Samstag 11.11.06, 17:00 Uhr

Polizei nimmt keine Notiz von Nazis


Das Bochumer Polizeipräsidium hat eine äußerst agile Pressestelle. Sie füttert die Medien regelmäßig mit Stories über „Kioskräuber“ oder den „Stadtwerketrick“ und mit Meldungen wie “ Einbrecher machen keine Pause“. Dies alles wird auch im Internet veröffentlicht. Dass die Kränze zum Gedenken an die Reichspogromnacht entwendet wurden, ist der Pressestelle der Polizei keine Zeile wert. Die Sache ist für das Polizeipräsidium schließlich äußerst peinlich.
Vor zwei Jahren haben Nazis bereits in Wattenscheid die Kränze geschändet. Diesmal hatten sie in ihrem Internetforum darüber diskutiert, wie sie das Gedenken in Bochum stören. Staatschutz und Verfassungsschutz wussten also von den Plänen. Sie haben die Nazis gewähren lassen.
Günter Gleising, Ratsmitglied der Sozialen Liste, findet erfreulich klare Worte zum Versagen der Bochumer Polizei: »Es ist erstaunlich, dass die Polizeibehörden nicht für 24 Stunden in der Lage waren, den Gedenkort zu schützen. Der Kranzdiebstahl kommt einer Schändung des Andenkens der Opfer des Faschismus gleich. Zu vermuten ist, dass die Täter in dem Umfeld zu suchen sind, die die Verbrechen der Nazis leugnen und „Schluss mit dem Schuldkult“ fordern, auf die mehrere Redner auf der Gedenkveranstaltung hingewiesen haben.
Eine weitere bedenkliche Entwicklung findet ihren Ausdruck darin, dass die neonazistische Zeitung (und das Internet-Portal) „Freiheit Wattenscheid“, sowie die rassistischen Unabhängigen Nachrichten in dem jüngsten Verfassungsschutzbericht NRW nicht mehr erwähnt werden. Auch der Schwund der „brauen Seiten“ in den Berichten der letzen vier Jahre ist bemerkenswert. Im Jahr 2002 waren noch 107 Seiten dem Rechtsextremismus gewidmet. 2003 waren es 87, 2004 noch 64 Seiten. Nur noch 46 „braun“ gekennzeichnete Seiten enthält der Bericht von 2005, den Landesinnenminister Dr. Ingo Wolf Mitte des Jahres vorlegte. Trotz anhaltender und wachsender Bedrohung durch den Neonazismus zeigt diese Entwicklung die Verharmlosung „von Amts wegen“. Das rechte Auge bleibt blind.«