Sonntag 25.05.25, 20:33 Uhr
Stadt will Senioreneinrichtungen an Diakonie abgeben

Adenauers Wille geschähe


SPD, CDU und Grüne wollen die städtische SBO Senioreneinrichtungen an die Diakonie übergeben. Der Sozialkonzern der ev. Kirche soll 51 Prozent der SBO erhalten. Als Begründung wird angegeben, dass die Einrichtungen nicht wirtschaftlich betrieben werden. „Es ist offensichtlich nicht die Kernkompetenz einer Stadt, Altenheime zu betreiben“, wird Burkart Jentsch, Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion in der WAZ zitiert. Das wirft die Frage auf, wo die Stadt überhaupt über Kernkompetenzen verfügt. Offensichtlich gelingt es der Stadt z. B. jedenfalls nicht, für ihre zahlreichen kommunalen Einrichtungen ein erfolgreiches Management zu finden.

Rechtlich gesehen hat der SPD-Fraktionschef allerdings Recht. Es gilt im Jugend-. Gesundheits- Pflege- und Sozialbereich nämlich das Subsidiaritätsprinzip – der Vorrang der privaten Träger vor den öffentlichen Trägern. Das heißt: Die Stadt darf z. B. keinen Kindergarten einrichten, wenn eine private Trägerin, wie die Kirche oder die AWO bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Die Kosten muss allerdings die öffentliche Hand tragen. Die Kirchen beteiligen sich z. B. mit keinem Cent an den Kosten für die Bochumer Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft. Das Land, die Krankenkassen und die Patient:innen tragen die Kosten.

Völlig vergessen ist, wie es zu dieser gesetzlichen Bestimmung gekommen ist: Bei der Bundestagswahl im Jahr 1957 erhielt die CDU/CSU die absolute Mehrheit. Als absehbar war, dass die Union 1961 die absolute Mehrheit verlieren würde, versuchte Kanzler Adenauer die Kirchen – noch stärker als ohnehin schon – zur Wahlhilfe zu motivieren. Das Subsidiaritätsgebot wurde als Geschenk an die Kirchen beschlossen. Länder und Städte klagten vergeblich vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen, dass ihnen wesentliche Gestaltungsmöglichkeiten im Jugend- und Sozialbereich entzogen wurden. SPD und FDP versprachen, die Subsidiaritätsbestimmungen sofort rückgängig zu machen, sobald sie die Mehrheit dafür haben.

Diakonie und Caritas wurden zu riesigen Sozialkonzernen mit insgesamt z. Z. ca. 1,3 Millionen Beschäftigten. Viele Menschen wissen nicht, dass diese kirchlichen Einrichtungen weitgehend von der Allgemeinheit finanziert werden. Sie zahlen weiter Kirchensteuer, weil sie daran glauben, dass ihr Geld für soziale Tätigkeiten verwendet wird.

Für mehr als eine Million Beschäftigte in von der Öffentlichkeit finanzierten Einrichtungen gilt damit § 118,2 des Betriebsverfassungsgesetzes: „Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet deren Rechtsform.“ Die Kirchen akzeptieren in ihren Einrichtungen auch kein Streikrecht. Die gängige Rechtsprechung duldet sogar, dass in staatlich finanzierten kirchlichen Einrichtungen Mitarbeiter:innen wegen ihres Glaubens oder Nichtglaubens diskriminiert – z. B. nicht eingestellt – werden dürfen.
Alles läuft so, wie Adenauer sich das vorgestellt hat. Wenn die Diakonie SBO bekommt, dann muss die CDU zustimmen. Denn: Adenauers Wille geschähe.