Rede am 3. 5. 2014 auf dem Husemannplatz gegen den Auftritt von Pro NRW
Sonntag 04.05.14, 07:02 Uhr

Antonia Kreul


Aufgrund der im Mai anstehenden Kommunal- und Europawahlen möchte die rechtspopulistische Partei PRO NRW heute hier in Bochum und in den kommenden Wochen in zahlreichen weiteren nordrheinwestfälischen Städten, Kundgebungen, Demonstrationszüge und Lichterketten gegen „Asylmissbrauch“, „EU-Armutseinwanderung“ und „Überfremdung“ durchführen.

Wir, der Flüchtlingsrat NRW und die mit uns hier versammelten Menschen, finden diese rechtspopulistische Hetze geschmacklos! Geschmacklos ist nicht nur die Verwendung von Lichterketten – ursprünglich einem Symbol, mit dem Flüchtlingsunterstützerinnen Anfang der 1990er Jahre ihre Solidarität mit den Opfern rassistischer Gewalt zum Ausdruck brachten – geschmacklos sind auch die von PRO NRW dabei formulierten Forderungen. Sie stellen Asylbewerberinnen und Geduldete in Deutschland unter den Generalverdacht „kriminell“ zu sein und die Sozialsysteme in Deutschland nur „missbrauchen“ zu wollen. PRO NRW möchte, ich zitiere, „98 % [dieser, wie sie es nennen] Scheinasylanten in Deutschland“ konsequent abschieben. Die angeblich in Deutschland gefährdete „Sicherheit“ müsse in den Städten wieder hergestellt und die „islamistischen Parallelgesellschaften“ zurückgedrängt werden. Auf ihren Wahlplakaten finden zu guter Letzt auch noch offene Aufforderung Platz, die „Wut im Bauch“ rauszulassen und die „Asylantenflut zu stoppen“.

Wir halten diese Form der Hetze gegen Asylbewerberinnen und Geduldete nicht nur für falsch, sondern auch für gefährlich und möchten dies mit dieser Gegendemonstration lautstark zum Ausdruck bringen!

Das von PRO NRW inszenierte Schreckensszenario hat rein gar nichts mit der Realität zu tun. Von den derzeit ca. 45 Millionen Flüchtlingen weltweit leben 81 % in so genannten Entwicklungsländern. Viele fliehen in die direkten Nachbarländer, wie an Syrien momentan sehr deutlich zu sehen ist. Allein im Libanon sind ca. 995.000 syrische Flüchtlinge registriert. Das Aufnahmeprogramm der Bundesregierung erscheint mit den 10.000 Flüchtlinge, die aus Syrien aufgenommen werden sollen, dagegen fast lächerlich.
Flüchtlinge, die dennoch den Weg nach Europa antreten gefährden oder verlieren dabei sogar ihr Leben und die Wenigen, die in Deutschland und NRW ankommen und für PRO NRW anscheinend bereits eine „Flut“ darstellen, finden hier ein politisches System vor, welches Asylbewerberinnen und Geduldeten die Teilhabe an der Gesellschaft weitestgehend verwehrt. Dies äußert sich an den oft miserablen Zuständen in den Flüchtlingsunterkünften, an den erschwerten Zugängen für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt, an der eingeschränkten medizinischen Versorgung oder an den zahlreichen Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes.

Menschen die vor (Bürger-) Kriegen, vor politischer Verfolgung, ethnischer und religiöser Diskriminierung, vor Hungerkatastrophen und Armut fliehen, suchen in Deutschland Schutz! Sie suchen einen Ort an dem sie wieder Hoffnung schöpfen und sich ein neues Leben aufbauen können. Einen Ort an dem sie keine Gewalt und keine Bedrohung mehr fürchten müssen!

Angesichts der genannten Tatsachen erscheinen die Behauptungen von PRO NRW, alle Asylberwerberinnen und Geduldeten seien „Asylmissbraucher“und die deutsche Gesellschaft würde „überfremdet“ fast zynisch!

Und wenn PRO NRW die Bevölkerung hier in Bochum und in anderen Städten offen auffordert ihre „Wut im Bauch rauszulassen“ und die „Asylantenflut“ zu stoppen, gefährden sie damit einen potenziellen Schutzraum für Flüchtlinge. Zudem stellt sich die so genannte „Bürgerinitiative“ mit ihren Äußerungen selbst abseits auf die ganz rechte Seite.

Damit sind wir, die wir hier heute an der Gegendemonstration teilnehmen, jedoch nicht einverstanden! Wir möchten, dass sich Flüchtlinge in NRW willkommen und sicher fühlen können! Lasst uns daher gemeinsam dafür sorgen, dass Flüchtlinge nicht nur ein willkommener, sondern auch ein gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft werden. Gerade in Bochum gibt es viele Möglichkeiten, sich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren. So hat sich beispielsweise erst kürzlich ein „Initiativkreis Flüchtlingsarbeit Bochum“ gegründet, der die in diesem Bereich tätigen Organisationen vernetzen und damit die Flüchtlingsarbeit stärken möchte. Das ist eine Form des gesellschaftlichen Engagements, welches wir brauchen, um sicherzustellen, dass rechtspopulistische Parteien wie PRO NRW nicht auch noch Zuspruch für ihre hetzerischen Äußerungen bekommen.