Dienstag 05.01.10, 12:00 Uhr
Sozialforum zu fünf Jahre Widerstand gegen Hartz IV:

Erniedrigung in Würde verwandeln 1


In diesen Tagen überschlagen sich die Stellungnahmen zu „Fünf Jahre Hartz IV“. Das Bochumer Sozialforum erklärt dazu: »Vergessen wird dabei, dass es nicht nur fünf Jahre Elend und Schikane waren, es waren auch fünf Jahre eines guten und wachsenden Widerstands. Dabei wurden nicht nur vor Gericht immense Erfolge erzielt, auch in Politik und Öffentlichkeit findet sich kaum noch etwas von Clements Hetze gegen von ihm sogenannte „Schmarotzer“. Etwa 20 % der Bochumer Bevölkerung waren bislang direkt von Hartz IV betroffen, eine ebenso große Zahl wird im unmittelbaren Umfeld damit konfrontiert, noch mehr befürchten, selbst einmal betroffen sein zu können. Der Unmut über die „Prekarisierung“ aller Lebensumstände wächst.
Hartz IV hat die Kinderarmut auf drei Millionen verdoppelt. Insgesamt sind bald zwölf Millionen Menschen von Armut bedroht. Nicht nur die Arbeitsmarktpolitik ist am Ende und muß neue Wege gehen – im Grunde muss die ganze Welt neu erfunden werden. Das krähen mittlerweile die Hähne und Hennen vom Misthaufen.
Große Teile der Menschen in Bochum sind durch Entwicklungen im Arbeitsprozess der letzten 40 Jahren und die seit dem durchgesetzte neoliberale Steuerung abgehängt worden. Umgeschichtete, ehemals differenzierte untere Schichten, nun auf niedrigstem Niveau verschmolzen, mit verfestigter Aussichtslosigkeit. In Bochum mehr als die Hälfte davon mit Berufsabschluss, darunter nicht wenige Akademiker. Das wachsende und eingestandene „Unterbeschäftigungsvolumen“ bedroht etwa ein Viertel der erwerbsfähigen Bevölkerung. Auch weltweit gelten neoliberalen Ökonomen mindestens 20 % aller Menschen als „überflüssig“.
Entsprechend werden die Abgehängten auch in Bochum behandelt. Viele waren schon vor Hartz IV erwerbslos. Die Hälfte von ihnen hatte auch damals nicht mehr Geld zur Verfügung als der Sozialhilfe entsprach. Aber trotz der schon vor den Hartz-Gesetzen einsetzenden „Verfolgungsbetreuung“ wurde die persönliche Sphäre noch geachtet, wie sie mit dem bißchen Geld haushalteten blieb ihnen überlassen. Nur wer in die Sozialhilfe fiel, fühlte sich schon damals der Behördenwillkür ausgeliefert. Hartz IV hat real den Sozialhilfesatz gesenkt, die Menschen sehen sich einer massiven Entrechtung ausgesetzt. Das Über-/Unterordnungsverhältnis zur Behörde wurde noch forciert.
Aber die Menschen setzen sich zur Wehr: zu Zeiten der zweiten Welle von „Montagsdemos“ (gegen Hartz IV) gingen hunderttausend und mehr auf die Strassen. Fast überall gründeten sich Anti-Hartz – Initiativen, mit weit mehr als hunderttausend Klagen und Millionen von Widersprüchen gehen sie gegen den Moloch an. So versuchen sie, Erniedrigung in Würde zu wandeln.
„Es ist durchaus statthaft, die für Hartz IV Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zwar nicht unbedingt im verfassungsrechtlichen, aber doch im politischen Sinne als ‚Verfassungsfeinde‘ zu bezeichnen, gegen die das Leisten von ‚ Widerstand‘ nicht nur legitim, sondern auch geboten ist.“ (so Prof. Dr. Michael Wolf, Koblenz).
Der Politik ist das diskriminierende und bewusst die Härten des Gesetzes auslotende Verhalten der Verwaltung bekannt. Ihrer Kontroll- und Weisungsaufgabe wird sie nicht gerecht. Sie hätten alle Möglichkeit dazu, über die Teilträgerschaft der ARGE und über ihre Weisungshoheit im Bereich Wohnungs- und Heizungskosten ebenso wie bei den wenigen übrig gebliebenen „einmaligen Beihilfen“ und den zusätzlich noch möglichen Hilfen des Sozialamtes beispielsweise bei krankheits- oder schulbedingten Kosten. Es sieht ganz so aus, als sei es der Politik gerade recht, daß die Leistungsberechtigten wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Sozialberatung wird „billig“ gefördert mit der Absicht, über ein „Frühwarnsystem“ verfügen zu können, die dort aufgezeigten Mißstände werden nicht beseitigt.
Die Politik muß sich ihrer Verantwortung für das Wohl der Menschen stellen. Das Existenzminimum ist immer umgehend zu sichern, die Würde der Menschen ist unbedingt zu achten. Das scheint nur möglich zu sein durch eine unabhängige und durch die Öffentichkeit kontrollierte Ombudsstelle, wie sie die Unabhängige Sozialberatung bereits ansatzweise bietet. Hier muß die Möglichkeit geboten werden, kurzfristig zu Gunsten des Lebensschutzes einzugreifen.
Die Regelsätze müsse erhöht werden. Weit mehr als 400 Euro müssten es sein, wenn nur der alte Sozialhilfesatz an die Bedarfe und die Preissteigerungen angepasst würde. 500 Euro fordern die Erwerbsloseninitiativen als ersten Schritt zu einer wirklichen Existenzsicherung.
Angesichts einer zunehmenden Prekarisierung der erwerbsfähigen Bevölkerung kann ausreichender Mindestlohn und eine Verlängerung des ALG I nicht alleine die Lösung sein. Arbeit ist zu verteilen, wo möglich. Durch nachhaltige Qualifizierung ist Erwerbslosen die Teilhabe an dieser „Fairteilung“ zu ermöglichen. Allein im öffentlichen Bereich sind durch Arbeitsverdichtung etwa eine Million Arbeitsplätze weggefallen, nicht nur im Erziehungswesen, in der Pflege und in der Verwaltung. Das ist rückgängig zu machen. Kurzfristig sind stabile nachhaltige Beschäftigungsmöglichkeiten öffentlich finanziert zu schaffen für alle, die eine solche Arbeit wünschen. Selbstorganisierte Lebensformen sind durch eine repressionsfreie ausreichende Grundsicherung zu unterstützen.
Verwaltung und Politik sind aber offensichtlich nicht einsichtswillig. Ihnen ist nur auf die Sprünge zu helfen, wenn sie befürchten müssen, dass – ähnlich wie bei den Auseinandersetzungen um Atomkraftwerke – höhere soziale Kosten drohen, wenn sie nicht auf die Forderungen der Menschen eingehen.«


