Guten Abend,
ich stehe hier für die Seebrücke Bochum, die bereits 2018 gegründet wurde. Der Anlass damals war, dass das Seenotrettungsboot „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord tagelang auf hoher See ausharren musste bis die Geflüchteten endlich gerettet werden konnten. In dieser Zeit waren viele Bürger*innen aufgebracht über so viel Unmenschlichkeit und Menschenverachtung. In Bochum organisierte ein Bündnis von über 100 Gruppierungen eine Großdemonstration, aus der die „Seebrücke Bochum“ hervorging. Seit dem weisen wir mit verschiedenen Aktionen auf die Situation von geflüchteten Menschen hin, mit Mahnwachen und Infoständen, mit Vorträgen, Redebeiträgen und Diskussionsrunden, mit Kinovorstellungen, Ausstellungen, Workshops und Sammelaktionen, falls Geflüchtete die notwendige Grundausstattung an Kleidung nicht erhalten. Und: Wir gehen auf die Straße, wenn wieder eine Asylrechtsverschärfung droht oder zu bekämpfen gilt, wenn dummes, polemisches Gerede von politischen Parteien die Gesellschaft zu spalten droht. Und damit meine ich nicht nur die AFD. Zuletzt waren wir letzten Samstag unter dem Motto: „Solidarität statt Rechtsruck“ mit über 600 Demonstrant*innen auf der Straße.
Unser Ziel ist eine Welt ohne Abschottung, ohne Lager, ohne Abschiebungen, ein Leben in Würde und in Sicherheit. Menschenrechte müssen gewahrt werden, sind unverhandelbar und gelten für ALLE. Wir setzten auf ein Europa der Solidarität und des Rechts auf Asyl mit sicheren Fluchtwegen, sicherem Ankommen und sicherem Bleiben.
Bis heute wird Seenotrettung allerdings behindert und kriminalisiert und somit Menschen in lebensbedrohlichen Situationen Hilfe bewusst verweigert. Nicht nur verweigert, sondern aktiv verhindert.
Der „EU-Deal“ mit Libyen führt dazu, dass Menschen auf der Flucht rechtswidrig und z.T. unter Lebensgefahr von der lybischen Küstenwache zurückgepusht werden und wieder in menschenunwürdige Lager verbracht werden, wo ihnen Misshandlung und der Tod drohen. Auch Seenotretter*innen geraten unter Beschuss und somit selbst in Lebensgefahr. Dabei geht es nicht nur um Seenotrettung, sondern auch um „Landnotrettung“ In der TAZ in den letzten Tagen war zu lesen, dass polnischen Bürger*innen bis zu 5 Jahren Haft drohen. Ihr „Vergehen“: Sie haben geflüchteten Menschen (von Belarus nach Polen), die im Wald ausharren mussten, Hilfe geleistet mit Nahrung, Kleidung und Medikamenten, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren. Sie seien „Fluchthelfer“ so die polnische Staatsanwaltschaft. Mittlerweile wurden die 5 freigesprochen, was ja mal eine gute Nachricht ist. Aber hätte es überhaupt zu solch einer Anklage kommen dürfen?
Soll das das Europa sein, was wir uns wünschen?
Sie kennen bestimmt selbst noch genügend Beispiele über Fluchtwege, die einem fassungslos machen, ob der Verachtung mit Menschen umzugehen.
Deshalb fordern wir: Sichere Fluchtwege.
Aber schauen wir mal weiter, auf das „sichere Ankommen und Bleiben“ und richten den Fokus z. B. auf Bochum:
Sind Schutzsuchende endlich angekommen, erleben sie nicht unbedingt eine würdige Ankunft. In Bochum werden sie, wie auch in vielen anderen Städten, in Unterkünften privater Betreiber untergebracht. Unternehmen wie European Homecare, Teil des britischen Konzerns Serco, verdienen Geld an Flucht und Vertreibung. Der Konzern Serco, der unter anderem Dienstleistungen für Militär und Grenzschutz anbietet, ist weltweit für Menschenrechtsverletzungen in Abschiebegefängnissen und Lagern bekannt. Recherchen der Süddeutschen Zeitung, Monitor und Neo-Magazin Royale im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass in Geflüchtetenunterkünften, die in Deutschland von Serco betrieben werden, die Würde der Bewohner*innen Mangelware ist: ehemalige Mitarbeiter*innen berichteten von einem hohen Kostendruck, zu wenig Fachpersonal und einer schlechten Versorgung der Bewohner*innen. Und Bochum? Bochum lagert Verantwortung an genau diese Firma aus: Seit Sommer 2024 betreibt European Homecare die Geflüchtetenunterkunft „Nordbad“. Bochum hat sich 2019 zum „Sicheren Hafen“ erklärt – 2025 wäre es Zeit, einer sein! Das heißt: keine Deals mit Konzernen, die an Not und Elend verdienen! Das heißt: eine menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung! Das heißt: Teilhabe und Perspektiven und konsequente Solidarität. Ich habe jetzt nur einige Teilbereiche angesprochen für die wir stehen. Darüber hinaus gibt es noch einiges mehr wofür wir uns einsetzen wollen: Z.B. gegen diese unsägliche und diskriminierende Bezahlkarte. Zwar hat es Bochum bisher abgelehnt die Bezahlkarte einzusetzen, aber wir halten die Augen und Ohren offen. Sollte sie doch ins Gespräch kommen, würden wir sofort den Gutschein-Geldtausch mitorganisieren, so wie er schon in anderen Städten funktioniert. Auch wehren wir uns gegen die Möglichkeit, dass Länder, aus denen Menschen geflüchtet sind, zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden können – so wie es gerade passt. Für geflüchtete Frauen und queere Menschen gibt es keine sicheren Herkunftsstaaten. Verständnislos sind wir auch darüber, wie die Bundesregierung mit afghanischen Helfer*innen umgeht, die jetzt in Pakistan ausharren müssen obwohl sie eine Zusage von Deutschland haben, einreisen zu dürfen. Der bittere Trick ist: Einfach kein Visum auszustellen. Stattdessen sieht man zu, wie diese Menschen nach Afghanistan zurückgeschickt werden in dem Bewusstsein, dass ihnen dort der Tod droht.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen:
Wir wissen: Der Kampf um Menschenrechte ist auch ein Kampf gegen Rassismus.
Darum sagen wir laut und deutlich: Kein Mensch ist illegal. Solidarität statt Rechtsruck!
Vielen Dank!