Sonntag 29.11.09, 21:00 Uhr
Zur morgigen Sitzung des Sozialausschusses:

Bochum vor sozialem Zusammenbruch


Bochum steht vor einem sozialen Zusammenbruch: die Zahl der Menschen, die durch die Entwicklung der Arbeitsprozesse in den letzten 40 Jahren dauerhaft von der Teilhabe am Arbeitsprozess ausgeschlossen sind wird steigen, die Zahl der älteren Menschen steigt, die Zahl der Menschen mit daraus resultierenden sozialen Schwierigkeiten wird steigen …
Viele Menschen sind durch die Verschmelzung unterer Schichten auf niedrigstem Niveau und stetige Verfestigung ihrer objektiven Aussichtslosigkeit gesellschaftlich abgehängt. Sie sind heute schon nicht mehr erreichbar für herkömmliche Angebote von sozialen Maßnahmen und Bildungsangeboten.
Der historisch entstandene unverschuldete Ausschluss dieser Menschen muss wieder rückgängig gemacht werden. Dazu ist milieugebundenes nachhaltiges Engagement zwingend notwendig.
In dieser Situation soll der Sozialausschuss der Stadt Bochum die Vorschläge der Verwaltung abnicken, allein im Sozialbereich jährliche Millionenkürzungen vorzunehmen. Die Kürzungen im Bereich der ambulanten sozialen Dienste, der Jugendhilfe, der sozialpädagogischen Familienbetreuung gar nicht eingerechnet.
Das kann auf keinen Fall akzeptiert werden. Im Gegenteil, auf Grund zunehmender Aufgaben sind die Mittel hier kurzfristig deutlich zu erhöhen.
Vor allem in der niedrigschwelligen Prophylaxe- und Beratungsarbeit muss gezielt investiert werden. Hier sind die Hilfemöglichkeiten in Bochum schlecht. Alle Beratungsstellen sind zunehmend mit Problemen der Grundsicherung (Hartz IV und Sozialhilfe/Grundsicherung Alte und Erwerbsgeminderte) konfrontiert. Diese Regelungen haben Lücken. Immer wieder werden Menschen „ohne Alles“ gelassen. Die Grundsatzsachbearbeitungen der ARGE und des Sozialamtes werden von Mitarbeitern betreut, die in der Beratungsszene über den Ruf von „Hardlinern“ verfügen. Vorgeschriebene Verweisungen auf zuständige Träger werden bei Falschanträgen unterlassen, die rechtlichen Spielräume zur Überbrückung in Notlagen werden nicht genutzt. Die Menschen sind verzweifelt.
Zunehmend werden Beratungsstellen aber auch konfrontiert mit Problemen aus dem Krankenversicherungsrecht, dem Rentenrecht, dem Ausbildungsförderungsrecht. Hier sind trägerunabhängige Möglichkeiten zu schaffen, sich im Dschungel der sozialen Gesetzgebung zurechtzufinden. Bei der städtisch geförderten Beratungsstelle Brückstr. sind die Mittel nicht zu kürzen, sondern im Gegenteil so aufzustocken, dass die Zahl der qualifizierten BeraterInnen von zwei auf sechs erhöht wird. Damit (und durch dort bestehende Vernetzungen und Verweismöglichkeiten) könnte das gesamte Gebiet sozialer Nöte abgedeckt werden.
Im Februar d. J. hat Deutschland die UN-Konvention „Rechte für Menschen mit Behinderungen“ ratifiziert. Danach sind u. A. Nachteilsausgleiche vorzunehmen unabhängig von Bedürftigkeit. Hier geplante Kürzungen sind auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zulässig.
Die Sachkostenzuschüsse für Selbsthilfegruppen und Initiativen sollen sofort um 40 % gekürzt werden. Ein Zerfall der Gesellschaft ist in dieser Situation aber nur durch engagementfördernde Politik und Entwicklung einer Bürgergesellschaft aufzuhalten.
Beispiel für jährliche Einsparungen (bis 2015):

  • Anrechnung des Mittagessens in Werkstätten von Menschen mit Behinderungen: 180.000 Euro
  • Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (im Privatleben): 95.500 Euro
  • Behindertenfahrdienst: 77.500 Euro
  • niederschwellige offene Angebote für Menschen mit psychischen Behinderungen:18.000 Euro
  • Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Hilfe zum Lebensunterhalt): 34.000 Euro
  • Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten: 135.000 Euro (Komplettwegfall)
  • Frühförderung: 20.000 Euro
  • Altenhilfe: 36.500 Euro
  • Seniorengroßveranstaltungen/Wegfall Zuschuss Bogestra-Tickets: 23.500 Euro
  • Aufwandsentschädigungen Nachbarschaftshilfe: 3.000 Euro
  • Fortbildungsmittel Nachbarschaftshelfer: 10.000 Euro
  • Altenhilfe: 196.200 Euro
  • Senkung Kosten der Unterkunft (Hartz IV) trotz sinkender Bundesbeiträge um Millionen jährlich
  • Reduzierung von Personalkosten: 281.520 Euro
  • Soziale Netzwerke und psychosoziale Einrichtungen: 159.000 Euro
  • Zuschüsse für Beratung und Betreuung von Obdachlosen und Wohnungslosen: 57.000 Euro
  • Zuschüsse für Stützpunkte der Altenarbeit: 147.000 Euro

Quelle:
https://session.bochum.de/somacos/net/bi/to0040.php?__ksinr=4382