Ein Gedanke zu “Erniedrigung in Würde verwandeln

  • Jutta Buschmann

    Die Hartz4-Verantwortlichen sind mindestens Staatsfeinde im politischen Sinn, gegen die Widerstand geboten ist.
    Meine persönliche Meinung ist jedoch viel weitergehender, nämlich dass diese Verantwortlichen eine korrupt-kriminelle Vereinigung mit Vertretern aus der Wirtschaft gebildet haben, die rücksichtslos gegenüber Menschen mit geringen oder keinem Einkommen agiert, weil:

    Meine Petiton an den deutschen bundestag, wird durch konstruierte Sachverhalte mit gezielten Angriffen auf meine Kinder beantwortet.
    So wurde meine jüngste Tochter (12 Jahre) intensiv gemobbt, dass sie nicht mehr zur Schule gehen wollte. Die Klassenlehrerin und der Schulleiter haben die Vorgänge heruntergespielt und bezogen sie merkwürdigerweise auf Dinge aus der Vergangenheit vor fünf Jahren (Scheidung – Kinder halten Kontakt zum Vater) über die ich diese Schule so nicht informiert hatte. In der Folge ihrer Schulverweigerung wurde das Kind in Zusammenarbeit von (nächster) Schule mit dem Jugendamt mit Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie bedroht. Seit September 2009 geht sie nun in eine neue Schule.
    Jetzt bekam ihr Bruder, 16 Jahre, in den Weihnachtsferien eine polizeiliche Vorladung für den 20.12.2009 als Beschuldigter wegen eines Vorfalls in der Schule, an dem er unbeteiligt zugegen war.
    Mein Antrag auf Strafanzeige unbekannterweise gegen den oder die Beschuldiger lehnte der bearbeitende Beamte ab, mit den Worten, „Ich nehme jetzt auf keinen Fall eine Gegenanzeige auf“.
    Dies sind länngst nicht alle Ungereimtheiten, die mich darauf schließen lassen, dass meine Kinder mit konstruierten Sachverhalten vor allem kriminalisiert und abgestempelt werden sollen.

