Liebe Anwesenden:
„So was hätt einmal fast die Welt regiert!
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch
Dass keiner uns zu früh da triumphiert –
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
So lauten die Schlussworte des Theaterstücks »Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« von Bertolt Brecht, in dem parabelhaft und verfremdet das Emporkommen der Faschisten in Deutschland geschildert wird.
Die von Alt- und Neofaschisten dominierte AFD bekamen bei den Bundestagswahlen in Bochum bereits die Hälfte der Stimmen, die die Nazis 1933 an die Macht brachte. Wir erlebten gerade mit, wie die Partei mit dem christlichen „C“ im Namen, die mit der AfD real kooperiert, grundlegende Menschenrechte, wie das Recht auf Asyl bis zu Unkenntlichkeit aushöhlt, und um jeden Preis an die Macht zu kommen. Du ausgerechnet der neue Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Jens Spahn, will die faschistoide AfD nun wie eine normale Oppositionspartei behandelt wissen. Die viel beschworene Brandmauer, die steht nicht jenseits von der CDU, sie steht und mitten in der CDU und wird dort bereits eingerissen. Widerstand ist jetzt!
Der von den Nazis verfemte Dichter Erich Kästner bilanzierte nach 1945:
„Die Ergebnisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät.
Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf“ (Zitat Ende).
Doch erst noch einmal zurück von der Gegenwart in die Geschichte des Widerstandes gegen den Naziterror in Bochum:
Bis zum 5. März 1933 wurden bereits etwa 100 Mitglieder der KPD verhaftet, im gesamten Ruhrgebiet waren es mehr als 2000 Frauen und Männer der Partei, die als erstes von den Nazis verfolgt wurde. Gegen Sozialdemokraten und freie Gewerkschaften hielten sich SA und SS bis zur Reichstagswahl im November, bei der praktisch nur die NSDAP antreten durfte und 92,11 % der Stimmen bekam, noch zurück. Dann wurde auch gegen Sozialdemokraten und Gewerkschaften massiv loszuschlagen. In einer Nacht wurden in Bochum etwa 60 Sozialdemokraten und Gewerkschafter zusammengetrieben und eingesperrt.
Erst begann der Krieg als Krieg gegen die Nazigegner: So wurde beispielsweise die sozialdemokratische Tageszeitung „Volksblatt“ verboten und im Verlagsgebäude an der Hermannshöhe richtete sich die SA ein. Führende Bochumer Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter wurden in die Volksblatt-Druckerei verschleppt und dort grausam misshandelt. Dem Reichsbannermann Heini Schmitz wurde von den Nazi-Schergen Gift eingeflößt, weil er sich weigerte, in der Volksblatt-Druckerei Kommunisten auf Weisung der SA zu foltern. Heini Schmitz ist diesem Giftanschlag nach wenigen Stunden erlegen.
Das menschenverachtende System setzte sich durch und blieb 12 Jahre an der Macht, zettelten den 2. Weltkrieg an, der das Leben von wohl mehr als 60 Millionen Menschen kostete und organisierte die fabrikmäßige Ermordung von 5,7 Millionen jüdischen Kinder, Frauen und Männer aus den besetzten Ländern Europas.
Noch im April 1945 wurden in Bochum 22 Gestapo-Häftlinge, vor allem Zwangsarbeiter, im Keller des Hauses an der Bergstraße 76 von Gestapobeamten erschossen. Die Leichen der ersten Exekutionen im März wurden in einem Bombentrichter im Stadtpark verscharrt. Die noch verbliebenen 15 Gestapohäftlinge wurden zwischen dem 5. und 8. April 1945 erschossen und in einem Massengrab auf dem Freigrafendamm begraben.
Über die Jahre wurden an dieser Stelle in den Gedenkreden viele Details der Verbrechen der Faschisten an Bochumer Widerstandskämpfer*innen gesprochen. Es würde den heutigen Rahmen sprengen, alle und alles zu erwähnen, was bekannt ist. Und zugleich ist das, was aufgearbeitet und bekannt wurde, sicher nur ein Teil dessen, was die Nazis in Bochum an Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Noch vier Tage nach der Befreiung Bochums durch die Alleierten, am 14. April 1945, ermordeten fanatisierte Hitlerjungen drei sowjetische Zwangsarbeiter in Bochum-Dalhausen. Ein Verbrechen, das nie gesühnt wurde.
