Montag 28.02.11, 22:05 Uhr

Antifa Prozess vor dem Landgericht


Die Antifaschistische Jugend Bochum schreibt in einer Pressemitteilung: „Am Dienstag, den 01.03.2011, wird am Landgericht Bochum ein Urteil gegen einen Bochumer Antifaschisten angefochten. Trotz zweifelhafter Sachlage wurde der nicht Vorbestrafte, der bei einer polizeikritischen Demonstration der Antifaschistische Jugend Bochum (AJB) festgenommen wurde, im vergangenen November zu 90 Tagessätzen á 10 Euro verurteilt. Grundlage der Verurteilung ist lediglich die Aussage des festnehmenden Beamten. Zwei weitere Aussagen von Beamten sowie eine Videoaufnahme sprechen dem entgegen.
Der Angeklagte befand sich am 10. April 2010 auf einer Demonstration gegen Polizeigewalt, als es zu einem Handgemenge vor der Polizeiwache an der Uhlandstraße kam. Der Angeklagte wollte dazwischen gehen und geriet dadurch selbst ins Visier eines Beamten namens Ingo V. Dieser will gesehen haben, wie der Angeklagte von hinten auf seinen Kollegen P. eingeschlagen hat. Dass P. vom Angeklagten geschlagen wurde, konnte er nicht bestätigen. Außerdem widersprach ein dritter Polizeizeuge, Andre V. aus Herdecke, den Angaben von Ingo V., dass sich der Angeklagte gegen seine Festnahme mit Schlägen und Tritten gewehrt hätte. Er habe sich lediglich „gesperrt“.
Strittig bleibt nach der ersten Instanz, ob der Angeklagte eine versuchte Gefangenenbefreiung begangen und sich gegen seine Festnahme gewehrt hat. Den Vorwurf des Gewalteinsatzes konnte nicht einmal die Staatsanwaltschaft aufrecht halten und wurde ebenfalls im Urteil nicht gewürdigt. Als einzige „objektive“ Referenz bleibt nur ein Polizeivideo. Aus ca. 20 Metern Entfernung wurde besagte Situation von einem Kamerawagen der Polizei gefilmt. Interessant ist: Auf dem Video lassen sich keine stützenden Beweise für die Aussagen des Polizisten Ingo V. finden. Vielmehr stützt das Video die Schilderungen des Angeklagten. Trotz dieser zweifelhaften Sachlage wurde ein Urteil gegen den Angeklagten in den Punkten Widerstandshandlungen und versuchte Gefangenenbefreiung gesprochen. Einwände des Verteidigers, dass sich die Aussagen des Polizeizeugen nicht mit dem Video decken, wurden vom Richter gekonnt ignoriert. Kevin Waschkowitz, Presssprecher der AJB, besteht auf »eine faire Auseinandersetzung mit den Hergängen sowie Beachtung des vorliegenden Beweismaterials.« »Eine Gleichbewertung der Aussagen kann den Richter eigentlich nur zum Schluss eines Freispruchs führen. Zumindest, wenn der Zweifel als Rechtsgrundsatz noch gilt«, folgert Waschkowitz. Jedoch befürchten die UnterstützerInnen des Angeklagten, dass neben den legalen informellen Verhandlungen zwischen Polizei, Gericht und Staatsanwaltschaft selbst während der Prozesstermine noch unterschwellig weiter taktiert wird. Letztlich zum Nachteil des Angeklagten.
Im Fall des „Harry“-Prozesses konnte deutlich beobachtet werden, wie Staatsanwaltschaft und Richterin zurückruderten, als bei der Vernehmung am zweiten Prozesstag offensichtliche Widersprüche zu den Aussagen „Harrys“ auftraten. »160 Euro als Strafe für die angebliche Beleidigung ‚Nazibulle‘ wirkt wie ein Trostpreis für die Beamten von Polizei und Justiz angesichts der fallen gelassenen Anklagepunkte Widerstand und Körperverletzung.« , meint Waschkowitz. »Ein solcher Kuhhandel ist völlig inakzeptabel«, so Waschkowitz weiter.
Die Antifaschistische Jugend Bochum hatte seit der gewaltsamen Auflösung einer Blockade am 26.3.2010 an der Dibergstraße immer wieder auf Fälle von willkürlichem und brutalen Vorgehen von Polizei und Justitz hingewiesen. Sie organisiert seit fast einem Jahr zusammen mit FreundInnen die Solidarität insbesondere mit Betroffenen von Polizeigewalt und begleitetet daraus resultierende Gerichtsverfahren.“
Der Prozess beginnt um 11:00 Uhr in Raum C 233.