    Der Wortlaut meiner Antwort auf die Stellungnahme des BMAS zu vorausgegangenen Petition:

    31.03.2009
    Gegenstand meiner Petiton waren weder die geforderte Anzahl der Bewerbungen in der Eingliederungsvereinbarung (EV) (die durchaus strittig ist, solange das Jobcenter sich außerstande sieht, die selbe Anzahl an Stellenangeboten auf dem 1.Arbeitsmarkt zu unterbreiten) noch, die zu Recht bemängelten Bewerbungskosten, noch die erkennbar ungenügende Rücksichtnahme auf Alleinerziehende, noch die mangelhafte Förderung seitens des Jobcenters vor der Erkrankung eines meiner Kinder.
    Eine der Kernforderungen meiner Eingabe ist dagegen die sofortige Unterbindung der Praxis, Arbeitsuchende per Kontrahierungszwang in prekäre Arbeitsverhältnisse zu nötigen.
    Die von mir wiederholt zitierte Formulierung in der Rechtsfolgenbelehrung, die mit der Androhung von Leistungskürzung zur Unterschrift nötigt, muss entfernt werden.
    Ich fordere konkret, daß Jobcenter/Argen generell verpflichtet sein müssen, den Alg-II-Beziehern Stellenangebote mit einer Verdienstmöglichkeit zu unterbreiten, die dem Ziel die Hilfebedürftigkeit zu beenden, nachkommt!
    Die Bezeichnung „Grundsicherung“ grenzt meiner Meinung nach an arglistiger Täuschung der Bevölkerung, die über das Ausmaß der Verarmung in Verbindung mit Behörden-Drangsalierung, für die davon betroffenen Minderheit, im Unklaren gelassen wird.
    Wenn noch dazu Politiker pauschal Alg-II-Bezieher öffentlich verunglimpfen und stigmatisieren, indem Unanständigkeit, Missbrauch der Gelder für Tabak oder Alkohol usw. usf. unterstellt wird, dann sind diese Äußerungen zudem geeignet eine Bevölkerungsmehrheit gegen eine, in Armut getriebene Minderheit aufzuhetzen.
    Mit Entrechtung, Entwürdigung, Entmündigung und Diskriminierung wurden in diesem Land schon einmal ausgesuchte Minderheiten stigmatisiert.
    Über die weiteren Punkte meiner Petition, auf die in der Stellungnahme des BMAS unbefriedigend, unkorrekt und unvollständig eingegangen wurde, erfolgt eine weitergehende Antwort in den nächsten Tagen.

