Montag 14.12.09, 08:00 Uhr

Gelten Grundrechte auch in kirchlichen Einrichtungen? 3


Agnes Westerheide, ver.di Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Bochum-Herne weist in einer Pressemitteilung darauf hin, wie dreist die ev. Kirche in Herne als Arbeitgeberin auftritt: „In den Betrieben, die in kirchlicher Trägerschaft stehen, gelten für die Beschäftigten weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Personalvertretungsgesetz, sondern ein sogenanntes Mitarbeitervertretungsgesetz, das von der Amtskirche selbst geschaffen ist. Um in dieses Gremium gewählt werden zu können, muss der Bewerber einer christlichen Kirche angehören, so das Gesetz, allerdings können Öffnungsklauseln, die in 15 von 22 Landeskirchen gelten, angewandt werden, so auch in der hiesigen westfälischen Landeskirche. Dies soll aber nach einem Beschluss der jüngsten Synode des Herner Kirchenkreises wieder rückgängig gemacht werden.

Künftig dürften ausschließlich Kirchenmitglieder in die Personalvertretung gewählt werden. Selbst innerhalb der Herner Kirche ist der Beschluss umstritten, wurde er doch auf der Synode lediglich mit 47 : 26 Stimmen angenommen, aber auch die Vorgehensweise von Superintendent Rimkus ist auf Kritik gestoßen. So gab es ohne Vorbereitungsmöglichkeiten nur eine Tisch-vorlage, im Vorfeld wurden die Mitarbeitervertretungen nicht beteiligt.
Darüberhinaus ist die Entscheidung grundsätzlich von einem fragwürdigen Demokratieverständnis geprägt. Die allermeisten Einrichtungen und Arbeitsplätze werden nicht von der Ev. Kirche sondern staatlich, über Krankenkassenbeiträge, Pflegeversicherung oder Gebühren der Nutzer finanziert, wie Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen und zu ca. 90 % die Kindertagesstätten. Dazu kommen wirtschaftliche Entscheidungen, die sich mit Opel oder der Deutschen Bank messen lassen: Outsourcing von Reinigungsdiensten, unterschiedliche „Tarifanwendungen“ beim Diakonischen Werk oder Leiharbeit im Krankenhaus.
In diesen Unternehmen sollten folglich auch für die Beschäftigten Grundrechte wie Gewissens- und Koalitionsfreiheit gelten, zumal sich immer mehr Menschen von der Amtskirche abwenden.
Anstatt positiv und offen für seinen Glauben zu werben, versuchen offensichtlich Teile der Herner Kirche über diesen Weg Druck auf die Mitarbeiter auszuüben.
ver.di protestiert hiergegen und fordert von den kirchlichen Arbeitgebern eine Gleichbehandlung aller Beschäftigten und die Einhaltung von Grundrechten!
In diesem Zusammenhang erinnern wir an die Klage der Ev. Kirche gegen ver.di, die im März in Bielefeld verhandelt wird. Hier versucht die Ev. Kirche der Gewerkschaft ver.di Streikaufrufe in kirchlichen Einrichtungen zu verbieten!“


3 Gedanken zu “Gelten Grundrechte auch in kirchlichen Einrichtungen?

  • Maria Sukobiak

    Das ist ja ausgesprochen erfreulich, dass ver.di etwas zu den Kirchen als Arbeitgebern sagt. Man muss sich das mal vorstellen: die Kirchen betreiben Krankenhäuser, Heime und andere Einrichtungen, die zu hundert Prozent von den Krankenkassen, Pflegesätzen oder sonstigen öffentlichen Stellen finanziert werden. Die Kirchen zahlen keinen Cent, haben aber zu hundert Prozent das Sagen und dürfen missionieren und Nichtgläubige diskriminieren. In Sonntagsreden empören sie sich dann auch noch über die Intoleranz von anderen Religionen.
    Bo-alternativ sollte viel offensiver darüber berichten, dass die Kirchen mit ihren Sonderrechten einen aktiven Beitrag zum Rassismus in unserer Gesellschaft leisten, weil sie mit Beschlüssen wie in Herne, nicht christliche MigrantInnen ausgrenzen.

  • heiner semper

    …und in den Sonntagsreden heißt es von Kirchenseite immer wieder: Gerechtigkeit und Solidarität. Wie es in den „eigenen“ Einrichtungen aussieht, zeigt die o.g. Erklärung. Ausgrenzung nicht nur von andersgläubigen, sondern auch von Konfessionslosen, die mittlerweile 30 % der BürgerInnen ausmachen und auch die Einrichtungen bezahlen.
    Die Sonderrechte und staatlichen Finanzierungen der Kirche müssen abgeschafft werden, ver.di sollte hier Vorreiter sein.

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