Dienstag 19.08.25, 22:52 Uhr
Das war Rot-Grün in Bochum (16)

Im Zickzackkurs zum Wohnraumschutz


Dass auch Bochum ein Problem mit (bezahlbarem) Wohnraum hat, ist schon viele Jahre amtlich. Man kann es in den alle zwei Jahre erscheinenden „Wohnungsmarktberichten“ der Stadtverwaltung nachlesen. Um die Knappheit zu bekämpfen, beschloss der Rat im November 2017 erstmalig ein „Handlungskonzept Wohnen“. Zur Lösung der Krise setzte dieses Konzept einseitig auf Neubau: 800 Wohnung jährlich sollten neu errichtet werden, 200 davon öffentlich gefördert. Geklappt hat das nicht.

Kurz zuvor (im September) hatte der Rat mit deutlicher Mehrheit den vom Mieterverein propagierten und von den Linken beantragten Erlass einer Wohnraumschutzsatzung abgelehnt. Diese Ratssitzung bot ein seltenes Schauspiel: SPD und Grüne, seit 18 Jahren in einer Koalition, stimmten gegeneinander. Die Grünen stimmten für die Satzung, die amtlich korrekt „Zweckentfremdungssatzung“ heißt (denn der Wohnraum soll vor Zweckentfremdung geschützt werden), die SPD stimmte mit CDU und FDP dagegen. Der Schutz bestehenden Wohnraums vor Umnutzung, Abriss oder Leerstand erschien der Ratsmehrheit nicht wichtig. „Bauen, bauen, bauen“ sollte es richten.

Das Ziel ist grandios gescheitert. Nur in einem einzigen Jahr danach erreichten die Neubauzahlen angenähert die anvisierte Größenordnung. Guter Wille alleine kommt gegen die miserablen Rahmenbedingungen im Wohnungsbau (kaum Grundstücke, davongalloppierende Baukosten, Baustoff- und Handwerkermangel) nicht an. Insbesondere das Ziel, den ständigen Schwund an Sozialwohnungen zu stoppen, wurde meilenweit verfehlt: Fünf Jahre nach Beschluss des Handlungskonzepts gab es noch einmal 1.677 Sozialwohnungen weniger in Bochum. Ursache ist, dass jedes Jahr weit mehr ehemals geförderte Wohnungen wegen Rückzahlung der öffentlichen Darlehen durch den Eigentümer aus der Bindung fallen als neu gefördert werden.

Als 2023 angefangen wurde, über eine Neuauflage des Handlungskonzepts Wohnen zu beraten, hatten sich die Rahmenbedingungen für den Neubau durch den Ukraine-Krieg noch weiter verschlechtert. Und die Wohnungsknappheit in Bochum war nicht kleiner, sondern größer geworden. Es war deshalb klar, dass der Schutz des vorhandenen Wohnungsbestandes mehr Augenmerk brauchte als 2017. Der Mieterverein brachte erneut die Wohnraumschutzsatzung ins Spiel und stieß diesmal nicht auf taube Ohren. Als am 10. Oktober 2024 das neue Handlungskonzept Wohnen beschlossen wurde, war der Erlass einer Zweckentfremdungssatzung eine der empfohlenen Maßnahmen.

Seit dem 28. Mai 2025 gibt es eine solche Satzung nun in Bochum. Beim Mieterverein an der Brückstraße ist man trotzdem nicht so richtig zufrieden, denn strenggenommen ist es nur eine halbe Satzung: Wer Wohnraum abreißen will oder längere Zeit leerstehen lässt, muss nun bei der Stadt eine Genehmigung beantragen – oder riskiert ein Bußgeld. Um die Umnutzung von Wohnraum in Gewerbe oder Ferienwohnungen – auch dies ist nach dem Gesetz Zweckentfremdung – will man sich in Bochum jedoch nicht kümmern. Auch gilt die Satzung nicht für Ein- und Zweifamilienhäuser. Und zu ihrer Durchsetzung gibt es im Rathaus gerade mal eine Planstelle.

Wichtige Links in Bochum:
Mieterverein
Stadt für Alle

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