Sonntag 11.05.25, 20:24 Uhr

Rede Katharina Schwabedissen, 11.05.2025 AfD Verbot! Jetzt!


Liebe Freund*innen,
Liebe Kolleg*innen,
Liebe Genoss*innen,
Liebe Bochumer*innen!
Mein Name ist Katharina Schwabedissen. Ich bin Gewerkschaftssekretärin. Ich bin Feministin. Ich bin Mutter von drei Kindern. Ich bin aktiv bei widersetzen. Danke, dass ich heute hier reden darf.
Ich bin grundsätzlich keine Freundin von Verboten.

In einer wehrhaften Demokratie sollten wir gemeinsam in der Lage sein, die Grundwerte dieser Demokratie zu verteidigen und zwar von unten und ohne Verbote. Verbote können Organisationen verbieten, aber nicht das Denken, dass in diesen Organisationen lebt und durch diese befeuert wird.

Und trotzdem stehe ich heute hier und fordere ein Verbot der AfD. Einer im Kern faschistischen Partei. Jetzt!

  1. Ich bin nicht sicher, ob unsere Gesellschaft ausreichend wehrhaft ist, wenn es darum geht, nicht nur die eigene Comfortzone zu verteidigen, sondern grundlegende Rechte – z.B. die Würde des Menschen – aller Menschen.
  1. Weil wir keine Zeit haben, um das gemeinsam zu testen: Die Krisen der kommenden Monate und Jahre wird die Grundlagen des Prinzips „alle gegen alle“ befeuern. Und wir erleben das bereits.
    1. Wir werden einen gigantischen Umbau der Arbeitsgesellschaft wie wir sie kennen erleben.
    2. Wir erleben, dass Kriegstüchtigkeit zum erstrebenswerten Ziel und Friedfertigkeit zum Gespött wird.
    3. Wir erleben, dass der Klimawandel und seine direkten Folgen immer mehr Menschen weltweit in Bewegung setzen und zur Flucht zwingen wird.
    4. Wir erleben bereits jetzt, dass die Antwort auf die Krisen nicht Solidarität ist, sondern Abschottung und Ausgrenzung.

Es fühlt sich an, wie Dezember 1932. Und es fühlt sich nicht nur so an.

Im Dezember 1932 waren in Folge der Weltwirtschaftskrise von 1929 5,6 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 30% der Erwerbsbevölkerung in Deutschland. Die Regierenden wollten auch damals keine Antworten auf die soziale Krise von immer mehr Menschen geben. Konkurrenz auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Konkurrenz um Anerkennung. Mit den Verunsicherungen wuchs der Zuspruch zu NSDAP und die Krise der Demokratie – die auch 1932viele für wehrhaft hielten.

Wir hören heute ähnliche Sätze aus Parteien, Gewerkschaften und von Einzelpersonen über die AfD wie damals über die NSDAP:

– Sie werde sich in der Regierung entzaubern.

– Man müsse das alles nicht so ernst nehmen.

– Die Demokratie wird sich schon wehren.

– Der Rechtsstaat ist stabil.

Das sind Sätze, die heute wie damals nur sprechen kann, wer nicht von dem steil ansteigenden, brutalen und immer alltäglicher werden rassistischen, queerfeindlichen, sexistischen Angriffen betroffen ist, wer nicht eine Person mit Behinderung ist, wer nicht zu denen gehört, die von der AfD Tag für Tag auf allen Kanälen als „anders“ und „nicht dazu gehörend“ angeprangert wird.

Die AfD verschiebt mit ihrer Politik jeden Tag des Sagbare und damit auch das machbare!

Tag für Tag und so schleicht sich der Faschismus langsam ein, wird erst zur Gewohnheit und dann zur Tagespolitik. „Die Zivilisation ist nur eine sehr dünne Decke, die sehr schnell abblättert“, beschrieb Fritz Bauer das Problem, vor dem wir heute stehen, wenn wir über die wehrhafte Demokratie und ein AfD Verbot reden.

– Noch sind viele erschrocken, wenn der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem einstuft.

– Vor 14 Monaten waren Millionen auf der Straße, um ihre Betroffenheit gegen die Veröffentlichung von Correctiv zu den „Remigrationspläne“ auch von Teilen der AfD zum Ausdruck zu bringen. Und haben sich heute nicht Millionen bereits daran gewöhnt?

Die AfD normalisiert die Ausgrenzung von Menschen aus unserer Gesellschaft – auch in uns!

Wir erleben das, wenn heute der Familiennachzug abgeschafft und die Grenzen geschlossen werden sollen.

Wenn Länder zu sichereren Drittländern erklärt werden, von denen wir sicher wissen, dass sie nicht sicher sind für Gewerkschafter*innen, für Frauen, für queere Personen. Bezieher*innen von Bürgergeld soll das Existenzminimum auf Null gestrichen werden können – und für immer mehr Menschen klingt das irgendwie normal. Wir wissen, dass das grundgesetzwirdrig ist. Aber schockiert es uns noch?

