Donnerstag 24.02.11, 22:00 Uhr

Studiengebühren in NRW abgeschafft 4


Zur heutigen Entscheidung des Landtags in Düsseldorf, die Studiengebühren abzuschaffen, hat das Protestkomitee gegen Studiengebühren einen Rückblick auf den Kampf gegen Studiengebühren auf seiner Webseite veröffentlicht: »Nach Jahr für Jahr anhaltenden Protesten wurden die Studiengebühren in NRW am 24.02.2011 durch den Landtag abgeschafft. Die Minderheitsregierung der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen haben zusammen mit der Linken das „Gesetz zur Verbesserung der Chancengleichheit beim Hochschulzugang in NRW“ verabschiedet. Damit müssen die Gebühren für das Sommersemester 2011 zum letzten Mal bezahlt werden.

2006 wurden die allgemeinen Studiengebühren eingeführt, der Protest dagegen nahm seitdem kein Ende. An der Ruhr-Universität Bochum versuchten Studierende kurz nach deren Einführung den Senat davon zu überzeugen, keine Gebühren zu erheben: Bis zu 2.500 Interessierte wollten die entscheidende Senatssitzung am 27.April 2006 besuchen, viele bleiben nach Abbruch der Senatssitzung im Saal sitzen. Das Rektorat lässt die Polizei kommen, um den Saal zu räumen. Die Sitzung wird am 22. Mai fortgeführt, Einsicht zeigt die Univerwaltung jedoch nicht: Sie erheben sogar die höchstmöglichen 500 Euro pro Semester und Studierenden (siehe Beschluß vom 18. September. Studierende rufen aus Protest die Freie Universität Bochum im Querforum West (jetzt TUZ) aus und besetzen das Gebäude für acht Monate um eine Alternative zu schaffen. Ende Januar 2007 stürmen zwei Polizei-Hundertschaften das Gebäude und räumen es.

Aber die Studierenden blieben nicht still. Auf vielen Ebenen versuchten sie weiterhin, das Rektorat und die Landesregierung auf ihren Irrtum hinzuweisen. Im Juli 2008 schafft es die studentische Senatsfraktion, eine Senkung der Gebühren auf 480 Euro um lächerliche 20 € durchzusetzen und das obwohl längst bewiesen ist, dass die RUB mit einem großen Teil der Einnahmen nichts anzufangen weiß. In Hessen wurden die Gebühren derweil abgeschafft, nachdem die Betroffenen mit der Besetzung von Autobahnen und Bahnhöfen reagierten.

Der quantitativen Höhepunkt der Proteste wird mit dem bundeseriten „Bildungsstreik“ Bündnis im Sommer 2009 erzielt. Dezentrale und landesweite Demonstrationen bringen bundesweit ca. eine halbe Million Menschen auf die Straße – gegen Studiengebühren, die Bologna-Reform und das Turbo-Abitur. Nach einer kurzen Pause geht es weiter – Eine Welle tritt Wien los, als dort im Oktober des gleichen Jahres das Audimax der Uni besetzt wird. 90 Unis in Deutschland, der Schweiz und Österreich werden daraufhin innerhalb weniger Wochen besetzt. An der RUB beschließt eine Vollversammlung von 4.000 Studierenden im November ebenfalls das Audimax zu besetzen, welches eine Woche später von der Polizei geräumt wird. Doch die Aktivisten geben nicht auf und besetzen es ein zweites Mal. Kurz vor Weihnachten lässt das Rektorat erneut räumen – trifft aber niemanden, außer den Weihnachtsbaum vom Nordforum, an. Die Polizei zeigt die ganze Nacht Präsenz und sucht auf dem Campus nach den Besetzer_innen, sie findet allerdings niemanden.

