Pessemitteilung der Unabhängigen Sozialberatung vom 27. Juli 2008
Montag 28.07.08, 08:00 Uhr
Dinosaurier Kommunalverwaltung:

Das Informationsfreiheitsgesetz, die ARGE und die kommunale Politik


Seit 2002 gibt es in Nordrhein-Westfalen das „Informationsfreiheitsgesetz“ (IFG), seit 2006 auch und Bundesebene. Diese Gesetze eröffnen bisher ungeahnte Möglichkeiten der Transparenz und der Bürgerbeteiligung – in den USA mit dem „Freedom of Information Act“ seit Jahrzehnten selbstverständlich – in Deutschland immer noch zu wenig bekannt und zu wenig genutzt. Im Juni haben Arbeitsagentur und ARGE auf Bestreben der Unabhängigen Sozialberatung Zielvereinbarungen und Zielwerte zur Umsetzung Hartz IV teils im Netz veröffentlicht. Siehe Meldung vom 22.6.2008. Damit gibt sich die Initiative aber nicht zufrieden: Nach den Informationsfreiheitsgesetzen des Landes und des Bundes sind die Behörden verpflichtet, von sich aus und ohne Anfrage Verzeichnisse über vorhandene Dokumente und deren Zwecke zu veröffentlichen. Das wird in Bochum trotz einer brauchbaren kommunalen Homepage mit einem im Grunde funktionalen Ratsinformationssystems nur zögerlich bürgerfreundlich umgesetzt. Die ARGE bemüht sich seit Einführung des neuen Geschäftsführers immerhin um eine gewisse Transparenz, die Arbeitsagentur beschränkt sich auf die regelmäßige Bekanntgabe der Anzahl verschwundener Arbeitsloser (wo sind sie hin?).
In inhaltlich ähnlichen Schreiben an die kommunale Verwaltung, die ARGE und die Arbeitsagentur hat die Unabhängigen Sozialberatung nun die Erfüllung ihrer Informationspflicht eingefordert.
Im Folgenden begründen wir unser Anliegen und geben einige Informationen zur Geschichte, zum Hintergrund und zur Umsetzung des IFG.
Diese Informationen sind für uns von dringlicher Wichtigkeit: So erhalten wir immer wieder Hinweise, wonach nicht die Anweisungen der Bundesagentur für Arbeit für die ARGE Bochum maßgeblich seien, sondern die Positionen des kommunalen Trägers zu berücksichtigen seien. Wir rätseln, welche das sein mögen. Oder versuchen da die Einen den Anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben?
Derzeit kommt uns auch zu Ohren, dass die Erhöhung des Kindergeldes und die Wiedereinführung der „Pendlerpauschale“ durch Einsparungen im SGB II-Bereich finanziert werden sollen. Umzusetzen wären solche Einsparungen natürlich vor Ort durch entsprechende Zielvereinbarungen. Das kann nicht sachdienlich sein und entspricht nicht den Interessen der Leistungsberechtigten und auch nicht kommunalen Interessen. Hier hilft nicht die Betrachtung der finanziellen Entwicklung allein, sondern die Betrachtung der gewünschten und erreichten Ergebnisse kommunalen Handelns. Unsere Aufgabe als Interessenvertretung und als BürgerInnen dieser Stadt ist es, hier ein Augenmerk auf eine sachdienliche Gewichtung zu haben.
Es kommt auch immer wieder zu unzureichender Information und sogar zu Falschinformationen durch ARGE-Mitarbeitende zum Nachteil der Betroffenen. Aus diesem Grunde wünschen die BeraterInnen auch informiert zu werden über die internen Dienstanweisungen der ARGE. Es besteht der Eindruck, dass diese Anweisungen immer wieder in den sachbearbeitenden Dienststellen gar nicht ankommen oder zumindest nicht beachtet werden. Da würden und könnten die BeraterInnen gerne Hilfestellung leisten. Auch stellen sie gerne ihren umfangreichen Pool an Informationsblättern zur Verfügung und sind gerne bereit, sich darüber mit der „Grundsatzabteilung“ der ARGE abzusprechen.
Widerstand der Kommunalverwaltung
In Bochum wie anderswo hätten es die „Apparatschiks“ gerne, wenn ihr Tun im Dunklen bliebe und die BürgerInnen vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Bürgerbeteiligung ist gerne beim Stadtteilfest erwünscht. Aber Planungen/ Entscheidungen zum Cross-Border-Leasing, zum geplanten Konzerthaus, zum Kauf des VfL-Stadionnamens durch Rewirpower und nicht zuletzt zur Umsetzung des Hartz IV-Gesetzes auf kommunaler Ebene hätten Politik und Verwaltung gerne unter sich ausgemacht. Die Kommunalverwaltung erscheint als echter „Dinosaurier“, existieren ihre Strukturen als „Staat im Staat“ doch im Wesentlichen unverändert seit bereits mehr als 200 Jahren. Die Politik erscheint oftmals als Teil der Verwaltung, statt Kontrollaufgaben und Anordnungsbefugnis wahrzunehmen. Ob eine Übernahme der kommunalen Verwaltungen nach dem Modell „avarto/Bertelsmann“ die richtige Alternative ist darf allerdings bezweifelt werden.
Auch ist ein gewisser Korpsgeist („Ihr seid doch auch Bochum“) nicht zu verkennen.
Um so erstaunlicher ist es, dass mit dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes NRW bereits 2002 und mit dem entsprechenden Gesetz des Bundes 2006 ein Paradigmenwechsel eintrat und die Behörden nicht nur gezwungen sind, die nötigen Informationen auch ohne Begründung herauszugeben, sie müssen sogar Verzeichnisse veröffentlichen, aus denen sich die vorhandenen Informationssammlungen und Informationszwecke erkennen lassen. Das IFG dient der Transparenz öffentlichen Handelns und der Begrenzung staatlicher Macht. Es gehört viel mehr ins Bewusstsein der BürgerInnen und sollte viel häufiger genutzt werden. In der Regel werden die Verwaltungen diese Dienstleistung ohne Berechnung erbringen müssen. Demokratie darf auch etwas kosten!
Interessanterweise ist das NRW-Gesetz zurückzuführen auf eine Initiative der CDU-Landtagsfraktion im Jahre 2000. In den Beratungen sahen vor allem die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen und die Vereinigung der Industrie- und Handelskammern in Nordrhein-Westfalen ganz grundsätzlich keinen Bedarf für ein solches Gesetz. In Kraft ist es seit dem 1.1. 2002. Auch Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge (ÖPNV, Energie- und Wasserversorgung usw.) unterliegen diesen oder ähnlichen Vorschriften.
Erfahrungen
Jährlich kommt es seit dem in NRW zu etwa eintausend Anfragen, beispielsweise zum Baurecht oder zum Umweltschutz. Zuständig für die Umsetzung ist die Landesdatenschutzbeauftragte, die Erfahrungen werden überwiegend positiv beurteilt.
Die erste Klage erhob der Sozialhilfe-Verein Tacheles e.V. (Wuppertal) Mitte April 2006 beim Sozialgericht Düsseldorf auf Herausgabe der Durchführungshinweise und Handlungsempfehlungen zum Arbeitslosengeld durch die Bundesagentur für Arbeit (BA). Die Unterlagen liegen nach Angaben der BA im Intranet vor, dennoch wurde die am 2. Januar 2006 beantragte Herausgabe unter Berufung auf technische Probleme und amtsinterne Abstimmungsschwierigkeiten wiederholt verzögert. Am 13. Juli 2006 erzwang die Erwerbsloseninitiative Akteneinsicht. Pro Asyl hat in 2007 mit Hilfe des IFG gerichtlich die Herausgabe eines Teils der Dienstanweisungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erstritten. Wünschenswert wäre, dass der Rat der Stadt Bochum die Umsetzung des IFG einfordert und kontrolliert, insbesondere die Verpflichtung der Behörden, von sich aus und ohne Anfrage Verzeichnisse über vorhandene Dokumente und deren Zwecke zu veröffentlichen.