    zweiter Teil 10.06.2009

    In oben genannter Stellungnahme gibt das BMAS an, die Basis für die Festsetzung der Regelleistung nach dem SGB-II sind die Konsumausgaben von Personen im unteren Einkommensbereich.
    Verschwiegen wird, daß Rentner, die einen anderen Kalorienverbrauch haben, als Heranwachsende, z.B. in ihrem Nahrungsbedarf keinesfalls vergleichbar sind mit Jugendlichen, Heranwachsenden und Menschen die körperlich belastende Arbeit (Haushalt mit Kind/ern) leisten.
    Der Regelsatz ist mit Tricks, wie den eben genannten und u.a. mit der „Einbeziehung“ der „meisten bisherigen einmaligen Leistungen“ als Pauschale und gemessen an der Inflationsrate sowie Mehrwertsteuer- Energiekostensteigerung kontinuierlich gesenkt worden.
    So betragen die anteilit berechneten Fahrtkosten ca. 14 Euro für Erwachsene und ca. 8 Euro für Kinder. Die tatsächlich anfallenden Kosten für Monatsfahrkartenk für mich und drei meiner Kinder betragen (die älteste Tochter zählt inzwischen nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft) rund 145 Euro.
    Ich muss also nur für die „verbilligten“ Monatsfahrkarten mehr als 100 Euro vom Essensgeld absparen.
    Bei den Kosten für Strom sieht es ähnlich aus. Die anteilig berechneten Stromkosten decken nicht die tatsächlich anfallenden Kosten von monatlich 70 (inzwischen 74) Euro.
    Ein ganzer Komplex, zu dem unter anderem gehören: Fahrtkosten, Energie, medizinische Versorgung, Kleidung, Schuhe, Verderb und Schwund von Lebensmitteln, Ersatz von Hausrat/Elektrogeräten, ist entweder mit einer Pauschale berechnet, die weit von den realen Preisen/Kosten entfernt ist oder bleibt unberücksichtigt.
    Unter dem Strich kommt eine Kürzung des sozio-kulturellen Existenzminimums heraus. Menschen in Alg-II leben de facto unter dem Existenzminimum und haben weder die Möglichkeit der Teilhabe am kulturellen Leben noch, wie fälschlich behauptet, „in vertretbaren Umfang Beziehungen zur Umwelt“.
    Wir Alg-II-Bezieher sind aus diesem Konsum-System Ausgeschlossene, werden aber mit de selben Gesetzen und Richtlinien be- und verurteilt, die für Zahlungsfähige gelten.
    Eine einmalige Sonderleistung von 100 Euro (Kinderbonus) zu bezeichnen als Zitat „Berücksichtigung der Forderung der Petentin, höhere Leistungen zum LEBENSUNTERHALT insbesondere für schulpflichtige Kinder“ ist an Zynismus kaum zu überbieten.
    Zur EV bezieht das BMAS Stellung in der Form, dass diese EV „nur mit Zustimmung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zustande kommt“
    Verschwiegen wird, daß eben diese Zustimmung mit der Androhung von Leistungskürzung, wohlgemerkt eine Leistung, die die Menschen in Armut, Not und Angst zwingt, erpresst wird.
    Wenn Erwerbslose eine EV mit der Auflag, eine Ablehnung ohne „wichtigen Grund“ führt zu Sanktionen, vorgelegt bekommen, dann ist keine Vertragsfreiheit mehr gegeben. Also nicht die Sanktionsmöglichkeit ansich, sondern der ausgeübte Zwang, bei fehlenden „wichtigen Grund“ unterschreiben zu müssen, ist ein unverhältnismäßiges, verfassungswidriges Vorgehen seitens des Staates gegenüber seinen Bürgern zu einer Zeit in der Massenarbeitslosigkeit herrscht und die Chancen arbeitslos zu werden größer sind als die Chancen eine existenzsichernden Arbeitsplatz zu finden.
    Desweiteren zeigt die Praxis, Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung sind: eine Bereicherung der Arbeitgeber an der Allgemeinheit, die Vernichtung regulärer, existenzsichernder Beschäftigungsverhältnisse, häufig der Ersatz für vormalig reguläre Arbeit, eine Form von Zwangsarbeit, ein Beitrag die Arbeitslosenstatistik zu fälschen, diskrimierend, entrechtende, prekäre Arbeit, bei der die überwiegende Mehrzahl der 1-Euro-Jobber keine Perspektive haben, eine existenzsichernde Arbeit zu finden.
    Die Residenzpflicht für junge Menschen bis 25 Jahren ist neben der Entmündigung und Würdeverletzung staatlich ausgeübte Diskriminierung junger Hilfebedürftiger gegenüber jungen Menschen, die finanziell unanbhängig sind.
    Auch das beabsichtigte „Entgegenwirken der Tendenz sich die erste Wohnung über die Grundsicherung für Arbeitsuchende finanzieren zu lassen“ ist auf keinen Fall eine Rechtfertigung für staatlich ausgeübte Entmündigung, Verletzung der Menschenwürde und Diskriminierung.
    Die Ausführungen des BMAS sind selbstdarstellerische Wiederholungen von Gegebenheiten, die meine Forderungen und Kritik unberücksichtigt lassen sowie übergehen und somit weder „eine abschließende Antwort“ noch weniger „nicht zu beanstanden“ sind.

Kommentare sind geschlossen.