Sonntag 17.09.23, 00:10 Uhr

50 Jahre Ruhr International Festival 8


Ruhr International wird nächstes Jahr am 25. und 26. Mai bei freiem Eintritt an und in der Jahrhunderthalle Bochum stattfinden. Die Veranstalter weisen darauf hin, dass 2024 ein Jubiläumsjahr für das Festival ist: »Vor 50 Jahren hat sich das Musikfestival Kemnade International gegründet, eines der wichtigsten Kulturveranstaltungen zu kultureller Vielfalt im Ruhrgebiet und zudem das Vorgängerfestival, aus dem heraus sich schließlich auch Ruhr International entwickelt hat. Zu diesem Anlass rufen mehrere Bochumer Kultureinrichtungen zum Sammeln von Materialien, Erinnerungsstücken und Erinnerungen zu Kemnade International auf.

Wir möchten das 50-jährige Jubiläum der Festivalgründung zum Anlass nehmen, die bisher nur lückenhaft gesicherten Materialien von der ersten Veranstaltung bis heute zu sammeln, zu dokumentieren und nach Möglichkeit langfristig im Stadtarchiv aufzunehmen, um sie als wichtige Zeitzeugnisse Bochumer Geschichte zu erhalten.
Der Aufruf richtet sich vor allem an Besucher:innen, teilnehmende Künstler:innen, Musiker:innen, Bands, Autor:innen, Aktivist:innen und Migrantenselbstorganisationen, insbesondere mit der Absicht, die Perspektive von Migrant:innen auf die Geschichte des Festivals ins Zentrum zu stellen. Und da ein vielsprachiges Festival auch vielsprachig erinnert werden soll, sind Materialien in allen Sprachen willkommen.

Konkret suchen wir:

  • Drucksachen. Flugblätter, Presseartikel, Programme, Plakate, Notizen, etc..
  • Weitere Medien: Fotos, Filme oder Audioaufnahmen, die auf dem Festival festgehalten wurden
  • Geschichten: Wir sind auch daran interessiert, mit Menschen zu sprechen, die uns Anekdoten über ihre Erfahrungen auf dem Festival erzählen möchten. Hierfür wird ein Gesprächstermin vereinbart.

Die Materialsammlung wird bis November 2023 im Bochumer Stadtarchiv stattfinden. Wenn ihr Materialien habt, wendet euch bitte direkt an: Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte / Wittener Str. 47 / 44777 Bochum / Telefonnummer: 0234 910-9511 / E-Mail Adresse: stadtarchiv@bochum.de

Der Aufruf ist ein Kooperationsprojekt von: Bahnhof Langendreer Bochum Kulturzentrum (mit dem Festival Team von Ruhr International), IFAK e.V. (Projekt „Bochum – Stadt der Vielen”), Kunstmuseum Bochum sowie Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte.«


8 Gedanken zu “50 Jahre Ruhr International Festival

  • Heiko Koch

    Nope, ich habe „Kemnade International“ seit dem ersten Mal miterlebt und war bis in die 80er Jahre steter Besucher dieses Festivals.
    Sein Charakter, sein Flair, die soziale und politische Haltung seiner MacherInnen und aktiven MitgestalterInnen waren etwas grundsätzlich Anderes als das was heute das „Ruhr International Festival“ darstellt. Mag sein, das sich heute Leute gerne im Geiste der 70er Jahre sonnen wollen, die Geschichte für sich okkupieren und verwerten wollen – aber den anti-bürgerlichen, antirassistischen, antikapitalistischen und internationalistischen Geist dieser Jahre kommt das heute durchgestylte, marktgerechte und bourgeoiese Happening in keiner Weise gleich. Es stellt heute ein marktorientierten Vergnügungspark ohne gesellschaftskritischen Gehalt und Utopie dar.

    • Flair

      Na ja. Kemnade International war doch mehr und mehr (von Anfang an?) ein Volklorefest. Das hat Ruhr International erfolgreich erweitert. Um internationale und auch politische Beiträge. Mehr davon!

      • Heiko Koch

        Welch absurde Behauptung. Ein Freund meines Vaters aus dem Museum Bochum inszenierte damals das erste (die ersten?) Festivals auf der Wasserburg Kemnade. Dort waren u.a. die portugiesischen, spanischen, griechischen, albanischen, türkischen und kurdischen ArbeiterInnenvereine vertreten, die mit ihren Kulturvereinen Musik und Darbietungen brachten, Essen und politische Informationsmaterialien anboten. Zudem kamen die MigrantInnen aus Chile, Mexiko und diversen anderen lateinamerikanischen Ländern (Argentinien, El Salvador, etc.p.p.), die das Programm mitgestalteten und ihre Migrationsgeschichte und vor allem politischen Background mit einfließen ließen.

