Am 25.01. hat der dritte Rat von unten im Bahnhof Langendreer getagt, mit 80 Teilnehmenden. Hier ein kurzer Bericht der Organisator.innen, für alle die nicht dabei sein konnten, oder sich der gemeinsamen Diskussion & Zeit erinnern wollen, um Kraft zu tanken. Uns gegenseitig Kraft zu geben und gemeinsam große Netzwerke aufbauen, ist wichtiger denn je in diesen Zeiten. Im Bericht gibt es eine Kurzfassung der gehaltenen Reden, die vollständigen Reden sind verlinkt. Der dritte Rat stand unter dem Thema Demokratie und Kommunalwahl 2025 und ist in Zusammenarbeit mit dem Koordinierungskreis der Strategiewerkstatt ,,Kaffee auf“ entstanden. Im September diesen Jahres stehen die Kommunalwahlen an. Wir glauben, dass wir uns als demokratische Kräfte besser organisieren müssen, um gemeinsam unsere Ideen auf lokaler Ebene umzusetzen. Dafür brauchen wir Raum um unsere Visionen von Zusammenleben in dieser Stadt zu entwickeln und Raum um uns strategisch auszutauschen und konkrete Schritte gemeinsam zu planen. Beides hat auf diesem Rat seinen Raum gefunden.
Für ein demokratisches Bochum
In der Eröffnungsrede der Initiative Demokratischer Konföderalismus wurde die große Vision gezeichnet: ,,Wir träumen, und träumen muss in der politischen Praxis auf jeden Fall erlaubt sein, von einem Bochum was es schafft sich selbst zu verwalten.“ Ein Bochum, in dem die Menschen ihren Problemen nicht vereinzelt gegenüberstehen, sondern sich zusammenschließen in ihren Vierteln, Straßen und Wohnblocks, um sich gemeinsam ihrer Probleme anzunehmen und kollektive Lösungen dafür zu suchen. Selbstverwaltete Stadtteiltreffs gegen die Einsamkeit, wo gemeinsam gekocht wird, damit alle gutes Essen bekommen und wo gleichzeitig die Enteignung von großen Wohnungskonzernen geplant werden kann, die uns das Mietleben zur Hölle machen. Und auf dem Rat von unten kommen wir zusammen und teilen unsere Erfahrungen, beraten uns gegenseitig und suchen nach Antworten für größere Probleme, die wir im Stadtteil nicht lösen können. Und durch Druck auf den Stadtrat können unseren Visionen neue Wege und Freiräume eröffnet werden, nicht um ihre ,,Demokratie“ zu schützen, sondern um unsere aufzubauen. Die Begrüßungsworte vom Koordinierungskreis der Sttrategiewerkstatt haben die Notwendigkeit unterstrichen eine gemeinsame Strategie für die Kommunalwahl zu entwickeln und sich gegen eine Stadt gestellt, die an den Anliegen ihrer Bewohner:innen vorbei verwaltet und die demokratischen Impulse aus der Gesellschaft immer wieder an den bürokratischen Mauern abprallen lässt.
Das Redeskript der Begrüßungsrede
Opposition und Anpassung – der Weg der Grünen
In dem anschließenden Beitrag zur Geschichte wurden die Gefahren und Risiken des Parlamentarismus am Beispiel der Grünen beleuchtet. Wir sollten uns der Geschichte emanzipatorischer Kämpfe erinnern, auch um aus den Fehlern für unsere Zukunft zu lernen. Eine kleine Anekdote aus der Rede: ,,Anfang der 1980er Jahre habe ich mich in einem sehr offenen Gespräch mit dem Kultursekretär der DDR-Jugendorganisation FDJ zu der Behauptung verstiegen: Ihr steckt eure Opposition in den Knast und macht sie zu noch größeren Systemhassern. Im Westen wird die Opposition ins Parlament gesteckt und angepasst. Diese Form, Opposition auszuschalten, funktioniert erfolgreicher. Ich konnte damals nicht ahnen, wie perfekt in den folgenden Jahren in der Grünen Partei diverse K-GrüpplerInnen zu StaatssekretärInnen, Minister;innen oder zum Ministerpräsidenten von Baden Württemberg aufsteigen würden.“ Die Grünen sind in den 80ern mit visionären Zielen angetreten wie der Auflösung der NATO, einem Abkehr von der Wachstumsideologie und einem Paket von Maßnahmen für eine basisdemokratische Struktur, welches ironischerweise als erstes gekippt wurde. Die Abwehr von politischer Opposition funktioniert nicht nur über Repressionen, wie sie sich gerade gegen Antifaschist:innen richten, sondern auch durch Lob und Belohnung und die Anpassung an herrschaftliche Strukturen. Das Redeskript.
