Freitag 19.06.09, 00:00 Uhr
Zum internationalen Tag des Flüchtlings:

Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen!


Anlässlich des Internationalen Tags des Flüchtlings warnt die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum vor einer Massenabschiebung der geduldeten Flüchtlinge zum Beginn des Jahres 2010. In einer Erklärung heißt es: „Die Themen Migration und Integration findet seit einigen Jahren verstärkte Beachtung. Jedoch ist es bis heute nicht gelungen, Flüchtlingen humanitär vertretbare Lebensbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen. Durch das Inkrafttreten der so genannten Bleiberechtsregelungen (§ 104a Aufenthaltsgesetz) am 01.07.2007 sollen langjährig in Deutschland lebende geduldete Flüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Deutschland fast 160.000 geduldete Flüchtlinge, über 90.000 von ihnen seit mindestens sechs Jahren. Erklärtes Ziel der Regelung war, die inhumane Praxis der immer wieder kurzfristig verlängerten Duldung (Kettenduldung) zu beenden und denjenigen, die seit vielen Jahren hier leben oder gar hier geboren wurden, eine Aufenthaltsperspektive zu geben; die Regelung betrifft Familien, die sich am 01.07.2007 mindestens 6 Jahre und Alleinstehende, die sich zum Stichtag seit mindestens acht Jahren geduldet im Bundesgebiet aufhalten. Diese Menschen müssen bis zum 31.12.2009 nachweisen, dass ihr Lebensunterhalt eigenständig gesichert ist oder dass sie seit dem 01.04.2009 dauerhaft mit ausreichendem Einkommen beschäftigt sind; ansonsten werden sie bestenfalls erneut geduldet, verlieren ihre Aufenthaltserlaubnis oder werden im schlimmsten Fall direkt abgeschoben.
Die Forderung ist nicht nur wegen der aktuellen Wirtschaftskrise kaum zu erfüllen; den Betroffenen wurde meist über Jahre hinweg jegliche Qualifizierung oder Arbeitsaufnahme verboten. Von einem wirklich humanitären Ansatz ist die Bleiberechtsregelung auch deshalb weit entfernt, weil sie besonders schutzbedürftige Menschen wie Alte, Kranke und kinderreiche Familien faktisch ausschließt – Personen, die häufig ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft verdienen können.

Die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V. (MFH) fordert den vorgesehenen Stichtag ersatzlos zu streichen, um so die Regelung zu einem fortdauernden Bestandteil des Aufenthaltsgesetzes zu machen. Nur so können die inhumanen Kettenduldungen verhindert werden und dass aus der sogenannten Bleiberechtsregelung eine Abschieberegelung wird. Die MFH ist der Meinung, dass bei geduldeten Flüchtlingen, die bereits seit mindestens 6 Jahren hier leben und in hohem Maße integriert sind, der Erteilung eines Aufenthaltstitels nichts mehr im Wege stehen kann und darf! Die Praxis, Menschen über Jahre hinweg ohne Aufenthaltsperspektive mit dem Duldungsstatus zu entrechten, muss beendet werden!

Aus Angst vor Abschiebung und wegen der restriktiven deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik haben in den vergangenen Jahren viele langjährig geduldete Flüchtlinge ihre Duldungen nicht mehr verlängert; dadurch wurden sie schlagartig papierlos und damit ?illegalisiert?. Ihre ungewisse Aufenthaltssituation und Perspektivlosigkeit ist ohnehin prekär, wozu die Kosten einer rechtlichen Vertretung nachhaltig beitragen würden; viele sehen aus Verzweiflung und aus Angst vor Abschiebung für sich keine andere Möglichkeit mehr als unterzutauchen und sind in dieser Situation einem hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Missbrauch, Ausbeutung und Kriminalität zu werden. Die Zahl dieser ausgegrenzten Menschen steigt stetig an. Sie leben mitten unter uns und doch zugleich im Schatten unserer Gesellschaft. Sie sind schutz- und rechtlos in diesem Land und deshalb dringend auf unsere Unterstützung angewiesen.

Wir fordern daher die Politiker und Politikerinnen aller Parteien auf, sich mit dem Leben der Flüchtlinge konstruktiv auseinanderzusetzen, Position zu beziehen und die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein Leben in Würde für alle in Deutschland lebende Menschen ermöglicht. Die Kommunen besitzen viele Möglichkeiten auf politischer Ebene, die Lebenssituation von Flüchtlingen positiv zu beeinflussen und zukunftsweisend zu verbessern. Alle Menschen sollen die gleichen Chancen erhalten, ihre Potenziale entdecken und einsetzen können.“