Liebe Anwesende,
In dieser grauenhaften Zeit gab es couragierte Bochumerinnen und Bochumer, die diese Schande nicht mitmachten. Es gab sie vor allem – aber nicht nur – in der Arbeiterschaft, die in den Jahren von 1933 bis 1945 politischen Widerstand leisteten. Die Nazis trachteten danach, sie zu verfolgen und zu vernichtet. Es waren Menschen, wie diese mutigen, ermordeten Widerstandskämpfer
• Friedrich Hömberg,
• Josef Langner,
Bernhard Nast,
• Moritz Pöppe,
• Johann Schmidtfranz,
• Wilhelm Schpenk,
• Wilhelm Thiesbürger
• und Erich Schröder,
zu deren Ehren wir hier heute an ihren Gräbern stehen. Sie stellten einfache, mit Handstempel gefertigte Streuzettel her, die im Dezember 1942 im Stadtgebiet von Bochum in Hauseingänge und -flure hinterlegt oder auch unter Türen geschoben wurden. Darauf stand: „Deutsches Volk horch auf – Nieder mit dem Bluthund A. Hitler.” Es waren etwa 20 außerordentlich bewundernswerte mutige Bochumer Frauen und Männer der KPD, die noch in den Kriegsjahren 1943/44 in Bochum eine große Widerstandsgruppe bildeten. Die hier bestatteten Möritz Pöppe und Johann Schmidtfranz wurden von den Nazischergen gefasst, wegen Vorbereitung zum „Hochverrat“, „Feinbegünstigung“ und „Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt und im November 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet.
Liebe Zuhörende,
Nichts soll vergessen sein, und Niemand. Ein hehres Versprechen, das einzuhalten bemühen, sich die Bochumer Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist*innen verschrieben haben.
Die VVN-BdA hat 2006 erreicht, dass die Stadt diesen Gedenkstein errichtete und die VVN-BdA hat die Kosten übernommen. Der Gedenkstein wurde von Käthe Wissmann entworfen und von dem Steinmetz Rüttershof aus Castrop-Rauxel geschaffen. Der obere Teil der Stele aus Sandstein zeigt ein Dreieck, das an die Kennzeichnung der KZ-Häftlinge erinnern soll.
Die Inschrift: „Zum Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime“ Im Jahr 2010 wurde das Denkmal geschändet. Spuren sind noch heute zu sehen. As Wort „Nazi“ wurde offensichtlich von Faschisten mit einem Hammer malträtiert, weil diese Bande es nicht erträgt, wenn man ihnen ihre Mordtaten wie in einem Spiegel vorhält.
Erst 40 Jahre nach der Befreiung vom Nazi-Regime, 1985, begann sich mit der Rede des damaligen Bundespräsidenten Weizsäcker langsam im Bewusstsein in Deutschland durchzusetzen, dass der 8. Mai nicht als Tag der Niederlage, des Zusammenbruchs oder des Kriegsendes, sondern ein Tag der Befreiung war.
Aber der Prozess der Aufarbeitung der Naziverbrechen ist solange nicht beendet, wie es notwendig ist einzugestehen und zu enttabuisieren, das Menschen persönlich, oder die eigenen Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern – auch wenn sie keine unmittelbaren Verbrechen begangen haben – doch in der großen Mehrheit als Teil des mörderischen Räderwerks des Naziregimes widerstandslos funktionierten. Auch die Menschen die schwiegen um zu überleben, sind zu nennen. Bei allem Verständnis für alle die Angst hatten und sich eingeschüchtert wegduckten: Objektiv war es so, dass Ihr Schweigen die Tätern begünstigte und die Opfer alleine ließ. An dieser bitteren Wahrheit kommt man nicht vorbei und muss daraus Lehren für die Gegenwart ziehen.
Der Schoß war fruchtbar noch, aus dem das kroch und fruchtbar ist der Schoss noch heute. Mit dem Wort „das“, war 1933 die rassistische, terroristische und imperialistische Nazi-Diktatur gemeint, die die Interessen des Großkapitals mit den reaktionärsten politischen Kräften in Deutschland verknüpfte, den Zweiten Weltkrieg auslöste der die Profite der Großkonzerne in astronomische Höhen schraubte und das gewaltigste Menschheitsverbrechen, den Holocaust verursachte.
Wie geschichtsvergessen heute mit dem Tag der Befreiung umgegangen wird, konnte man zum Beispiel am 25. April erleben.