Als 2010 die Landtagswahlen in NRW näher rücken konzentriert sich der Protest auf die Parteien. Am 5. Mai demonstrieren mehrere tausend Schüler_innen und Studierende vor dem Landtag und fordern eine Reform des Bildungssystems. Die SPD und das Bündnis 90/Die Grünen, welche 2002 die Langzeitgebühren einführten, und die Partei Die.Linke locken im Wahlkampf damit, die Studiengebühren und das Turbo-Abitur wieder abschaffen zu wollen. Die Stimmen reichen für eine Minderheitsregierung bei Duldung der Die.Linke für SPD und die Grünen aus. Schon bald stellen sie den Gesetzentwurf vor, durch den die Studiengebühren abgeschafft werden sollen. In diesem steht, dass die Universitäten Kompensationszahlungen in Höhe von 249 Millionen bekommen sollen. Die Universitätsverwaltungen in NRW machen Öffentlichkeitsarbeit gegen die Abschaffung der Gebühren. Der Gesetzesentwurf wird vom ABS und den ASten der Unis kritisch begleitet.

Am 24.02.2011 ist es dann endlich so weit: Der Landtag stimmt über den Gesetzesentwurf ab und eine knappe Mehrheit schafft somit die Studiengebühren ab. CDU und FDP stimmen dagegen und reden von „Qualitätsverlust“ in der Lehre. Schade nur, dass sich die Qualität durch die Existenz der Gebühren nachweislich nicht verbessert hat.

Ohne den anhaltenden Protest wäre die Abschaffung niemals möglich gewesen. Wir danken allen die auf die Straße gegangen sind, Briefe und E-Mails geschrieben oder getwittert haben. Jetzt heißt es erst einmal feiern! Aber danach gibt es noch verdammt viel zu tun…«


4 Gedanken zu “Studiengebühren in NRW abgeschafft

  • André

    Leider ist den Autoren ein kleiner Fehler unterlaufen. Die älteren unter uns können sich sicherlich noch daran erinnern wie SPD und Grüne in NRW als erste Landesregierung Bundesweit Studiengebühren eingeführt haben. Mit im Parlament und ebenfalls dafür gestimmt hat unter anderem Hannelore Kraft. Die Einführung durch SPD und Grüne in NRW war der Türöffner für weitere Gebührenerhebungen Bundesweit. Das von SPD und Grünen erhobene Geld floss nichtmals den Universitäten zu. Weiter war eine nachgelagerte Zahlung nicht möglich, so dass wer kein Geld hatte sein Studium abbrechen musste. Es ist blanker Hohn, wenn ausgerechnet rot/grün in NRW davon spricht, dass Studiengebühren unsozial sind. Der Schritt jetzt war sicherlich richtig, aber er ist unglaubwürdig. Die Bildungspolitik von rot/grün ist kein Stück besser als die von schwarz gelb. Die versprochene Kompensation der Studienbeiträge ist ein Witz. Es werden die Studierendenzahlen von 2009 zur Berechnung herangezogen.Die Realität, dass durch Abschaffung der Wehrpflicht und den doppelten Abijahrgang deutlich mehr Studierende an die Hochschulen kommen wird ausgeblendet. Schon jetzt stehen nur Masterstudienplätze für 20 % der Bachelor Absolventen zur Verfügung. Notwendig wären ca. 85-90%. Rot/Grün schafft Studiengebühren ab… und alle so „Yeaaaaaaaaahhhhhh…..“
    Weit gefehlt. Wer die Bildungspolitik von SPD/Grüne schon beklatscht, hat sie vermutlich noch nicht verstanden.

  • Protestkomitee gegen Studiengebühren

    > Leider ist den Autoren ein kleiner Fehler
    > unterlaufen. Die älteren unter uns können
    > sich sicherlich noch daran erinnern wie SPD
    > und Grüne in NRW als erste Landesregierung
    > Bundesweit Studiengebühren eingeführt haben.

    Lies den Text, da steht: „Die SPD und das Bündnis 90/Die Grünen, welche 2002 die Langzeitgebühren einführten“. Übrigens, war Kraft damals nicht sogar Wissenschaftsministerin oder so?

    > Wer die Bildungspolitik von SPD/Grüne schon
    > beklatscht, hat sie vermutlich noch nicht
    > verstanden.

