Dies ist im Übrigen keine der üblichen Geschichten aus dem durchschnittlich Typischen
„Es ist kalt in Deutschland“, denkt euer Mann Frank, die Heimaterde ist Thüringen
Ein Kerl wie ein Wandschrank, doch sein Verstand fand Platz im Handgepäck
Sein Blick sucht gern bei andern Stress, er isst aus Polen Sandgebäck
Die Schuhe sind aus Bangladesch, im Urlaub liebt der Frank Quebec, ist in Kanada zum Wandern weg
Kommt er euch etwa vor, als ob er ostdeutsches Obst braucht?
Fußt seine Selbstsicherheit in Ecuador an einem Koksstrauch?
Man ahnt, wenn man fragt, wie die Antwort ausfiele
Im Supermarkt sucht er nach Mangos aus Chile
Mag Massagen aus Thailand auf dem Standort Bauchliege
Liebt brasilianischen Fußball und Kampfsport, auch Spiele
Auf Konsolen aus Japan
Smartphones aus Taiwan
Kaffee Kolumbien
Oliven aus Umbrien
Hollywoods Blockbuster
Schwedische Rockkasper
Whisky ist schottischer
Nordischer Götterchor
Für den Ton an Silvester ein paar tschechische Feiergeschütze
Für den Sohn seiner Schwester die chinesische Spiderman-Mütze
Und den Lorbeerkranz auf die Brust seines Polohemds
Näht eine Kinderhand im Hinterland Äthiopiens
Aber Ausländer findet Frank scheiße
Na logisch, Frank!
Dies ist im Übrigen keine der üblichen Geschichten aus dem durchschnittlich Typischen
„Es ist kalt in Deutschland“, denkt euer Mann Frank, die Heimaterde ist Thüringen
Er redet gern von Lügenpresse, grimmig graue Prügelfresse
Gibt es ohne Zügel Dresche, bist du platt wie Bügelwäsche
Denn er ist ein zum Austausch unfähiger ewiger Nachredner der beliebigen Prediger von PEGIDA
Debiler juveniler Wegschieber kritischer Gedanken, lediger Erlediger weniger Traktanden
Aber immer wieder und immer weiter auf der Straße gegen Asylanten
Schuld am eigenen Schicksal Muslimen zuschieben
Frank denkt von ihnen
Die sind nur hier, um Smartphones und Luxuslimousinen zu kriegen
Für die Ausländer ist seine Nationalhymne doch nur ein Werbejingle
Sie wollen Frank die Frauen klauen – doch er trickst sie aus und ist derbe Single
Die letzte schrieb im Abschiedsbrief er sei ein Zentner Hack auf Beinen
Fast zum Weinen, ihn so abzuschreiben, doch keine Träne konnte das vermeiden
Karma ist ein Bumerang und er ein dummer Mann mit braunem Umhang an
Brandbeschleunigern wie in den Neunzigern und Glut im Bauch zum Untergang
Wirft den Funken dann in eine geplante Unterkunft für hundert Mann
Denn er lebt im Vorgestern und hat nichts für morgen über
Frank fordert Führer, doch ist natürlich nicht rechts, nur ein besorgter Bürger!
Na logisch, Frank!
Dies ist im Übrigen keine der üblichen Geschichten aus dem durchschnittlich Typischen
„Es ist deutsch in Kaltland“, denkt der kleine Bassam, die Heimaterde ist Syrien
Er ist acht und trägt als Handschuhe Socken mit Löchern für die Daumen
War trotz Nachtruhe wach, denn er hat öfter diesen Traum
Steht vorm Container, starrt der Dunkelheit von innen an die Schädeldecke
Besser, denkt der Junge, als wenn ich drinnen jeden wecke
Verließ in sternenloser Nacht den beengten Raum
Bis zur der Laterne weiter vorn, die mit gesenktem Haupt
Einen kleinen Lichtkegel wirft, der Dunkelheit den Schrecken raubt
Bassam atmet an der Ecke, aus seinem Mund steigt eine Wolkendecke auf
Ganz leicht, doch abrupt wie ein fallender Zweig
Stehen Riesen darin und sie kommen zu zweit
Es sind Frank und sein dicker Kumpel Maik
Für einen Moment stehen sie still wie die Zeit
Bassam ist jäh erschrocken
Er rührt nicht einen Knochen
Von weit oben fällt ein Tropfen
Und die Dunkelheit steht offen
Denn wo schwere Herzen klopfen
Da gibt es nicht viel zu hoffen
Doch es ändert sich etwas, von ganz, ganz tief innen
Maik hebt den Schlagstock, um Bassam zu vertrimmen
Bassam steht im Schnee, weint eine kleinere Pfütze
Frank starrt auf Bassams chinesische Spiderman-Mütze
Fragt sich plötzlich, wozu bin ich eigentlich nütze
Wenn ich nicht jetzt und hier diesen Kleinen beschütze?
Die Gedanken verschwimmen, zwischen unten und oben
Als würde die Welt aus den Angeln gehoben
Frank hebt die Faust, ein Schlag, da liegt Maik schon am Boden
Bassam, der die Fassung schnell wieder gewinnt
Sagt „Şukran!“, bevor er zu rennen beginnt
Frank ist allein, starrt auf Maik und verweilt mit gesenktem Haupt
Ein kleiner Lichtkegel, der Dunkelheit den Schrecken raubt.

Der Text stammt aus dem Buch:
Sebastian 23,
„Bäume sind Büsche auf Balken“,
Lektora 2023.