Das ist die Normalisierung, die durch den permanenten rhetorischen Putsch der AfD in die dünne Decke der Zivilisation Löcher reist.

Streikrechte einschränken, Bürgerrechte aberkennen, Parlamente als teures Luxusressort für Schmarotzer – ja, das haben schon immer auch Politiker*innen anderer Parteien gefordert.

Aber es ist die offene Menschenfeindliche Politik der AfD, die dafür sorgt, dass die – ohnehin fragile Struktur – der Brandmauer gegen den Faschismus unter täglichem Beschuss bröckelt.

Artikel 21 im Grundgesetz ist ein Schutzartikel für die dünne Decke der Zivilisation. Ein Schutzartikel gegen die Vorbereitung auf den Putsch – die längst schleichend im Gange ist.

Und darum braucht es das Verbot der AfD! Jetzt! Bevor es zu spät ist.

Der schleichende Putsch der AfD ist der Grund dafür, dass diejenigen, die diese Mauer aufrecht erhalten wollen, nicht mehr dazu kommen, die Welt nach vorne zu verändern und besser zu hinterlassen. Der Grund, warum wir oft müde und verdrossen oder wütend werden. Faschismus beginnt nicht damit, dass Menschen getötet werden. Er breitet sich dort aus, wo Menschlichkeit zur täglichen Anstrengung wird.

Das Erleben vor allem alle, die z.T. seit Jahren nicht aufhören, über die AfD und andere rechte Organisationen und Strukturen zu recherchieren und zu veröffentlichen, Demonstrationen, Kundgebungen und auch Schutzorte für betroffene Menschen zu schaffen. Tag für Tag, Woche für Woche. Manche seit den 50er Jahren. Die Antwort auf ihre unbezahlte Arbeit sind immer häufiger Angriffe von Rechts und auch aus dem bürgerlichen Umfeld, Repressionen durch staatliche Behörden und Erschöpfung.

Dabei sollte diesen Menschen jeden Tag unsere Solidarität gelten und heute unser Applaus!

Denn sie tun das, was die Repräsentant*innen dieser „Wehrhaften Demokratie“ jeden Tag nicht tun!

Wir können uns nicht auf die Regierung oder auf Parlamente verlassen, wenn es darum geht, der AfD die Grundlagen ihrer Ausbreitung zu entziehen. Wir müssen die Decke der Zivilisation täglich selbst miteinander stricken, damit sie fest bleibt und widerständig.

„Antifaschismus bleibt Handarbeit“ ist nicht der Titel für eine fröhliche Strickrunde. Es ist eine Aufforderung an uns alle, sich nicht auf den Staat oder „die anderen“ zu verlassen, wenn es jetzt um die Verteidigung der Demokratie geht.

Antifaschismus bedeutet eine solide Sozialpolitik, die dafür sorgt, dass die Garantien des Lebens allen zur Verfügung stehen. Das bleibt unsere Aufgabe – denn mit den Regierungen erleben wir aktuell genau das Gegenteil, wenn es konkret wird.

– Die Umverteilung von unten nach oben geht weiter.

– Die Teilung in nützlich und nicht nützlich für die Wirtschaft.

– Der Abbau von sozialen Rechten.

– Repression und Autoritarismus durch künstliche Verdichtung von Arbeit, Bildung und sozialen Garantien sind der Nährboden für Faschismus.

Wer vom Faschismus redet, soll vom Kapitalismus nicht schweigen!

Ich habe ein Bitte an alle, die heute hier und dankbar sind, dass es Organisator*Innen für diese Kundgebung und Demonstration gibt. Organisiert euch! Jetzt! Überall! Lassen wir einander nicht allein!

Wir brauchen uns heute hier – an diesem Sonntag.

Wir brauchen einander auch an jedem Tag und in jedem Stadtteil, wenn wir den Faschisten den Platz nehmen wollen.

Antifaschismus gehört an jeden Stammtisch, jedes Thekengespräch, in jeden Betrieb, in die Kirchengemeinde, die Ortsgruppe deiner Partei, in Schulklassen und Gespräche an der Bushaltestelle. Antifa ist eine Haltung, die jede und jeder von uns einnehmen kann.

Wir können uns der AfD und ihrem Versuch, den Faschismus über den Missbrauch der Instrumente einer demokratischen Gesellschaft zu normalisieren widersetzen.

Am 10. Oktober 1945 wurde 8,5 Millionen Deutschen ihre faschistische Partei vom alliierten Kontrollrat verboten. Das Verbot einer im Kern faschistischen Partei sollte diesmal kommen, bevor Millionen von Menschen ihr Recht abgesprochen wird, in Frieden, Sicherheit und Würde zu leben. Und diesmal kann niemand sagen: Wir haben nichts gewusst!

Lasst uns die Instrumente nutzen, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes uns aus gutem Grund vor dem Hintergrund von 13 Jahren deutschem Faschismus mit auf den Weg gegeben haben: Das Verbot der AfD. Jetzt!

ALLE ZUSAMMEN GEGEN DEN FASCHISMUS!

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