Sonntag 31.08.25, 09:47 Uhr

Demo zum Safe Abortion Day


Das feministische Kollektiv Furore Bochum ruft zur Demo am Safe Abortion Day auf: »Seit jeher gehört das Thema Schwangerschaftsabbrüche zu den zentralen Anliegen feministischer Bewegungen. Und das auch heute noch: Denn die Möglichkeit zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen ist in Deutschland und weiten Teilen der Welt nach wie vor gar nicht oder nur unzureichend gegeben. Gleichzeitig versuchen rechte und konservative Kräfte, ganz nach dem Motto „your body, my choice“ bereits erkämpfte Rechte auf körperliche Selbstbestimmung streitig zu machen und Frauen in die Rolle der Hausfrau und Mutter zu drängen. Dies ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines kapitalistischen und misogynen Systems, das auf der Ausbeutung des arbeitsfähigen und des gebärfähigen Körpers beruht. Diese Zustände nehmen wir nicht hin! Denn niemand – wirklich niemand – hat das Recht, über unsere Körper zu bestimmen. Wir rufen euch auf, am 28.09. zum Safe Abortion Day mit uns auf die Straße zu gehen!

Funktionieren und Reproduzieren – Gebärfähigkeit im Kapitalismus

Der Kapitalismus ist nicht einfach nur ein Wirtschaftssystem – er greift tief in unser Leben ein. Er basiert auf Kontrolle, Ausbeutung und Disziplin. Im Zentrum steht die Arbeitskraft, ihre Produktivität und Reproduzierbarkeit. In diesem System ist die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen kein Zufall. Sie dient der Kontrolle über Reproduktion. Dafür sollen gebärfähige Menschen bereitstehen: Neue Arbeitskräfte erzeugen und erziehen und männlichen Lohnarbeitern Erholung verschaffen. Um zu funktionieren, braucht der Kapitalismus diese permanente Kontrolle und Unterordnung gebärfähiger Menschen, denn ihre körperliche und sexuelle Selbstbestimmung bedrohen das System.

Kriminalisierung und Stigmatisierung – Die Situation in Deutschland

Obwohl das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit grundlegend ist, ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland nach § 218 Strafgesetzbuch rechtswidrig. Diese Kriminalisierung hat zur Folge, dass der Zugang zu einem sicheren und selbstbestimmten Abbruch mit zahlreichen Hürden verbunden ist. Die Behandlung ist nur unter bestimmten Bedingungen straffrei: nach einer verpflichtenden Beratung, einer dreitägigen Wartefrist und innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen. Doch legal ist sie nie. Schwangere werden in ihrer Entscheidung nicht respektiert, sondern überwacht und kriminalisiert. Tragen müssen sie die Kosten von bis zu 800 Euro obendrein selbst. Diese rechtliche Konstruktion und die einhergehende gesellschaftliche Stigmatisierung führen dazu, dass immer weniger Ärzt*innen Abbrüche durchführen. Derzeit gibt es nur noch etwa 1.000 Stellen bundesweit. In ländlichen Regionen ist die medizinische Versorgung kaum gewährleistet. Zudem verweigern viele konfessionelle Krankenhäuser den Eingriff grundsätzlich – und das, obwohl sie mit öffentlichen Geldern finanziert werden. Keine andere medizinische Behandlung unterliegt derartiger Willkür. Wir fordern eine flächendeckende, barrierefreie und kostenlose Versorgung!

Ein Gesetzesentwurf zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen scheiterte im Februar diesen Jahres – zu verdanken haben wir das maßgeblich einer Blockade von Union und FDP. Doch davon lassen wir uns nicht unterkriegen. Unsere Forderung bleibt: § 218 muss gestrichen werden!

Unsichere Abbrüche und staatliche Gewalt – die Situation global

Etwa ein Drittel aller Schwangerschaften weltweit enden in einem Abbruch: Abtreibungen sind Alltag, Realität und Notwendigkeit. Doch die Bedingungen, unter denen sie stattfinden, sind erschreckend: Rund die Hälfte aller Abbrüche erfolgen unter unsicheren und heimlichen Umständen. Auf Grund ihrer Illegalisierung und Stigmatisierung müssen sie fernab von medizinischen Standards, ohne Schutz, ohne Nachsorge durchgeführt werden. Die Folgen sind tödlich. Jedes Jahr sterben schätzungsweise 40.000 Frauen weltweit an den Folgen unsicherer Abtreibungen. Das bedeutet: Frauen kann man sterben lassen – alles ist besser, als ihnen die Kontrolle über den eigenen Körper zuzugestehen. Allein im Jahr 2023 starben weltweit täglich mehr als 700 Frauen an vermeidbaren Ursachen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt – unsichere Abbrüche sind eine der Hauptursachen.

