Pressemitteilung vom 25. Februar 2007
Montag 26.02.07, 08:00 Uhr

Unabhängige Sozialberatung – Beratungs- Beschwerde- und Ombudsstelle für Erwerbslose


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Widerspruchsstelle ARGE

Nun streiten schon Soziale Liste und CDU um die Ehre, wer zuerst die Einrichtung einer Beschwerdestelle für Hartz IV – Opfer gefordert hat. Wir haben uns damit nicht lange aufgehalten, sondern tun es einfach – seit nunmehr zwei Jahren. Seit Herbst 2006 stellen wir uns auch zur Verfügung für die Aufgabe einer „Ombudsstelle“, zu der wir uns durch unsere verlässliche und unnachgiebige Arbeit entwickelt haben.
Neben den erwähnten 400 Hauptsache-Klagen gab es ein Mehrfaches davon an Eilanträgen, weil die ARGE die notwendigen Zahlungen nicht geleistet hat und die Menschen in unmittelbare existentielle Not geraten sind. Eine ähnlich hohe Zahl an Klagen gab es bereits wegen unrechtmäßiger Untätigkeit der ARGE.
Zu den bereits weit über 3.000 Widersprüchen kommen Monat für Monat etwa 250 neu hinzu – 46 % davon werden zu Gunsten der Betroffenen entschieden. Hinzurechnen muss man die viel höhere Zahl von „Beschwerden“, durch die ohne Beschreitung des Rechtswegs offensichtliches Unrecht zügig auf dem „kleinen Dienstweg“ erledigt wird. Die Bescheide der ARGE sind immer noch in unglaublicher Zahl fehlerhaft. Hinzu kommt offen extralegales Handeln, beispielsweise bei der Kürzung der Heizkosten und dem Umgang mit sogenannten „eheähnlichen Verhältnissen“ oder der Leistungsverweigerung, wenn Betroffene aus psychischen Gründen oder wegen des Vorliegens einer zu isolierenden Infektionskrankheit zu einer Krankenhausbehandlung eingewiesen werden. Letzteres ist durch unsere Intervention neuerdings der Rechtslage entsprechend geändert worden. Ähnliche Erfolge haben wir vorzuweisen in der Frage der unrechtmässigen Einsichtnahme in Kontoauszüge und bei der kürzlichen Reduzierung der Wochenstundenzahl für 1-Euro-Jobber (jetzt entsprechend den Durchführungsempfehlungen 30 Std., zuvor 38 Std., 5 – Bundesdurchschnitt: 28 Std.). *)
Allerdings kann diese Tragik nicht alleine der ARGE angelastet werden. Schon die von der berüchtigten Software „A2LL“ vorgegeben Bescheide sind „unter aller Sau“, wie wir bereits vor zwei Jahren in einem Schreiben an den Leiter der Arbeitsagentur, Herrn Wolterhoff, festgestellt haben. Inzwischen hat sich auch das Bundessozialgericht dieser Einschätzung angeschlossen, wenn auch mit einer moderateren Wortwahl: („zweifelhafte Bescheidgestaltung“), aber genau so vernichtend: bis Ende Juni müssen die Bescheide den Rechtsvorschriften entsprechen.
Auch ist das Hartz IV – Gesetz (SGB II) in sich widersprüchlich und negiert Vorschriften der allgemeinen Sozialgesetzgebung und des Grundgesetzes. Allein die Regelleistung für unter 14jährige in Höhe von 207 Euro monatlich ist sicher nicht bedarfsdeckend und entwürdigend. Der Weg durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht kann aber noch lange dauern – bis dahin hat das Elend seine Wirkung vollbracht! Die Kommune hätte die Möglichkeit, auf dem Weg von nicht rückzahlbaren Darlehen oder durch Zuschüsse des Sozialamtes beispielsweise für Schulbedarf oder für ein Sozialticket die gröbste Not zu lindern.
Es reicht auch nicht, wenn der einzurichtende Beschwerdeausschuss nur die abgelehnten Widersprüche nochmals überprüft. Auch die 46 % „abgeholfenen“ müssen angeschaut werden, um zu erkennen, wo die ARGE durch Vernachlässigung ihrer Ermittlungspflicht oder durch unzureichende Kenntnisse der Sachbearbeitungen immer wieder für Ärger sorgt. Eine ausgeuferte Bürokratie und zusätzliche Statistik-Aufgaben erfordern auch unbedingt eine Personalaufstockung.
Nein, nicht die vielen Widersprüche und Klagen machen uns Sorgen – das ist der in unserem Rechtssystem vorgesehene Weg, wie Beratungsstellen, Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und Gerichte den Betroffenen zu ihrem Recht verhelfen können und weiterhin als Organe der Rechtspflege im weitesten Sinne zur Rechtsentwicklung beitragen können.
Sorge machen uns die vielen, vielen Menschen, die sich einschüchtern lassen und nicht den Weg zu einer Beratungsstelle oder in eine Anwaltskanzlei finden. Was wir jetzt sehen ist nur die Spitze des Eisbergs.
Solange das Unrecht weiterbesteht, kann der von er CDU gewünschte Friede nicht einkehren!

*) Links zu: Probleme 1-Euro-Jobs:
http://www.iab.de/asp/internet/dbdokShowOhne.asp?pkyDoku=k070126a04 (Einsatz/Gestaltung von 1-Euro-Jobs)

http://doku.iab.de/discussionpapers/2007/dp0807.pdf
(Verdrängung durch 1-E-Jobs)