunst sei, wurde gegeben. Gesagt – getan. Dr. B. verwies, weil auch völlig überrascht, auf Dr. H.. Und tatsächlich: Jetzt kam der Stein ins Rollen. Das Ding sei eine Steinorgel. Mhm – was ist das, war die Rückfrage. Man müsse einfach mit einem Gummihammer auf „das Ding“ klopfen, dann gebe es Töne von sich. Und in grauer Vorzeit hätte auch mal ein Gummihammer an der Steinorgel gehangen, der sei aber nach 2 Tagen geklaut worden. Ja, die Steinorgel hinge irgendwie mit der Husemann-Gedenktafel zusammen. Er würde Herrn S. fragen, der kenne die Zusammenhänge. Nach einiger Zeit antwortete auch Herr S.: Nein, mit Husemann hätte die Steinorgel nichts zu tun. Irgendwann hätte ein musikbegeisterter Bürger „das Ding“ der Stadt gespendet und dort aufgestellt. Die Frage, warum da keinerlei Hinweisschild hinge oder stehe mit der Aufforderung, doch bitte mit Gummihammer zum Husemann-Platz zu kommen oder ähnliches zur Aufklärung der BürgerInnen einschließlich hochgebildeter und hochqualifizierter (s.o.) MitarbeiterInnen aller möglichen wichtigen Bildungseinrichtungen und der Bochumer Polit-Szene geschehe, erntete nur Schulterzucken (in Mail-Form). Tatsächlich entdeckte der Autor dieser Zeilen bei seinem letzten Stadtrundgang ein winziges Schildchen am Sockel „des Dings“. Soweit er, praktisch auf dem Bauch liegend und den Dreck vom Schildchen kratzend, etwas lesen konnte, stand da irgendwas mit „Spiel- und Erfahrungsstationen“. Die geneigten LeserInnen müssen sich also nicht bloß neigen, sondern wirklich zu Boden gehen, um das Schildchen überhaupt zu entdecken.
Also: Entdecke deine Stadt und ihre unbekannten Klangkörper!
Mit diesem Appell  endet die Geschichte des Rechercheurs D.
Die Redaktion von bo-alternativ hat diese Aufforderung aufgenommen und weiter an dem Schildchen rumgekratzt, fotografiert und vergrößert. Es stellte sich raus, das Ding ist gar keine Steinorgel, sondern eine Steinharfe. Das alles ist nachzulesen auf der Webseite der Firma, die das Ding hergestellt hat. Ein Video präsentiert die „sphärischen Klänge“.
Damit ist entschieden, welches Event den Höhepunkt des Kulturhauptstadtjahres bilden wird. Während der Bochumer Musiksommer auf dem Bongard Boulevard und im Bermudadreieck hin und her plätschert, werden Hunderte von Bochumer BürgerInnen mit ihren Gummihämmern vor der Steinharfe auf dem Husemannplatz Schlange stehen, um ihr wieder entdecktes Instrument zum Klingen zum bringen.