An diesem Tag fand in Torgau an der Elbe, just an der Stelle, wo sich sowjetische und amerikanische Soldaten auf der zerstörten Elbbrücke die Hände reichten, eine Gedenkveranstaltung statt, zu der der Vertreter des Nachfolgestaates der Sowjetunion nicht eingeladen war und nicht sprechen durfte. Was immer man über den Krieg in der Ukraine denkt, den die russische Führung zu verantworten hat: Der Umgang mit dem Vertreter Russlands an diesem Tag, an diesem Ort, das ist eine Schande für Deutschland. Keine Nation entrichtete für die Befreiung Europas vom deutschen Faschismus auch nur entfernt den Blutzoll wie die die Menschen der Sowjetunion. Etwa 27 Millionen Bürger dieses Landes fanden den Tod. Allein im damaligen Leningrad, heute wieder St. Petersburg, starben mehr Menschen als Großbritannien und die USA zusammen während des gesamten Krieges auf den Kriegsschauplätzen als Soldaten verloren haben. Ich schäme mich vor den russischen Toten, ihren Familien und nachkommenden Generationen. Diese Ungeheuerlichkeit gegenüber Russland drückt nicht nur aus, dass offensichtlich aus Sicht unserer führenden Politiker:innen vergessen werden soll, was wir diesen sowjetischen Soldatinnen und Soldaten in den Jahren von 1941 bis 1945 zu verdanken haben. Diese Ungeheuerlichkeit ist in meinen Augen auch ein untrügliches Zeichen für die psychologische Kriegsvorbereitung der Bevölkerung gegenüber Russland.
Der besagte noch fruchtbare Schoß, aus dem der Faschismus kroch, hat heute neue Gesichter. Dazu nur ein Beispiel zum Abschluss:
Douglas Rushkoff, Professor für Medientheorie in New-York, berichtete 2022 über einen Meinungsaustausch mit fünf anonymen Milliardären, die ihn als Experten eingeladen hatten, und konstatierte, dass keiner von ihnen ein Interesse an der Abwendung von Krieg, Armut, Klimakollaps und Zerstörung demokratischer Werte hat.
Im Gegenteil: Das perverse Denken und Handeln der Tech-Milliardäre und Oligarchen von Schlage Musk, Thiel und Zuckerberg verachten die großartige menschliche Fähigkeit zur Empathie, zur Solidarität, Güte und Friedfertigkeit, und bezeichnen diese großartigen menschlichen Eigenschaften als Schwäche, die ihnen auf dem Weg zur Weltherrschaft entgegen stehen. Diese narzisstischen Oligarchen beginnen längst mit der radikalen Umgestaltung der Gesellschaft in ihrem Sinn und halten, bzw. puschen nicht nur in den USA, sondern Weltweit, ihre Marionetten und Lakaien in der Politik, so auch die AfD. Wenn auch nicht 1:1, sondern in perfidem, höchst raffiniertem, hochmanipulativem geotechnologischem Gewand, droht heute die Widergeburt des Faschismus in Gestalt eine Plutokratie selbsternannter Über- und Herrenmenschen, denen Menschenrechte und Demokratie einen Dreck wert sind.
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln bleibt unser Ziel, heißt es im Schwur von Buchenwald. Gerade, wo heute, wo Rassismus und Nationalismus, Rüstungswahn und Kriegsvorbereitung, Neoliberalismus und Klimafolgenleugner drohen die Oberhand zu gewinnen. Für Solidarität und Demokratie, für Menschlichkeit und Würde, für Frieden und Respekt vor allem, was lebt. Widerstand ist jetzt!
Es heißt aufstehen, bevor es zu spät ist. Wer schweigt, macht sich letztlich mitschuldig, wenn Unmenschlichkeit und Unrecht siegt. Kofi Aman brachte es auf den Punkt: Er sagte: „Alles, was das Böse braucht, um zu triumphieren, ist das Schweigen der Mehrheit.“
Der Tabubruch der Unionsparteien, im Bundestag auf die AfD zu setzen, war ein Weckruf, der einer gewaltige Demonstrationswelle zum Schutz der ehedem bereits unterminierten demokratischer Rechte und humanistischen Werte ausgelöst hatte. Wir sind es den Opfern der Faschisten schuldig dafür Sorge zu tragen, dass diese Zuversicht erzeugende Bewegung nicht abebbt.
Für Frieden, für die Umwelt, für soziale Sicherung und für die unverhandelbaren Menschenrechte!
Für ein Verbot der AfD! Nach der Vorlage des Gutachtens des Verfassungsschutzes über die Klärung der Verfassungswidrigkeit der AfD, gibt es keinen Grund mehr für die Bundestagsmehrheit, den Verbotsantrag nun endlich auf den Weg zu bringen.
Nie wieder Faschismus und Diktatur, nie wieder Krieg!
Schluss mit der Kriegsrhetorik und dem Aufrüstungswahnsinn!
Dem fühlen wir uns im Gedenken an diese hier bestatteten Bochumer Widerstandskämpfer verpflichtet, gemeinsam im Bündnis gegen Rechts, mit den Gewerkschaften, der Antifa, den Omas gegen Rechts, um stellvertretend hier die wichtigsten Protagonist*innen würdigend zu nennen, die gegen Nazis in unserer Stadt kontinuierlich aktiv und sichtbar Widerstand leisten.
Werner Meyer-Deters
VVN-BdA Bochum