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„Herr, brich mir das Genick im Sturz von einer Bierbank“ * |
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Wenn man sich einerseits die Terroranschläge gegen die USA und andererseits deren Verarbeitung in der westlichen Welt anschaut, dann ahne ich Böses. Und auf der anderen
Seite findet sich ein extrem fanatisierter Mob, der nur noch blind um sich schlägt und seine am besten ausgebildeten Leute zu Selbstmordattacken treibt. Wobei die Objekte der Angriffe natürlich auf Grund ihres immensen
Symbolgehalts nicht zufällig ausgesucht wurden. Im Westen wiederum eine nach Revanche gierende Politikerkaste und ein Blätterwald, der nach Krieg und Rache schreit. So stehen sich in der jeweiligen Wahrnehmung zwei Teufel
gegenüber. Der verdorbene Westen, der aus Sicht der Gotteskrieger – und sicher nicht ganz zu Unrecht – für die Zustände in großen Teilen der Welt verantwortlich ist. Und aus „unserer” Sicht fanatisierte Fundamentalisten, die es nun
auszurotten gilt. Man will Krieg führen, obwohl man noch nicht mal so richtig weiß, gegen wen und wo. Es sei hier angemerkt, daß eine der wenigen erträglichen Analysen dieser Tage, der sehr erhellende Aufsatz von Robert Kurz:
„Totalitäre Ökonomie und Paranoia des Terrors” ist. Hier werden diese Zusammenhänge tiefsinnig erläutert. Unfassbar war die Dramatik und die Brutalität der Anschläge gegen das World Trade Center. Ich bin sicher nicht der
einzige, der das anfangs gar nicht geglaubt hat und an Orson Welles berühmtes Hörspiel „Krieg der Welten” über eine fiktive Marsianer-Attacke dachte. Aber wenn man länger nachdenkt stellt sich eher die Frage, wieso etwas derartiges
erst jetzt und nicht viel häufiger passiert.
Die Betroffenheit der Menschen hierzulande ist sicher echt. Auch in Düsseldorf gedachten, mit unserem heiß verehrten Bürgermeister an der Spitze, Tausende der Toten, die obligaten Kerzen durften nicht
fehlen. Trotzdem liegt hierin, mag es auch subjektiv noch so aufrichtig sein, bereits eine gewisse Bigotterie. Die westliche Welt steht vor allem für Marktwirschaft und – falls nötig – Demokratie. Ich
kann hier sicher nicht eine kurze Geschichte des Imperialismus der letzten Jahrzehnte aufzeichnen, aber sehr wohl einige Stichpunkte anreißen. Die Geschichte von Zaire beispielsweise ist eine einzige
Geschichte von Raub und Ausbeutung. Wenn sich jemand dagegen auflehnte, wie es z.B. Patrice Lumumba tat, wurde derjeniege vom Westen liquidiert. Oder, wie Mossadeq im Iran, vom CIA gestürtzt.