Demokratische Gesellschaft denken
Was meinen wir eigentlich, wenn wir von wirklicher Demokratie sprechen, die wir dem entgegensetzen können? Dieser Frage wurde in der Rede zur aktuellen demokratischen Lage nachgegangen. Das parlamentarische System lädt uns dazu ein, Verantwortung abzugeben und unser Leben nicht selbst zu gestalten. Politik & Demokratie werden als reine Formalität betrachtet: alle vier Jahre ein Kreuz machen, alles weitere wird dann in Parlamenten und Ausschüssen geregelt. Oder viel mehr gar nicht geregelt, stattdessen muss dann der Sündenbock Migration für gesellschaftliche Ängste und Probleme hinhalten. Denn der Staat vertritt nicht die Interessen der Gesellschaft, sondern überwiegend Machtinteressen. Daher braucht es eine radikale Kritik am Staat. Unsere gesellschaftlichen Interessen können nicht andere für uns vertreten, deswegen ist eine wirkliche Demokratie, eine direkte Demokratie, in der jede Person Politiker:in ist. Alle sind Teil des Aushandlungsprozess, wie wir zusammenleben wollen und wie wir unsere gemeinsamen Entscheidungen umsetzen. Wir schlagen die Organisierung in Räten vor, in denen wir alle zu Politiker:innen für unsere Belange werden. Demokratie ist jedoch nicht nur eine Frage von Strukturen & Formalia, sondern auch eine Frage von Persönlichkeiten und Lebensweisen. ,,Es wird nie formelle Strukturen geben, seien sie noch so demokratisch, die vor Machtmissbrauch schützen. Daher gehören zu einer wirklichen Demokratie auch demokratische Persönlichkeiten, die ihr Handeln in den Dienst der Unterdrückten, Ausgebeuteten und Benachteiligten stellen und nicht nur den eigenen Vorteil suchen.“
Im Saal verteilt standen vier Mikrophone, unsere Speakerscorners. Darüber konnten alle Beiträge ergänzt werden und sorgte für einen lebendigen Austausch im großen Saal. Das Script der Rede.
Vernetzen, Planen und große Fragen – die Diskussion an den Thementischen
Im zweiten Teil des Rats ging es an sechs Thementischen weiter, Visionen wurden geteilt und diskutiert, konkrete Projekte strategisch diskutiert und geplant. Der Bezug zur Kommunalwahl war dabei mal mehr mal weniger vorhanden. Am meisten am Thementisch vom Ko-Kreis der Strategiewerkstatt, wo ein Aufschlag für eine außerparlamentarische Strategie zur Kommunalwahl 2025 diskutiert und entworfen wurde. Um dem Agenda-Setting durch die Parteien im Rathaus die Ideen und Forderungen aus der Stadtgesellschaft entgegenzusetzen. Und wie kann das gehen? Anhand der Themen aus der Zivilgesellschaft soll eine gemeinsame Kampagne entstehen, die in den Monaten vor der Kommunalwahl anläuft. Dort wollen wir unter dem gemeinsamen Dach der Kampagne diskutieren und Aktionen machen, die unsere Vorstellung von Zusammenleben in dieser Stadt deutlich machen. Ob für bezahlbaren Wohnraum, eine klimagerechte Stadt oder sozialer und gesundheitlicher Infrastruktur oder gegen patriarchale Gewalt. Weitere Infos über die Kampagne werden folgen. Wer direkt Interesse hat mitzuplanen und mitzumachen kann sich bei Stadt für alle oder dem Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung melden. Auch im Laufe des Jahres lebt die Kampagne von den demokratischen Kräften, die sich der Kampagne verbunden fühlen und ihre Themen und Perspektiven einbringen. (Für eine Vertiefung, siehe auch: https://www.bo-alternativ.de/2025/01/27/bochum-braucht-bewegung/)
