Freitag 17.01.14, 09:44 Uhr
Polizei und WAZ Bochum:

Teil des Problems und nicht der Lösung 6


von Norbert Hermann, Bochum-Prekär
Erschrecken am Dienstag beim Öffnen der WAZ Bochum (1): Auf der ersten Lokalseite prangte groß ein Bericht über einen Leserinnenbrief im Journal der Gewerkschaft der Polizei (2). Mit einem Griff in die Klamottenkiste der 1980er Jahre wird dort derart vom Leder gezogen, dass ein Eingreifen der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung angesagt wäre.  Auffällig: Außer der WAZ haben nur offen rechte Medien diesen Leserbrief aufgegriffen.

Bundesweit läuft seit einiger Zeit eine Kampagne der Gewerkschaft der Polizei (GdP) über zunehmende Gewaltattacken (4). Auch Bochumer Polizist_innen klagen: Bedrohungen und Angriffe auch bei “ganz normalen” Einsätzen nähmen zu. Die Polizist_innen werden den Angaben zufolge beschimpft, bespuckt und körperlich attackiert. Das ginge durch alle Bevölkerungsschichten. Nicht nur in der „Unterstadt“ – auch im „Paralleluniversum“ Stiepel käme das vor.

Nun meint eine ganz kluge Kollegin aus dem (sicherlich unerfreulichen) Zusammentreffen mit straffälligen Migranten (darunter gar welche im Kindesalter!) verallgemeinernd auf „die meisten“ Zugewanderten und deren hier geborene Kinder schließen zu müssen. Mit  bloßem Augenschein erkennt sie auch deren (von ihr offensichtlich ungeliebte)  Religionszugehörigkeit. Biodeutsche „straffällige“ oder nur ungehörige Menschen scheint es für sie nicht zu geben. Statt professioneller Gelassenheit kommen von ihr rechtlich unhaltbar Forderungen nach Sanktionen für „ungehöriges“  Verhalten: „zum Beispiel angemessene Geldstrafe, Kürzung oder Streichung sämtlicher Hilfen durch den Staat, Gefängnis“ oder die Ausweisung, „wenn die oben genannten Sanktionen nicht ausreichend sind“.

Polizist_innen in NRW sind doch studierte Leute. Sie wissen um die Hintergründe von gesellschaftlichen Problemen und die sozialen und politischen Notwendigkeiten für ein friedliches Zusammenleben. Die Rahmenbedingungen verschlechtern sich für die Hälfte der Bevölkerung allerdings rapide. Sie wissen auch, dass die Beurteilung von Taten und ggf. deren Bestrafung der Justiz vorbehalten ist. Der wird seitens der Polizei aber nicht immer vertraut und, so der Eindruck in der Bevölkerung, auch schon mal selbst „durchgegriffen“. Amnesty international Deutschland hat die Polizeigewalt zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht (5). In der Bevölkerung herrscht eher Misstrauen gegenüber der Polizei (6).

Dieser Leserbrief und seine Darstellung in der WAZ sind kein Beitrag zu einem guten Zusammenleben in einer lebens- und liebenswerten Gesellschaft. Polizei und WAZ Bochum machen sich so zu einem Teil des Problems und nicht der Lösung. Sie verschärfen die Konflikte noch dazu. Wem es nützt zeigt die Liste der weiteren Medien, die sich über den Leserbrief gefreut haben. Ob es der GdP nützt, die sich gegen die Konkurrenz der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) zur Wehr setzen muss ist ungewiss: die verfügte immerhin vor Zeiten über einen Vorsitzenden, der auf eine Karriere bei der NSDAP und der Gestapo zurückblicken konnte und nur zögerlich entnazifiziert wurde. Dagegen muss die GdP Rücksicht nehmen auf ihre Zugehörigkeit zum DGB und dessen Menschenrechts- und Demokratieverständnis und muss auf DGB-Tagungen immer wieder Kritik an polizeilichem Verhalten einstecken. Gäbe es nicht unsere langendreer’schen Dorfbullen und die „kritischen Polizisten“ (7) müsste man jegliche Hoffnung auf Selbstreflexion bei der Polizei längst aufgegeben haben.

