Vielen Dank, dass heute so viele von Euch den Weg hier her gefunden haben, um gemeinsam an den Tag der Befreiung von Krieg und Faschismus zu erinnern. Auch nach acht Jahrzehnten ist diese Erinnerung noch immer wichtig und notwendig, denn die Gefahr des autoritären Denkens ist längst nicht gebannt, sie harrt bedrohlich aus. Daher setzen wir heute erneut ein Zeichen und beweisen, dass dieses so viel beschworene „Nie wieder“ keine bloße Floskel, sondern gelebte Solidarität ist.
Der 8. Mai ist ein Tag der Befreiung, denn heute vor 80 Jahren kapitulierte die Wehrmacht bedingungslos und 12 Jahre der faschistischen Schreckensherrschaft fanden ein Ende. Der Krieg in Europa war vorbei.
Doch der 8. Mai ist auch ein Tag des Gedenkens. 80 Millionen Tote waren zu beklagen, unter ihnen mindestens 12 Millionen Menschen, die dem nationalsozialistischen Rassen- und Vernichtungswahn zum Opfer gefallen sind. Heute gedenken wir allen Opfern von Faschismus und Krieg. Ihr Schicksal mahnt uns, nichts unversucht zu lassen, das Wiedererstarken des Faschismus aufzuhalten.
Beim diesjährigen Gedenkrundgang wird Felix Lipski vom Klub Stern an das Schicksal der sowjetischen Zwangsarbeiter erinnern, die den Versuch, ihre Heimat zu verteidigen und die Welt vom Hitlerfaschismus zu befreien mit dem Leben bezahlen mussten. Fast zweitausend von ihnen haben hier auf dem Bochumer Hauptfriedhof die letzte Ruhe gefunden. Lieber Felix, danke für deinen unermüdlichen Einsatz!
Der 8. Mai ist jedoch auch ein Tag der Mahnung. Nicht nur die Toten mahnen uns, sondern auch der Umgang der damals jungen Bundesrepublik mit den Nazitätern. Durch frühe Schlussstrichdebatten, bereits kurz nach Gründung der BRD, versuchte man, die Schande des Faschismus in Vergessenheit geraten zu lassen. Doch in Bochum war eine Debatte so nicht ohne Widerstand denkbar: bereits im September 1945 gedachten ehemalige Widerstandskämpfer hier an Ort und Stelle der Toten.
Ich freue mich, dass heute Werner Meyer-Deters der VVN-BdA vor Ort ist und an den Widerstand gegen das Naziregime erinnert.
Der 8. Mai ist ein Tag wie kein anderer, denn er bringt Generationen zusammen. Unsere heutige Veranstaltung wird begleitet und beendet durch die Jugendtheatergruppe der Quartiershalle und das Theater Löwenherz. Sie präsentieren ein szenisches Spiel nach dem Buch „Heul doch nicht, du lebst ja noch.“ von Kirsten Boie. Auch an euch richte ich meinen herzlichsten Dank!
Bevor wir uns auf den Weg zu unserer ersten Station machen, möchte ich noch das Gespräch eines Überlebenden von Erich Fried zitieren und ich möchte dies auch verstanden wissen als Auftrag an uns alle, sich dem Faschismus mit allen notwendigen Mitteln zu widersetzen. Überall dort, wo er uns begegnet.
Was hast du damals getan
was du nicht hättest tun sollen?
“Nichts”
Was hast du nicht getan
was du hättest tun sollen?
“Das und Das
dieses und jenes:
Einiges”
Warum hast du es nicht getan?
“Weil ich Angst hatte”
Warum hattest du Angst?
“Weil ich nicht sterben wollte”
Sind andere gestorben
weil du nicht sterben wolltest?
“Ich glaube
ja”
Hast du noch etwas zu sagen
zu dem was du nicht getan hast?
“Ja: Dich zu fragen
Was hättest du an meiner Stelle getan?”
Das weiß ich nicht
und ich kann über dich nicht richten.
Nur eines weiß ich:
Morgen wird keiner von uns leben bleiben
wenn wir heute wieder nichts tun.
Justin Mantoan
Kinder- und Jugendring Bochum