Die Nutzung von Räumen in der Innenstadt war ein großes Thema auf dem Rat. Am Thementisch zum Haus des Wissens gab es eine intensive Diskussion. Zuerst wurde die Idee skizziert, das Haus des Wissens für die Bewegung nutzbar zu machen. Schließlich ist es eines für die Bewohner:innen Bochums und finanziert von unseren Steuergeldern und es fehlt bislang ein Konzeptteil, der Bezug zur Bürgerschaft und zur Innenstadt ausweist. Im Erdgeschoss ist eine Markthalle geplant, obwohl in der Innenstadt schon reichlich Läden leerstehen. Aber es könnte eine andere Nutzungen geben: ein kultureller, sozialer und offener Raum. Als Treffpunkt für ein »bewegtes« Bochum. Wichtig wäre es, ein offenes, phantasiereiches Konzept dafür zu entwickeln und zu propagieren. Das HdW als Drehscheibe und Katalysator für unsere»Bochum-Strategie«. Als Platz für die Utopie. Erforderlich dazu sind standfeste und bunte Leute, die Bock haben und einen langen Atem. Wir arbeiten dran. (Wenn du dich angesprochen fühlst, melde dich bei bochum@i-dk.org, wir leiten dich weiter).
Zusätzlich wurde am Thementisch unter dem etwas sperrigen Titel „demokratische und sozialökologische Transformation der Stadt am Beispiel BVZ“ über die Nachnutzung des zum Abriss vorgesehenen BVZ diskutiert. Der konkrete Raum als Möglichkeit und Kristalisationspunkt um ,,große“ Themen wie Ökologie, Demokratie, soziale Infrastruktur, Gemeinwohlorientierung oder Geschlechtergerechtigkeit, in Form von Forderungen und positiven Vorschlägen zu konkretisieren, um sie im Rahmen der Kommunalwahl sichtbar und greifbar zu machen. Der Vorschlag, die Nachnutzung des BVZ zu einem Kristalisationspunkt zu machen, wurde am Thementisch grundsätzlich als sehr sinnvoll bewertet. Die Ergebnisse der Diskussion waren eine strategische Reduzierung der umfangreichen Themen und ein Fokus auf soziale Infrastruktur, soziales Wohnen und Klima und Umwelt. Auch Ideen zum „Wie“ wurden entwickelt, zum Beispiel durch künstlerisch-kommunikative Aktionen und Zusammenarbeit mit Umweltgruppen und Bürgerinitiativen. Stadt für alle führt die Diskussion über das BVZ fort, bei Interesse gerne dort melden.
Beim Thementisch der feministischen Allianz wurde die aktuelle politische Lage und der Umgang damit aus feministischer Perspektive diskutiert. Dabei sind vier Thesen entstanden:
1. Ein vermeintliches Verständnis für feministische Themen sorgt nicht für eine grundlegende Veränderung. Unsere Themen werden vereinnahmt und/oder totgeschwiegen.
2. Unsere feministischen Errungenschaften sind in Gefahr. Auf den Staat können wir uns für den Schutz (z.B. unserer Frauenhäuser) nicht verlassen.
3. Feminismus muss in die Masse und das heißt auch in die Masse der cis-Männer. Feminismus geht alle an und muss in persönlichen Gesprächen genauso wie auf der Straße verteidigt werden.
