Liebe Friedensbewegte, liebe Mitstreiter*innen für eine gerechte Zukunft.
Die Bundeswehr drängt sich immer mehr in das Leben von uns Schüler*innen. Sie ist überall präsent: Mit riesigen Plakaten an Bahnhöfen, mit auf jugendliche Sehgewohnheiten zugeschnittenen TikTok-Videos, mit Jugendoffizieren in Schulen oder auf Berufsmessen. Überall werden wir mit Werbung der Bundeswehr bombardiert. Gleichzeitig diskutieren Leute, die damit nichts zu tun haben, ob wir wieder für einige Monate eingezogen werden sollen.
Man kann diese Militarisierung aus ökonomischer, pazifistischer, staatskritischer oder auch liberaler Sicht kritisieren. Sie müssen aber immer vor dem Hintergrund der eklatanten Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen in diesem Land gesehen werden.
Als ich mich vor einigen Wochen in der WAZ gegen die Wehrpflicht aussprach, wurde mir mit Nationalstolz und der Pflicht gegenüber der Gesellschaft, die hinter einem stünde, geantwortet. Schauen wir uns doch einmal an, was die Gesellschaft in den letzten Jahren für die Kinder und Jugendlichen getan hat und worauf sie angeblich so stolz sein kann:
Rund ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland lebt unterhalb der Armutsrisikogrenze, also praktisch in Armut – das sind bundesweit rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche. Die Kindergrundsicherung der alten Bundesregierung wurde nie armutsfest umgesetzt.
Zwei Drittel der Studierenden in Deutschland geben mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. 35.000 junge Menschen warten darauf, überhaupt in einem Wohnheim unterkommen zu können. Und 6.000 Jugendliche und junge Erwachsene sind ganz ohne Wohnung. Wie viele der von der Ampel-Regierung angekündigten Wohnungen sind gebaut worden? Nur ein Viertel der angekündigten Sozialwohnungen pro Jahr und ansonsten weit unter dem ursprünglichen Ziel. Die Bafög-Sätze wurden zwar erhöht, reichen aber kaum aus, um die Preissteigerungen der letzten Zeit auszugleichen.
Im Jahr 2022 haben 52.300 Menschen in Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen. Dabei hat die Politik jahrzehntelang kaum in Bildung investiert und ein System aufrechterhalten, das viele Menschen in eine unsichere Zukunft entlässt.
Jeden Tag wurden 2023 in Deutschland rund 54 Kinder unter 14 Jahren Opfer von sexuellem Missbrauch. Im Vergleich zu 2022 ist die Zahl um mehr als fünf Prozent gestiegen.
20 Prozent der Kinder und Jugendlichen leiden unter psychischen Auffälligkeiten. Dazu zählen Depressionen, Angststörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Aber nur jedes zwanzigste Kind oder jede*r zwanzigste Jugendliche findet einen Therapieplatz.
Während der Corona-Pandemie waren wir gezwungen, zu Hause zu bleiben, um die Älteren zu schützen. Viele Kinder und Jugendliche hatten es schwer im Homeschooling, ihre Bildung und ihre Abschlüsse haben darunter gelitten.
Hinzu kommt die Klimakrise, mit deren Auswirkungen wir in den nächsten Jahrzehnten zu kämpfen haben werden.
Und weil es dieser „wohlstandsverwahrlosten“ Jugend ja so gut gehe, wird verlangt, dass sie „kriegstüchtig“ werde, Wehrdienst leiste, mit der Konsequenz im Krieg zu kämpfen, zu töten und zu sterben. Die Bereitschaft der Jugend dazu ist nicht sehr hoch und das ist nur verständlich.
Für mich ist jedenfalls klar, dass ich nicht bereit bin, für Deutschland zu töten oder zu sterben, egal ob Friedrich Merz, Boris Pistorius oder Katharina Dröge das für eine gute Idee halten oder nicht.
Die Forderung, für den Staat zu töten oder zu sterben, stammt aus einer Zeit, in der Menschen nicht als mündige Bürger*innen, sondern als Verfügungsmasse, letztlich als Kanonenfutter gesehen wurden. Dahin dürfen wir nie wieder zurück. Ich war vor einigen Tagen an der Somme und habe dort die Gräber der Soldaten gesehen, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, viele ohne Namen, alle jung. Einige sind freiwillig in diesen Krieg gezogen und konnten nicht mehr zurück, als sie die Realität sahen. Diejenigen, die nicht kämpfen wollten, wurden vom eigenen Staat eingesperrt oder sogar getötet. Viele wurden eingezogen, mussten in die Schützengräben. Diejenigen, die zurückkehrten, waren verstümmelt, traumatisiert, hatten sich keine bessere Zukunft erkämpft. Nur 21 Jahre später begann ein neues Massaker. „Der Krieg“, schrieb Immanuel Kant in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“, „ist darin schlimm, daß er mehr böse Leute macht, als er deren wegnimmt“.
Die Tendenz in den westlichen Ländern, die allgemeine Wehrpflicht wieder einzuführen, ist unübersehbar. Dagegen muss sich die Jugend wehren, unsere Zukunftsaufgaben sind andere, zum Beispiel dafür zu sorgen, dass es Kindern und Jugendlichen besser geht.
Um der „Kriegstüchtigkeit“ der politischen Klasse etwas entgegenzusetzen, haben sich 150 Schüler*innen, Studierende, Lehrkräfte und viele weitere am 8. Februar 2025 in der Universität zu Köln zusammengefunden, um sich beim GegenWEHR-Kongress auszutauschen und zu organisieren. Auch die Landesschüler*innenvertretung NRW hat den Kongress mitorganisiert. Für uns ist klar: Die Besuche von Jugendoffizieren an Schulen, die Werbung auf Berufsmessen und auch die Werbung für die Bundeswehr müssen aufhören.
Doch die politische Klasse sieht das anders, anders als fast 60 Prozent der Jugendlichen, die von Wehrpflicht und Co. hauptsächlich betroffen wären.
Die Energie des GegenWEHR-Kongresses und diese Mehrheit der Jugendlichen gilt es zu mobilisieren. Um den Kriegsbegeisterten zu zeigen, dass wir ihre Kriege nicht kämpfen werden.
Zumal das Thema Bundeswehr eigentlich ein absolutes Nichtthema sein sollte. Wie bereits beschrieben, liegen unsere Probleme nicht in einer zu schwachen Bundeswehr, sondern in der Lebenswirklichkeit von uns Kindern und Jugendlichen.
Deshalb fordern wir: Schluss mit der Militarisierung unserer Schulen! Schluss mit der Kriegsverherrlichung! Investiert in unsere Zukunft statt in Waffen! Denn wir, die Jugend, werden eure Kriege nicht kämpfen.