Weitere Informationen und Links zum IFG Bund und Land:

Zunächst aus wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_zur_Regelung_des_Zugangs_zu_Informationen_des_Bundes
„Das Gesetz gewährt jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Eine Begründung durch Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art ist nicht erforderlich.
„Amtliche Information“ ist jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, also beispielsweise Schriftstücke in herkömmlichen Akten, elektronisch gespeicherte Informationen, Zeichnungen, Grafiken, Pläne, Ton- und Videoaufzeichnungen.
Die Behörde gewährt den Informationszugang grundsätzlich nur auf Antrag, und zwar „unverzüglich“ durch Auskunftserteilung, Gewährung von Akteneinsicht oder „auf sonstige Weise“, z. B. durch Abhörenlassen einer Tonaufzeichnung oder Recherche in einer Datenbank. Der Antrag hierfür kann mit einem formlosen Schreiben, aber auch mündlich oder telefonisch erfolgen. … Für die Erfüllung des Antrags gelten die Regeln des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Die Ablehnung des Antrags ist ein Verwaltungsakt, der mit Widerspruch und Verpflichtungsklage angefochten werden kann.
Trotz dieses umfangreichen Katalogs von Ausnahmetatbeständen gilt seit dem 1. Januar 2006 der Grundsatz, dass die Gewährung von Zugang zu behördlichen Informationen die Regel ist und die Verwehrung des Zugangs die Ausnahme. Dies ist ein Paradigmenwechsel, galt doch bisher das Prinzip, dass behördliche Informationen grundsätzlich nicht öffentlich sind, es sei denn, es besteht ein spezialgesetzlich normierter Auskunftsanspruch.
Diese Abkehr vom Amtsgeheimnis führt dazu, dass Informationsersuchen dritter Personen, die nicht an einem Verwaltungsverfahren beteiligt sind, künftig nicht einfach pauschal zurückgewiesen werden können. Stattdessen muss grundsätzlich Zugang zu den begehrten Informationen gewährt werden, es sei denn, im Einzelfall stehen schützenswerte und höherwertige Interessen Dritter dem Informationszugang entgegen. Die Behörde muss dies einzelfallbezogen prüfen und darlegen.
Unabhängig von konkreten Anträgen auf Informationszugang müssen die Bundesbehörden künftig bestimmte Informationen allgemeiner Art „von Amts wegen“ öffentlich bekannt machen. Dabei handelt es sich um Verzeichnisse, aus denen sich die vorhandenen Informationssammlungen und Informationszwecke erkennen lassen, um Organisationspläne und um Aktenpläne. Diese Informationen sollen im Internet veröffentlicht werden.“

Das IFG NRW:
Die Webseiten der Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit unter: http://www.lfd.nrw.de (Kopfmenue: Informationsfreiheit)

Weiter Infos:
Humanistische Unio: Akteneinsicht für alle!
http://www.humanistische-union.de/uploads/media/hu2003_akteneinsichtnrw.pdf

Mehr Demokratie e.V.:
http://www.mehr-demokratie.de/informationsfreiheit.html