4. Wir werden uns wieder mehr selbst organisieren müssen.
Konkret bedeutet das die schnelle Kommunikation über Signal bei rechtem Druck und Gewalt. In Bezug auf Schutz vor häuslicher Gewalt können wir vom Konzept der Bochumer Bürger:innenasyl Gruppe lernen (dezentrale Unterbringung von Betroffenen, Koordination durch zentrale Stelle). Das nächste Treffen der Feministischen Allianz Bochum findet am 1.03.25 um 19 Uhr im Rahmen des FLINTA only Abends in der Oval Office Bar statt. Die Kampagne zur Kommunalwahl wäre (nach den feministischen Aktionswochen) eine Möglichkeit Perspektiven für eine feministische Stadt zu entwickeln und in die Stadt zu tragen.
Am Thementisch Demokratische Arbeitskämpfe wurde die Arbeit der Freien Arbeiter:innen Union (FAU) vorgestellt und die demokratische Organisierung am Arbeitsplatz und von Arbeit diskutiert. Große Fragen bei der visionären Suche nach einer demokratischen Gesellschaft. Dazu gibt es hier vier Gedanken und strategische Impulse aus der Diskussion:
1. Wir verbringen einen großen Teil unseres Lebens mit Lohnarbeit. Die Probleme, die wir dort erfahren, insbesondere die Ausbeutung, sind sehr konkret und gefühlt eine Einzelerfahrung.
2. Wir wollen von der Einzelerfahrung zu kollektivem Handeln gelangen: „Wenn du ein Problem hast, dann haben das sicherlich auch noch andere.“
3. Die FAU führt Arbeitskämpfe zusammen mit Einzelpersonen und ganzen Belegschaften, und baut durch Kollektivbetriebe schon erste Erfahrungen für eine demokratische Form der Lohnarbeit bis zu deren Überwindung auf.
4. Zudem versuchen wir uns
auch mit Stadtteilgewerkschaften zu vernetzen, weil Lohnarbeit, Wohnen und Konsum direkt miteinander verbunden sind.
Ein Weg für die Suche nach einer demokratischen Gesellschaft wurde am Thementisch der Initiative Demokratischer Konföderalismus diskutiert. Das Gedankengebäude der Demokratischen Autonomie also gesellschaftlicher Selbstverwaltung getragen durch Basisorganisierungen (in Nachbarschaften), einem Rat der demokratischen Kräfte (wie Bürgerinitiativen, Gewerkschaften) und einem parlamentarischen Arm, der sich verpflichtet mehr Freiräume für die gesellschaftliche Selbstverwaltung durchzusetzen. In der kurzen Zeit konnten wir nur wenige Schritte auf dem langen Weg diskutieren und hoffen die Diskussion mit allen Interessierten an anderer Stelle fortzusetzen.
Auch hier drei Impulse aus der gemeinsamen Diskussion:
1. Die demokratische Organisierung beginnt in persönlichen Freund:innenschaften, in der Familie, zu Nachbarschaftsorganisierung bis zu einem Rat, der die Belange der Gesellschaft in der Stadt vertritt. Die Grundlage sind starke demokratische Persönlichkeiten.
2. Es braucht gemeinsame Werte, die die Grundlage dieser Persönlichkeiten und einer gesellschaftlichen Selbstorganisierung sind.
3. Es gibt noch viele demokratische Kräfte, die eine gesellschaftliche Bedeutung haben, mit denen wir eine Zusammenarbeit aufbauen können.
Zum Abschluss in großer Runde war ein Gefühl des gemeinsamen Aufbruchs spürbar: es wurden wohlgemeinte Kritiken und persönliche Perspektiven auf den Rat geteilt. In gesellschaftlichen Zeiten der Vereinzelung und der Hoffnungslosigkeit, wurde der Rat als hoffnungs- und kraftgebend empfunden. Nach vielen Diskussionen und Begegnungen haben wir den Rat mit unsrem liebsten Lied abgeschlossen. Denn Reibung erzeugt Wärme und wir leben in einer bitterkalten Zeit, dass wir uns reiben zeigt, wir sind zum Erfrieren noch nicht bereit!
Der nächste Rat findet am 26.04.25 von 14.00-18.00 Uhr statt, haltet euch den Termin frei, achtet auf unsere Ankündigungen und seid zärtlich miteinander!