Samstag 06.09.25, 21:49 Uhr
Demonstration "Solidarität statt Rechtsruck" am 06.09.2025

Redebeitrag der Seebrücke Bochum


Liebe Bochumer*innen, liebe Freund*innen,

viele Entscheidungen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht werden auf europäischer-, Bundes- und Landesebene getroffen. Aber auch in Städten und Gemeinden wird Politik gemacht, die das Leben Geflüchteter unmittelbar prägt: Kommunen entscheiden darüber, ob Menschen würdig untergebracht werden, ob das Aufenthaltsrecht human angewandt wird und wie gut der Zugang zu Bildung und Teilhabe gelingt.

Wir sind heute hier, um klarzumachen: Bochum muss nach den Kommunalwahlen für eine menschenwürdige Fluchtpolitik stehen!

Ein erster Schritt in diese Richtung war die Erklärung Bochums zum Sicheren Hafen 2019 – und das war ein starkes Signal. Aber: schöne Worte retten keine Leben. Wir brauchen endlich Taten!

Wir als Seebrücke fordern

  • sichere Fluchtwege,
  • die Entkriminalisierung der Seenotrettung,
  • zusätzliche Aufnahmeprogramme über Quoten hinaus,
  • und ein wirklich menschenwürdiges Ankommen hier vor Ort.

Wir nehmen hier unsere Stadt in Verantwortung, damit die Erklärung zum sicheren Hafen nicht in Sonntagsreden steckenbleibt. Denn: Bochum ist kein sicherer Hafen. Statt Schutzsuchenden eine würdige Ankunft zu ermöglichen, werden sie in Bochum – wie auch in vielen anderen Städten – in Unterkünften privater Betreiber untergebracht. Unternehmen wie European Homecare, Teil des britischen Konzerns Serco verdienen Geld an Flucht und Vertreibung. Der Konzern Serco, der unter anderem Dienstleistungen für Militär und Grenzschutz anbietet, ist weltweit für Menschenrechtsverletzungen in Abschiebegefängnissen und Lagern bekannt.

Recherchen der Süddeutschen Zeitung, Monitor und Neo-Magazin Royale im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass in Geflüchtetenunterkünften, die in Deutschland von Serco betrieben werden, die Würde der Bewohner*innen Mangelware ist: ehemalige Mitarbeiter*innen berichteten von einem hohen Kostendruck, zu wenig Fachpersonal und einer schlechten Versorgung der Bewohner*innen.

Und Bochum? Bochum lagert Verantwortung an genau diese Firma aus: Seit Sommer 2024 betreibt European Homecare die Geflüchtetenunterkunft „Nordbad“! Das bedeutet: In einer Stadt, die sich sicherer Hafen nennt, sind Geflüchtete sind nicht in erster Linie Menschen mit Rechten und Bedürfnissen – sondern werden zu Objekten eines Geschäftsmodells.

Gewinne vor Menschenwürde – das ist ein Skandal!

Wir sagen klar: Eine Stadt, die sich Sicherer Hafen nennt, darf ihre Verantwortung nicht an profitorientierte Konzerne auslagern. Geflüchtete brauchen kommunale, öffentliche, menschenwürdige Unterbringung – getragen von sozialer Verantwortung, nicht von Aktienkursen.

Und das ist nur der Anfang. Die Wahlprüfsteine des Flüchtlingsrats NRW zeigen uns, was jetzt auf die kommunale Tagesordnung für eine humane Fluchtpolitik gehört:

  • Aufnahmeprogramme, die über Quoten hinausgehen – wir fordern mindestens 1.000 zusätzliche Plätze!
  • Dezentrale und menschenwürdige Unterbringung – Wohnungen statt Sammelunterkünfte, keine Unterbringung in Turnhallen oder anderen Notlösungen!
  • Willkommensfreundliche, barrierearme Behörden, die Ermessensspielräume für Bleiberecht nutzen, anstatt Abschiebungen durchzuziehen!
  • Die Stärkung gesellschaftlicher Teilhabe von Geflüchteten – das heißt die konsequente Ablehnung der Bezahlkarte, die Schaffung von Plätzen in Sprachkursen und Kinderbetreuung, die Stärkung der politischen Teilhabe von Geflüchteten!
  • Und: die zivilgesellschaftliche Beteiligung in einer ausländerrechtlichen Beratungskommission, die sicherstellt, dass bei allen Entscheidungen die Würde von Geflüchteten und ihre Grund- und Menschenrechte gewahrt bleiben.

Liebe Mitstreiter*innen,
Bochum hat sich 2019 zum Sicheren Hafen erklärt – 2025 ist es Zeit, einer sein!

Das heißt: keine Deals mit Konzernen, die an Not und Elend verdienen!
Das heißt: eine menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung!
Das heißt: Teilhabe und Perspektiven und konsequente Solidarität.

Wir wissen: der Kampf um sichere Häfen ist auch ein Kampf gegen Rassismus, gegen Entwürdigung und gegen Profitgier.

Darum sagen wir laut und deutlich: Kein Mensch ist illegal – und kein Mensch ist ein Geschäftsmodell! Bochum darf kein Hafen der Konzerne und menschenfeindlicher Fluchtpolitik sein – sondern muss endlich ein Hafen der Solidarität werden.

Für ein sicheres Kommen und Bleiben! Bochum hat Platz! Wir haben Platz!