        Nur zur Information:
        – Am 25. April 1974 fand die Nelkenrevolution in Portugal gegen die dortige Diktatur statt.
        Viele portugiesische ArbeiterInnen in Deutschland waren erklärte AntifaschistInnen und neben ihren wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu migrieren, stand die Motivation sich dem Terror des Regimes zu entziehen..
        – Erst am 20.11.1975 starb der Diktator Generalissimo Franco und die Diktatur, die in Spanien seit dem Ende des Bürgerkrieges 1939 herrschte, fand ihr formales Ende. Viele SpanierInnen in Deutschland positionierten sich gegen Franko und selbst sozialdemokratische Vereinigungen unterstützten diese Exilanten und den Widerstand in Spanien gegen die Diktatur.
        – Im Juli 1974 stürzte das Regime der Obristen nach 8 Jahren Diktatur in Griechenland. Ich kann mich gut an die Konzerte Mikis Theodorakis in Bochum erinnern und wie auch auf Kemnade die antifaschistischen GriechInnen präsent waren.
        – Am 2. Oktober 1968 ließ die mexikanische Regierung die StudentInnen auf dem Tlatelolco zusammenschießen. Die mexikanischen MusikerInnen riefen bei „Kemnade International“ zur Revolution auf.
        – Am 11. September 1973 putschte das chilenische Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Salvador Allende und installierte eine der blutigsten Militärdiktaturen Lateinamerikas. Es gab auf „Kemnade International“ immer Stände der Exil-ChilenInnen, die informierten und die auftretenden Bands waren 100% gegen die Diktatur Pinochets. Viele BesucherInnen kannten die Oppositionslieder und sangen sie mit. Das galt auch bei fast allen anderen Bands aus der Türkei, Griechenland, Portugal, usw. usf.. Hier seien die Lieder von Viktor Jara (https://www.youtube.com/watch?v=uj-3mpjDC8M) genannt, Quilapayún (https://www.youtube.com/watch?v=Krk3lgpuC7w) oder, José Afonso (https://www.youtube.com/watch?v=NGfZiHmuuPU) genannt
        Die linken ArbeiterInnenvereine bestärkten sich oft gegenseitig auf dem Fest, feierten miteinander und feuerten sich an, waren stark kämpferisch ausgerichtet.
        In den ersten Jahren wurde auch immer gnadenlos überzogen. Fand eine Band Anklang beim Publikum so spielte sie so lange, wie es ihr die folgende Band erlaubte. Der Zeitplan wurde nach hinten hinausgeschoben. Es ging nach dem Flow zwischen dem Publikum und den InterpretInnen, nicht nach Plänen des Event-Managers.
        Die Preise für das Essen waren mehr als fair. Zwar finanzierten sich die Vereine auch über das Essen. Aber die Männer und Frauen hinter den Ständen waren Werktags MalocherInnen, die wussten was das Essen wert war und was ein fairer Preis ist. Überteuert wurde das Essen erst nach Jahren, als „Kemnade International“ sich etabliert hatte und in der Event- und Kommerzkultur verregelt wurde.

        Du schreibst von Folklore? Ja, Mikis Theodorakis hat sich an traditioneller griechischen Musik orientiert, auch Inti Illimani, Viktor Jara, José Afonso und viele mehr. Aber war das inhaltslose Folklore wie z.B. der deutsche Schlager. Wohl kaum. Musiktheoretisch könnten Dir da sicherlich noch andere Leute viel Besseres als ich dazu sagen.

        Ich bin über die hier geäußerte historische Ungebildetheit und Desinteresse nicht erstaunt. Gehört es doch zur derzeitigen „guten Ton“ sich links gerierender Gruppen sich jeglicher progressiver Widerstandsgeschichte und Gedenkkultur wie im Supermarkt zu bedienen. Dabei geht es nur um die Verpackung, die einem gefällt und einem Gewinn verspricht. Es wird im neoliberalen Sinne Beute gemacht. Inhalte interessieren nicht oder sie werden respekt- und würdelos umgehend in den Müll gekippt. Dieses Verhältnis weist weder persönliche Integrität und Authentizität, noch linke Identität auf.

        What a shame!

        • Der Kampf ist für immer

          Neoliberale Erfolgskriterien

          „In der mexikanischen Tradition gibt es nur eine Konstante – die Ewigkeit. Ich bin seit 1966 ein politischer Aktivist. Manchmal sagen mir Leute, ob es nicht an der Zeit für mich ist, mit dem Kämpfen aufzuhören. Aber ich habe einen Pakt mit der Ewigkeit geschlossen ebenso wie viele weitere tausend Aktivisten. Auch wenn wir Zeiten der Traurigkeit, der Langeweile und der Erschöpfung erleben – der Kampf ist für immer. Wenn ich nach Europa komme, überrascht mich immer wieder, wie schnell Menschen ihr politisches Engagement aufgeben. Habt ihr nur einen Pakt für fünf Jahre abgeschlossen? Und wenn sich dann nichts geändert hat, gebt ihr euer Mitgliedshemd ab und verlangt das Geld zurück, das euch diese Aktivitäten gekostet haben? Messt ihr euren politischen Einsatz nach neoliberalen Erfolgskriterien? …

          Ich habe ein schönes Hemd, auf dem steht: Geboren, um zu verlieren. Und auf der anderen Seite: Aber nicht, um zu verhandeln.“

          Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II über mexikanische Widersprüche und linke Sturheit – medico international

          https://www.medico.de/mein-pakt-mit-der-ewigkeit-13873

          • Heiko Koch

            Was soll diese Häme? Hier wird von „Volklore“ geschrieben und von „Kinder in Trachten“, als ob der Bezug auf traditionelle Musik etwas völkisch-nationalistisches sei. Dann wäre auch der Hitler-Attentäter Hans Georg Elser, der im Trachtenkostüm in solchen Bands gespielt hat ein Faschist gewesen.
            Was mit all den vielen latein-amerikanischen oder indigenen Bands, die als Ausdruck anti-kolonialistischer und anti-rassistischer Politik ihre traditionelle, teils verbotene Musik spielen, Trachten tragen, Sprache sprechen, Götter anbeten? Alles rechter Mist?
            Dieses pseudo-intellektulle, arrogante Gehabe von Metropolen BürgerInnen, die kein Interesse und kein Wissen über die Welt haben ist so ignorant, wie stumpf!

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