Diese Zahlen machen deutlich: Es geht hier nicht um „Moral“. Sie offenbaren den Irrsinn eines globalen Systems, das tödlich ist. Während in einigen Ländern reproduktive Rechte brutal eingeschränkt werden, wie zuletzt in den USA, erkämpfen Bewegungen andernorts konkrete Fortschritte. In Ländern wie Argentinien, Kolumbien, Mexiko, Frankreich und Irland wurden Abtreibungsgesetze liberalisiert, und zwar dank massiver feministischer Proteste! Diese Gleichzeitigkeit von Fortschritt und Rückschritt zeigt: Reproduktive Rechte sind kein einmal erreichter Zustand, sondern ein ständiges politisches Gefecht.

Bevormundet, bestraft, ausgeschlossen – Reproduktive Autonomie? Fehlanzeige!

Angriffe auf die reproduktive Autonomie beobachten wir historisch wie aktuell; sie beziehen sich nicht einzig auf Schwangerschaftsabbrüche, sondern auch auf Sterilisationen, sowie den Zugang zu Verhütungsmitteln. Im Nationalsozialismus wurden Tausende Frauen unter dem Vorwand der „Erbgesundheit“ zwangssterilisiert. Auch im Kolonialismus wurden indigene Frauen brutalen Zwangssterilisationen ausgesetzt, um die demografische Kontrolle über die kolonialisierte Bevölkerung zu erlangen. Die Praxis der Zwangssterilisation ist jedoch kein Antiquat. Noch bis in die 2000er Jahre wurden Menschen mit Behinderung in Deutschland gegen ihren Willen sterilisiert. Hier zeigt das System seine zutiefst rassistische und ableistische Logik.

Eine selbstgewollte Sterilisation hingegen ist in Deutschland heute zwar rechtlich erlaubt, aber der Zugang de facto eingeschränkt. Viele Ärzt*innen lehnen den Eingriff bei kinderlosen Frauen unter 30 kategorisch ab. Die Begründung: sie könnten es später bereuen. Solche Entscheidungen sind keine individuellen Einzelfälle, sondern Ausdruck eines bevormundenden medizinischen Systems, das die reproduktive Entscheidungsfreiheit massiv einschränkt.

Diese Einflussnahme auf die persönlichen reproduktiven Handlungsspielräume zeigt sich auch im Zugang zu Verhütungsmitteln. Denn Verhütung wird in Deutschland ab dem 22. Lebensjahr nicht mehr von den Krankenkassen übernommen. Anstatt sie als Teil der Gesundheitsversorgung zu verstehen, wird sie zur individuellen Verantwortung und finanziellen Last. Zusätzlich dazu ist Verhütung nach wie vor vor allem Aufgabe gebärfähiger Personen. Dass sichere und praxistaugliche Verhütungsmethoden für cis Männer bis heute kaum entwickelt und erforscht wurden, ist Ausdruck struktureller Ungleichheit.

Wer Kinder bekommt, wird in Deutschland mit strukturellen Hürden konfrontiert: Ein massiver Mangel an Kitaplätzen, lange Wartelisten und hohe Betreuungskosten erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So wird Elternschaft zum sozialen Risiko, vor allem für Frauen, die weiterhin den Großteil unbezahlter Sorgearbeit übernehmen. Gleichzeitig werden diejenigen, die sich gegen Kinder entscheiden, moralisch abgestraft. Denn die Vorstellung von der Frau als Gebärmaschine, deren vermeintlich natürliche Bestimmung es sei, Kinder zu bekommen, hält sich hartnäckig.

Wir fordern: Ein Ende dieser Zwangsverhältnisse

Ob in Deutschland oder weltweit – die Kontrolle über gebärfähige Körper ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines strukturellen Machtverhältnisses. Sie ist tief verwoben mit kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Logiken, die gebärfähige Körper in Funktionen pressen: zur Reproduktion, zur Verfügbarkeit, zur Verwertung, zum Sterbenlassen. Der Kapitalismus braucht kontrollierte Reproduktion. Um dies zu gewährleisten, werden Gesetze, ökonomische Zwänge und soziale Normen etabliert, die die körperliche Selbstbestimmung systematisch einschränken und damit die Möglichkeit der reproduktiven Freiheit ersticken.

Wir fordern: Weg mit § 218! Wir fordern eine Welt, in der weder Frauen zu Schwangerschaft und Kinderkriegen gezwungen, noch gebärfähige Menschen an gewollten Schwangerschaften gehindert werden. Wir fordern eine Gesellschaft, in der Sorgearbeit kollektiv getragen wird und reproduktive Arbeit nicht ausgebeutet, sondern sozial anerkannt ist. Wir fordern ein System, in dem körperliche Selbstbestimmung kein Privileg, sondern gelebte Realität ist.«

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