(1) http://www.derwesten.de/staedte/bochum/polizistin-beklagt-respektlosigkeit-einiger-migranten-id8868945.html
(2) Deutsche Polizei 11/2013 (S. 3): https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp201311/$file/DP_2013_11.pdf
(3) Leser_innenreaktionen dazu: Ausgabe 1/2014 (S. 22 ff): https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/dp201401/$file/DP_2014_01.pdf
(4) http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/3928686/80-prozent-der-beamten-erleben-gewalt.html
(5) http://www.amnesty.de/themenbericht/polizeigewalt-im-brennpunkt und http://www.amnestypolizei.de/
(6) http://www.neues-deutschland.de/artikel/830646.polizeiuebergriffe-und-grundgesetzwidrige-polizeieinsaetze.html
(7) http://www.kritische-polizisten.de/


6 Gedanken zu “Teil des Problems und nicht der Lösung

  • Jakob Spatz

    Die Gute Nachricht ist, dass es auch ausserhalb Langendreers noch Polizist_innen gibt, die über die Rolle der Polizei in der Gesellschaft nachdenken. Zumindest tut dies Sabrina Kunz von der GdP-Jugend: „Die Polizei befindet sich in einem immer brisanter werdenden Spannungsfeld zwischen Politik und Gesellschaft. Es kann und darf nicht die Aufgabe der Polizei sein, politisches Unvermögen auf Dauer auszuhalten und durchzusetzen“.
    https://linksunten.indymedia.org/de/node/103281

    Die schlechte Nachricht: Anlässlich seines gestrigen Auftritts im Bf. Langendreer traute sich Werner Rätzt vom Bündnis Blockupy (https://blockupy-frankfurt.org/)keine Aussage zu der Frage zu, ob vielleicht 2014 eine Großdemonstration gegen die Politik der Europäischen Zentralbank in Frankfurt von der Polizei unbehelligt würde stattfinden können.

  • Andreas

    …und wenn die besagte Polizistin dann sagt: „Meine deutschen Kollegen scheuen sich, ihre Meinung über die straffälligen Ausländer zu äußern, da sofort die alte Leier mit den Nazis anfängt“, dann ahnt man auch, wie die Kollegen missliebige Migrant_innen behandeln wenn keine Öffentlichkeit dabei ist, die „die alte Leier mit den Nazis“ ins Spiel bringt.

  • Jakob Spatz

    Vielleicht kommt die DGB-Kollegin ja auch mit nach Frankfurt. Dann können wir das ja alle zusammen diskutieren. Im Kessel oder in der GeSa. Nachdem wir das Pfefferspray rausgewaschen haben, versteht sich.

  • Falk Moldenhauer

    In der Tat: Wir brauchen keinerlei Rassismus, keinen antimuslimischen, keinen Antisemitismus und keinen Antiziganismus. Wir brauchen keine Rüstung, keine Mililitärintervention und keinen zunehmenden Sozialabbau. Ausländerfeindlichkeit muss ein Fremdwort werden.

  • Rosa Rot

    Lieber Norbert Hermann, ich finde deinen Beitrag polemisch und überzogen. Die Intention der Polizistin war, über Gewalt gegen sie nicht nur als Polizistin, sondern konkret als Frau zu berichten. Dein politisch korrektes Denk- und Sprechverbot soll – „nur“ weil sie Polizistin ist, den Mantel des Schweigens über das abfällige Machotum decken. Wenn du dich mal mit progressiven Leuten mit Migrationshintergrund unterhalten solltest – gleich welcher Religionszugehörigkeit – dann teilen viele den Beitrag der mutigen Frau und pflichten bei, dass dies einfach mal gesagt werden musste.Viele distanzieren sich von der Gewalt, die entgleiste und gewaltbereite, vor allem männliche, frustrierte Jugendliche, in der Gesellschaft ausüben.

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