Als ab März 2022 Tausende Menschen aus der Ukraine am Bochumer Hauptbahnhof ankamen, um entweder hier zu bleiben oder über die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) weiterverteilt zu werden, delegierte die Stadt Bochum die Betreuung der Ankommenden an die „Bahnhofsmission“ und die „Bochumer Ehrenamtsagentur (BEA)“. Beide Organisationen verfügten über keinerlei Erfahrungen mit solchen Situationen und Zielgruppen. Zeitgleich fand sich unter dem Namen „Bochum Solidarisch“ eine sogenannte „Pop-Up-Bewegung“ zusammen, um im Hauptbahnhof erste und später auch zweite Hilfe zu leisten. Schnell bildete sich auch ein fachlicher Kern mit Jurist:innen, Mediziner:innen und Menschen, die professionell in der Migrationsarbeit tätig waren.
Gerade in den Anfangszeiten war der Stand von „Bochum Solidarisch“ von morgens früh bis Mitternacht besetzt und es waren fast durchgängig ukrainisch und/oder russisch sprechende Menschen vor Ort. Es gab eine enge Vernetzung mit Organisationen wie der „Medizinischen Flüchtlingshilfe“ oder „Das Kollektiv e. V.“ Ebenso wurde eine Zusammenarbeit mit dem Bahnhofsmanagement, benachbarten Hotels und Gastronomen aufgebaut. Diese stellten z.B. kostenlos Wasser und Essen bereit. Die Telekom beauftragte „Bochum Solidarisch“ mit der Verteilung kostenloser SIM-Karten.
Während „Bochum Solidarisch“ auf die Erfahrungen aus den Jahren 2015/2016 zurückgreifen konnte, waren die von der Stadt beauftragten und finanzierten „Bahnhofsmission“ und „BEA“ ahnungslos. Einer der Aktiven von Bochum Solidarisch erinnert sich: „Die Mehrzahl der Dolmetscher:innen von „Bochum Solidarisch“ hatte sich zuvor nach Aufrufen der BEA genau dort gemeldet, aber nie eine Antwort bekommen. Die Bahnhofsmission setzte 16-jährige Schulpraktikant:innen ein, um Menschen, die gerade aus Kriegsgebieten gekommen waren, zu „betreuen“. Diesem Thema könnte man ein ganzes Buch widmen. Von der Stilrichtung her wäre es ein Drama.“
Unfähig oder unwillig…oder beides?
Menschen mit Erfahrungen im Umgang mit solchen Situationen wie 2022 und fachliche Kompetenzen waren also bei „Bochum Solidarisch“ vorhanden, eine flexible Organisationsstruktur mit kurzen Entscheidungswegen und weitreichenden Netzwerken aufgebaut…und wie reagierte die Stadt Bochum darauf?
Das Fazit von Aktiven von Bochum Solidarisch: „Die Unfähigkeit oder auch Unwilligkeit der Stadt, mit sich spontan entstehenden zivilgesellschaftlichen Bewegungen zusammenzuarbeiten oder diese auch nur in die eigenen Strategien – sofern man überhaupt von solchen sprechen kann – einzubinden, ist beschämend und in der Sache ineffektiv.
Viele Impulse von „Bochum Solidarisch“, wie beispielsweise die Empfehlung, die sich ständig verändernden Rahmenbedingungen in Bochum doch über die entstandenen Social-Media-Kanäle der ukrainischen Communitys zu kommunizieren, wurden ignoriert. Die daraus resultierende Mehrarbeit für die in dieser Zeit eh schon hochbelasteten, städtischen Beschäftigten, wuchs weiter, weil Menschen sich nicht online informieren konnten.“
Ein bei „Bochum Solidarisch“ engagierter Organisationsmanager hat der Stadt Bochum Vorschläge für eine effektivere Zusammenarbeit gemacht, den Stand der Forschung zu dem Thema kommuniziert und Vorträge auf Tagungen zum Verhalten der Stadt Bochum und zu Lösungsvorschlägen gehalten. Das Ergebnis: Null Reaktion von Seiten der Stadt. Auf Tagungen und Workshops von renommierten Organisationen wie z. B. der „Friedrich-Ebert-Stiftung“ oder der „Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf“ zum Thema waren Vertreter:innen anderer Städte aus dem Ruhrgebiet vertreten. Von der Stadt Bochum und den von ihr beauftragten Organisationen niemand.
Ein Aktiver von Bochum Solidarisch, der seit Jahre in dem Bereich Migration arbeitet, kommt zu dem Schluss: „Rot-Grün hat es in all den Jahren nicht geschafft, eine moderne, auf effektive Problemlösungen fokussierte Verwaltung aufzubauen. Dabei geht es, in diesem Fall, nicht um finanzielle Mittel, sondern um Haltung. Vertrauen in die Kompetenzen der eigenen Mitarbeitenden vor Ort und zivilgesellschaftlicher Bewegungen jenseits des eingefahrenen Klüngels. Ein neuer Geist muss her in Politik und Verwaltung, denn „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“ Franzis Picabia“«
Die Reihe „Das war Rot-Grün in Bochum“ wird hier dokumentiert.
Auch ich hab damals mit „Bochum Solidarisch“ am Hbf gestanden und unterstütze weiterhin auch ukrainische Menschen.
Gerade habe ich nochmal nachgeschaut:
Auf der Webseite der Stadt Bochum gibt es immer noch die FAQ der Stadt Bochum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine (https://www.bochum.de/Aktuelle-Pressemeldungen/Fragen-und-Antworten-zur-Ukraine-Krise) mit absolut veralteten und damit falschen Informationen. Nehmt die FAQ gefälligst aus dem Netz oder haltet sie aktuell!
Schaut auch mal auf „https://fluechtlingshilfe-bochum.de“. Diese Seite wird von der Bochumer Ehrenamtsagentur (bea) betreut, die dafür auch Geld von der Stadt erhalten hat. Unter Aktuelles finden sich Informationen von 2019 – 2022.
Sie wirbt mit dem Logo der Stadt Bochum, dem Kommunalen Integrationszentrum, einem Ministerium, das vor Jahren umbenannt wurde, und einem Förderprogramm, dass die schwarz-grüne Landesregierung im letzten Jahr gestrichen hat.
Das ist superpeinlich für die Stadt und die bea. Nehmt die Seite gefälligst aus dem Netz! Sie diskreditiert die in der Flüchtlingshilfe engagierten Menschen.
Ganz aktuell hat eine ukrainische Frauengruppe über verschiedene Kanäle (Mail, Instagram) bei der Bochumer Ehrenamtsagentur nach Unterstützung für einen Stand beim Alsenstraßenfest am 7.9. angefragt. Auch auf dreimalige Anfrage gab es keinerlei Reaktion. Man war wohl zu sehr mit dem 6-jährigen Jubiläum (warum 6-jährig ??? ) beschäftigt, als für ehrenamtlich engagierte Geflüchtete da zu sein. Ach ja, falls jemand von der bea hier mitliest. Das Problem hat sich dank engagierter Mitarbeitenden des Gesundheitsamtes mittlerweile gelöst.
Das hat alles nichts mit Nothaushalt oder so etwas zu tun. Ja, es ist die Haltung, die fehlt. Nicht bei den superengagierten Mitarbeitenden der Stadt Bochum, die uns unterstützt haben, sondern das Problem liegt einige Etagen höher.