Freitag 23.07.10, 15:00 Uhr
Erklärung des Friedensplenums zum Tortenprozess

Das Gericht und die Meinungsfreiheit 1


Foto: LaborNet Germany

Für das Bochumer Friedensplenum erklärt Annemarie Grajetzky zum Ausgang des Tortenprozesses: „Ich bin immer noch ziemlich erschüttert über den Ablauf und das Ergebnis des Prozesses. Da will uns die Staatsanwältin belehren, dass wir faschistische Meinungen zu tolerieren haben und dass jeder Versuch, einen Nazi-Aufmarsch zu verhindern, illegal sei. Da will uns die Staatsanwältin erklären, dass eine bestimmte Augenform und Körperhaltung aggressiv sei. Das erinnert mich an eine üble Vergangenheit. Noch schlimmer empfand ich jedoch die unglaubliche Ignoranz der Richterin. Sie hörte den Plädoyers der Anwältin und des Angeklagten überhaupt nicht zu und ging auch mit keiner Silbe auf ihre Argumente ein. Schließlich ist es noch kein Jahr her, dass das Landgericht Bochum eine Anklage gegen den Verantwortlichen des Nazi-Aufmarsches am 25. 10 2008 Thomas Wulff abgewiesen hat. Bei der Demonstration wurde unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift getragen: „Multikulti ist Völkermord“. In diesem Fall hatte das Gericht die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde gelegt, nach der immer dann, wenn eine Aussage mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt, von denen nicht alle einen Straftatbestand erfüllen, zugunsten des Angeschuldigten diejenige zugrunde zu legen ist, die strafrechtlich nicht relevant ist.
Welche Interpretation dieses volksverhetzenden Spruches nicht strafbar sein soll, ist mir unerklärlich.
Dieser Grundsatz des Bundesverfassungsgerichtes soll jetzt beim Tortenprozess nicht gelten. Schließlich wurde in der Urteilsbegründung des Freispruches für Martin Budich vom Juli 2009 ausführlich dargestellt, welche strafrechtlich irrelevanten Deutungen die Veröffentlichung des Tortenplakates zulässt. Wenn die Richterin in ihrer Urteilsbegründung hierauf mit keinem Wort einging und im Tortenprozess diese ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einfach unbeachtet lässt, dann bestätigt sich, was das Friedensplenum auf seinen letzten Treffen mehrfach diskutiert hat: Bei politischen Prozessen werden keine Urteile über die Angeklagten gesprochen. Hier urteilen die RichterInnen über sich und ihr politisches Vorverständnis .“

Zur Entscheidung des Landgerichtes im Verfahren gegen Thomas Wulff siehe:
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/Gericht-schmettert-Anklage-gegen-NPD-Vorstandsmitglied-ab-id18540.html

Die Urteilsbegründung des ersten Prozesses mit dem Freispruch für Martin Budich im Jahre 2009 ist zu finden unter:
https://www.bo-alternativ.de/aktuell/wp-content/uploads/2009/07/torten-urteil-02-07-09.pdf


Ein Gedanke zu “Das Gericht und die Meinungsfreiheit

  • Lars Weber

    Wenn dies ein Aufruf zur Gewalt war, warum wurden dann denn in den letzten drei Wahlkämpfen die Plakate von pro nrw und der npd nicht verboten?

    Hier war der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt.

    Wir hoffen auf die nächste Instanz.

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