Aktionstag umFAIRteilen am 29.9.2012 in Bochum
Samstag 29.09.12, 18:00 Uhr

Rede von Dr. Kemal Bozay


Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich darf Sie alle recht herzlich im Namen der IFAK – dem Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe / Migrationsarbeit – zur heutigen Auftaktkundgebung und Demonstration in Bochum begrüßen. Ich freue mich sehr, dass Tausende aus dem gesamten Ruhrgebiet, aber auch aus Ostwestfalen-Lippe bis hin nach Siegen dem Aufruf von Gewerkschaften, Sozialverbände, Einrichtungen, Parteien und Verbände so zahlreich gefolgt sind und hier im Bochum ein gemeinsames Zeichen setzen!
Heute sind in ganz Deutschland Hunderttausende auf der Strasse, in Frankfurt, Köln, Berlin, Hamburg und anderswo. UmFAIRteilen für eine gerechte und solidarische Gesellschaft ist unser Motto! Wir verstehen uns als eine breite Bewegung! Eine Bewegung für eine solidarische Erneuerung und für ein soziales und gerechtes Land! Unsere Botschaft: Es reicht!
Fehlende Kita-Plätze, Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit, Kürzungen im schulischen Bereich, Kahlschlagpolitik gegen Sozialverbände und Vereine, geschlossene Bibliotheken, fehlende Mittel für Kultur, mangelhafter Nahverkehr… – dass ist die Realität vor der wir heute bundesweit stehen.
Seit Jahren die gleichen Märchen: Es muss erst schlechter werden, damit es besser werden kann! So ein Blödsinn! Seit mehreren Jahrzehnten wird Politik nach dieser Melodie gemacht. Die Folgen:
•    Weniger Arbeitslosengeld!
•    Eintrittsgeld beim Arzt und Zuzahlungen bei Medikamenten!
•    Soziale Kürzungen im schulischen Bereich!
•    Soziale Kürzungen in der Kinder- und Jugendarbeit!
•    Rotstiftpolitik gegen Kultur- und Migrantenarbeit
•    Anhebung des Rentenalters auf 67
Und vieles mehr!
Und auf der anderen Seite:
•    Steuerentlastungen in Milliardenhöhe.
•    Kürzung betrieblicher Sozialleistungen.
•    Abbau von Arbeitnehmerrechten.
•    Die Managergehälter explodieren, auch wenn die Betriebe am Boden liegen.
Wir haben genug von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit, von stagnierenden Löhnen und explodierenden Managergehältern! Und wir haben die Nase voll von angeblichen Reformen, die wir bezahlen und die den anderen nutzen!
Es kann doch nicht sein, dass mehr als 62 % des Nettoprivatvermögens in Deutschland die reichsten 10 % der Bevölkerung besitzen. Die ärmsten 10% der Bevölkerung besitzen schlicht weg nichts, sondern tragen stattdessen eine private Schuldenlast von über 13 Milliarden Euro. Dass sind die Tatsachen hierzulande!
Es muss endlich Schluss sein mit einer Politik,
•    die Arbeitslose abstraft statt Arbeitslosigkeit zu bekämpfen,
•    die die sozialen Werte und das soziale Netz hierzulande weiter demontiert statt den sozial Schwachen unter die Arme zu greifen
•    die in der Kinder-, Jugend-, Kultur-, Migration- und Gemeinwesenarbeit weiter spart statt die Menschen aus sozial benachteiligten Lebenslagen weiter zu stärken und Armut zu bekämpfen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
diese Politik ist nicht nur sozial ungerecht. Sie ist auch wirtschaftlich unsinnig. Diese Politik löst auch keine Probleme, sondern verschärft sie weiter. Sie führt die Gesellschaft und Wirtschaft nicht aus der Krise heraus, sondern weiter hinein.