    Tun wir nicht. Statt dessen is die parlamentarische Entscheidung als Erfolg des Drucks der Straße zu werten. Ohne die anhaltenden und teils massiven Bildungsproteste, mit Aktionsformen weg von der „Latschdemo“ hin zum Erproben einer interventionistischen Praxis (Blockaden & Besetzungen), durch die das Thema erst eine mediale und politische Aufmerksamkeit erfahren hat, wäre dies sicher nicht passiert.

  • Protestkomitee gegen Studiengebühren

    Das KffB (Komitee für freie Bildung) – die Dortmunder Basisgruppe gegen Studiengebühren hat deren Entstehungsgeschichte vielleicht etwas besser hervorgehoben. In einer Pressemitteilung heißt es:

    Gestern (Donnerstag), wurden auf der Sitzung des Landtages NRW die Studiengebühren abgeschafft. Der Abschaffung waren jahrelange Proteste der Studierenden vorausgegangen. Als Grund für die Abschaffung sieht das Komitee für freie Bildung die anhaltenden Proteste seit Einführung der Studiengebühren.

    „Es war schließlich Hannelore Kraft, die 2004 Studiengebühren einführte. Ohne unseren Protest hätte sie sich, jetzt als Ministerpräsidentin, nie dazu gezwungen gefühlt Studiengebühren wieder abzuschaffen.“ erklärt Kathrin Schönebeck vom Komitee für freie Bildung.

    Schon als 2004 von einer Rot/Grünen Landesregierung, unter Federführung von Hannelore Kraft(SPD) als Bildungsministerin, Langzeitstudiengebühren eingeführt wurden, gingen tausende Studierende auf die Straße. Auch als 2007 eine Schwarz/Gelbe Landesregierung, unter Leitung von Andreas Pinkwart(FDP), allgemeine Studiengebühren erhob, kam eine neue Protestwelle in NRW auf. Den letzten großen Protest gab es mit dem Bildungsstreik in den letzten zwei Jahren. Auch in Dortmund war der Protest immer präsent und Menschen arbeiteten durchgehend für eine bessere Bildung. Die letzten großen Zeichen dieses Protests waren die Bildungsstreikdemonstrationen 2009 (8.500 Teilnehmer_innen) und 2010 (5.000 Teilnehmer_innen), sowie die Hörsaalbesetzung an der TU Dortmund im Herbst 2009.

    „Nur durch die anhaltenden Proteste wurde die Bildung in NRW 2010 zu einem der Kernthemen im Landtagswahlkampf. Durch das entschlossene Handeln der unzufriedenden Studierenden konnten die Parteien soweit unter Druck gesetzt werden die Studiengebühren nun endgültig zu streichen.“ bewertet Schönebeck den Einfluss der vergangenen Proteste.

    Die Studierenden handelten dabei gegen die Interessen der Hochschulleitungen und politischen Akteuren wie der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und der Berthelsmann Stiftung.

    „Noch vor Kurzem forderte Rektorin Ursula Gather, Vorsitzende der HRK und Rektorin der TU Dortmund, dass Studiengebühren nicht abgeschafft werden dürften. Sie verlieh ihren Forderungen zum Beispiel durch die polizeiliche Räumung des 2009 besetzten Hörsaals an unserer Hochschule Nachdruck.“ hebt Schönebeck das Verhalten von Rektorin Gather hervor.

    Obwohl das Komitee für freie Bildung die Abschaffung der Studiengebühren sehr begrüßt, bleiben viele seiner Kritikpunkte bestehen.

    „Die Forderung nach einem selbstbestimmten Lernen und Leben sind noch lange nicht erfüllt. Die Leistungs- und Verwertungsoriente Ausrichtung des Bildungssystems ist immer noch zu kritisieren. An den Hochschulen herrscht immer noch ein enormer Leistungsdruck und kaum Freiheit in der Planung des eigenen Studienverlaufs.“ kritisiert Schönebeck die Bildungspolitik in NRW und im Bund.

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