Oder wie Arbenz in Guatemala weggeputscht. Oder wie Allende in Chile ermordet.... Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Haben in Deutschland Tausende ihre Betroffenheit beim Völkermord in Ruanda
gezeigt? Gilt menschliches Leben in „unserer” ersten Welt mehr als beispielsweise in Kolumbien, wo man die übelsten Elemente Man hat jede, aber auch jede emanzipatorische Befreiungsbewegung in die kommunistische Schublade gepresst und zerschlagen. Die traurige Geschichte der Black Panther Party in den USA hat gezeigt, daß man
selbst im eigenen Land keinen Deut anders vorging. Menschenrechte gelten vorrangig für diejenigen, die mit allem einverstanden sind und konsumieren. Im Rahmen dieser Mentalität förderte man manche von
denen, die jetzt zu den Schurkenstaaten gezählt werden, auch Bin Laden soll ja vom CIA unterstützt worden sein, solange es in Afghanistan noch gegen die Sowjets ging. Der Irak wurde in einem eindeutigen
Angriffskrieg gegen den Iran unterstützt und für einen anderen, nicht genehmen Angriff in die Steinzeit gebombt. Jetzt schlägt die eigene Unmoral auf die Urheber zurück – und was passiert? Gibt es auch nur einen geringen
Ansatz, der zur Besinnung und zur Vernunft anregt? Nein, da man das eigene Wirtschaftssystem und die damit verbundenen Wertvorstellungen überhaupt nicht in Frage stellen will, muß jetzt ein Krieg
kommen, werden zig Milliarden wieder in neue Rüstungen und verschärfte Sicherheitsvorkehrungen fließen, werden tendenziell fremdenfeindliche Überlegungen in der ach so globalisierten Welt weiter
vorangetrieben werden. Vor Selbstmordattentätern dürfte all das kaum schützen. Aber die bröckelnde Fassade der kapitalistischen Glitzerwelt, die Millionen in Reichtum und Milliarden in Armut führt wird es
noch für einige Zeit stabilisieren. Ich weiß, daß wir in einer Zeit leben, in der Selbstreflektion allgemeiner Apathie und Gleichgültigkeit
weicht, Grundsätze der totalen Beliebigkeit, intellektuelle wie moralische Ansprüche einen zum „Stresskopf” abstempeln und isolieren. Ich möchte aber an dieser Stelle daran erinnern, daß die
Erkenntnis „Sozialismus oder Barbarei” früher schon mal verbreiteter war. Angesichts der Entwicklung in dieser Welt sollte man vielleicht auch da mal wieder rüber nachdenken. Die kapitalistische One World
hat keine Zukunft, zumindest wenn man Zukunft so definieren will, daß immer mehr Menschen unter immer besseren Bedingungen leben sollten.
Daran wird die verbliebene Restlinke nichts ändern können. Auch deren Stellungnahmen, die ich bisher gelesen habe, geben wenig Grund zur Hoffnung. Da werden wieder wirrige Gewaltdiskussionen geführt,
als ob das jetzt zur Debatte stünde. Manche empfinden Schadenfreude, daß es jetzt die Amis mal selber getroffen hat, als ob Massenmord – von wem und an wem auch immer – schon mal emanzipatorische
Prozesse gefördert hat. Andere machen die Unterstützung Israels durch die USA dafür verantwortlich, wobei durchschimmert, daß der Jude es dann wohl wieder schuld ist. Das andere Extrem fordert härteste
Militärschläge gegen Moslemfundamentalisten und beschuldigt die Bundesregierung im Geiste bei Bin Laden zu stehen. Mich schaudert es bei all dem....
Zum Abschluß noch ein Zitat aus der „Hamletmaschine” von Heiner Müller, das mir passend erscheint, um den Wahnsinn der jetzigen „Feinde von Marktwirtschaft und Demokratie” zu beschreiben: „Im
Herzen der Finsternis. Unter der Sonne der Folter. An die Metropolen der Welt. Im Namen der Opfer ... Nieder mit dem Glück der Unterwerfung. Es lebe der Hass. Die Verachtung. Der Aufstand und der Tod.
Wenn sie mit Fleischermessern durch eure Schlafzimmer gehen, werdet ihr die Wahrheit wissen”. Selbst das ist eine Täuschung, denn den 11. September werden die Börsenkurse, falls solch ein Terror
nicht zur Dauereinrichtung wird, relativ schnell verkraften. Und früher oder später werden die Verantwortlichen zurecht bestraft werden. Allerdings hoffe ich ebenso, daß jetzt nicht irgendwelche
unschuldige Leute in irgendeinem „Schurkenstaat” in die Luft gesprengt werden und sich hier und dort vielleicht doch noch etwas Vernunft regt. *(Aus: Die Hamletmaschine von Heiner Müller) Fehri Artikel mit freundlicher Genehmigung übernommen aus der TERZ 10.01– Düsseldorfs Stattzeitung für Politik & Kultur. |
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