Fakt ist: Die Schere zwischen Arm und Reich reißt immer weiter auseinander! Viele Arbeitslose, Kranke, Alleinerziehende und kinderreiche Familien wissen kaum mehr, wie sie über die Runden kommen sollen. Und eine kleine Schicht von Super-Reichen weiß nicht wohin mit den Millionen, die sie durch Steuerprivilegien, Aktiengewinne oder Vermögenszinsen kassieren.
Der Staat kürzt soziale Leistungen und öffentliche Investitionen, um zu sparen. Aber Stagnation und Arbeitslosigkeit reißen immer größere Löcher in die öffentlichen Haushalte. Und in Kindergärten, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Universitäten und Krankenhäuser soll weiter gespart werden.
Lassen sie mich das mal am Beispiel der Menschen mit Migrationshintergrund festmachen: Gerade der aktuelle Bericht zur Lage der Migrantinnen und Migranten macht deutlich, dass Menschen mit Migrationshintergrund dreimal häufig auf Hartz IV angewiesen sind. Sie sind doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und Sozialkahlschlag betroffen. Hinzu kommt, dass die Politik der sozialen Ausgrenzung durch Sozialraub und Privatisierungen, Lohndumping und Leiharbeit Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Gesellschaft stärker in die Armut drängt. Durch die Logik einer Teile- und Herrsche-Politik werden Migrantinnen und Migranten zu Sündenböcken für soziale Notstände gemacht. Wir sagen ohne uns!
Verhindern müssen wir die gesellschaftliche Spaltung, Stigmatisierung und Ausgrenzung von Menschen mit Migrationshintergrund: denn je stärker sich die Migrantinnen und Migranten in der Einwanderungsgesellschaft bedroht und unsicher fühlen, desto stärker zeigen sie Rückzugstendenzen in eigene kulturelle Abgrenzungen. Diese Situation hemmt das Miteinander und Füreinander. Migrantenselbstorganisationen, die auch heute an diesem Aktionstag vertreten sind, fordern Partizipation und solidarisches Miteinander. Das ist auch unser Motto auf dem heutigen Aktionstag!
Auch die PISA-Studien haben gezeigt: In der Bildungspolitik ist längst die Klassenspaltung vergangener Jahre zurück gekehrt. In keinem hochentwickelten Land hängen Bildungschancen so stark von der sozialen Herkunft der Menschen ab wie in Deutschland. Bildung droht wieder zum Privileg gesellschaftlicher Eliten zu werden. Das ist ein Skandal.
Und deshalb sage ich: Redet nicht immer nur über Bildung und Wissensgesellschaft, sondern gebt den jungen Menschen endlich eine faire Chance, unabhängig von Nationalität und Hautfarbe. Auch in der schulischen und beruflichen Ausbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Freundinnen und Freunde,
Wir erwarten, ja wir fordern: Macht endlich Schluss mit dieser ungerechten Politik der sozialen Spaltung und der sozialen Kälte! Ja, auch wir wollen Veränderungen. Aber nach vorne und nicht zurück in den Frühkapitalismus. Wir benötigen eine Perspektive für eine solidarische und soziale Zukunft.
Wir wollen eine aktive und solidarische Gesellschaft. In der alle füreinander einstehen. Die Jungen für die Alten, die Reichen für die Armen, die Gesunden für die Kranken. Das ist machbar, das ist gerecht und das ist zumutbar.
Dieser bundesweite Aktionstag ist eine Bewegung aus sehr unterschiedlichen Initiativen und Organisationen. Aus Jungen und Alten. Aus Menschen unterschiedlichster Herkunft. Uns verbindet der Forderung nach einer besseren Gesellschaft. In der Gerechtigkeit, Solidarität und Menschlichkeit auf der politischen Agenda stehen. Wir fordern „UmFAIRteilen und Reichtum besteuern!“. Wir fordern daher eine gerechte Verteilung, in Form von Besteuerung des Reichtums und der Vermögensteuer.
In diesem Sinne wünsche ich der heutigen Demonstration und Kundgebung einen erfolgreichen Verlauf!