Samstag 03.06.23, 10:08 Uhr

Demnächst im Schauspielhaus


Das Bochumer Schauspielhaus hat in dieser Woche sein Spielzeitbuch zur nächsten Saison veröffentlicht und ausführlich über die Spielzeit 2023/24 informiert: »Eröffnet wird die Spielzeit am 1. September 2023 in den Kammerspielen mit der deutschen Erstaufführung des Stücks Früchte der Vernunft der finnischen Regisseurin und Autorin Saara Turunen. Nach ihrer begeistert aufgenommenen Inszenierung „Das Gespenst der Normalität“ kehrt die vielfach ausgezeichnete Theatermacherin zurück an die Königsallee, um mit surreal aufgeladenen Bildern und feiner Komik vom weiblichen Körper zu erzählen, von gesellschaftlichen Erwartungen an ihn sowie von seiner Schönheit und Kraft. 

Am 2. September 2023 folgt im Schauspielhaus Robert Borgmanns Inszenierung Dantons Tod. Eine theatrale Installation nach Georg Büchner. Ausgehend vom Stück über die letzten Tage des Revolutionsführers Danton erforschen Borgmann und eine junge Generation von Spieler*innen Utopien und den Verrat an ihnen, befragen unseren westlichen Wertekanon und durchstöbern das Repertoire revolutionärer Gesten. Auf der Bühne eröffnet sich ein Labyrinth von Stimmen, Behauptungen und Widersprüchen, dazwischen: der Autor selbst.

Komplettiert wird das Eröffnungswochenende mit der Premiere von Freaks nach dem Roman von Joey Goebel am 3. September 2023 im Oval Office. Der junge Regisseur Luis Liun Koch schließt mit dieser Inszenierung sein Regiestudium an der Folkwang-Universität der Künste ab. Im Zentrum stehen fünf skurrile Außenseiter*innen, die abseits des Durchschnitts überleben, indem sie eine Band gründen. Eine Hommage an empfindsame Verrückte und abgewiesene Träumende, gespielt von Schauspielstudierenden.

Auf dem schmalen Grat zwischen Himmel und Hölle, Leben und Traum, Liebe und Hass wandeln die Zuschauer*innen gemeinsam mit den Spieler*innen ab dem 14. Oktober 2023, wenn Johan Simons Fjodor M. Dostojewskijs über 1000-seitigen Roman Die Brüder Karamasow auf die Bühne(n) bringt. In der epochalen Kriminalgeschichte rund um den Mord am Vater der Brüder werden die großen Fragen verhandelt: Was Gott bedeutet, was die Freiheit des Menschen, wie wir unseren Kindern gegenüber handeln und wie herauszufinden ist, worin für jede*n einzelne*n von uns der Sinn des Lebens steckt. Der mehrstündige Abend wird sowohl im Schauspielhaus als auch in den Kammerspielen stattfinden und das Publikum mit sich ziehen, quer durch das Innere des Theaters.

Johan Simons: „In der nächsten Spielzeit wollen wir da weitermachen, wo wir in dieser Saison aufgehört haben: Hautnah am Publikum sein. Ganz unterschiedliche Geschichten erzählen und Fragen stellen. Fantastische Schauspielerinnen und Schauspieler sich um Leib und Seele spielen lassen. Wichtiger Teil der Stadt Bochum sein und uns alle zugleich als Teil einer ganzen Welt begreifen. Angesichts der Vielzahl von existenziellen Krisen kann man den Eindruck gewinnen, die Menschheit liefe mit Höchstgeschwindigkeit auf eine Wand zu. Wie viele Meter verbleiben noch? Und was tun wir auf dieser Strecke? Welche Möglichkeiten und Chancen bietet der vor uns liegende Raum? Wie kann er uns künstlerisch inspirieren? Das sind Fragen, die mich enorm umtreiben, und die wir mit unserem Programm stellen wollen.“

Angela Obst: „Unsere Gesellschaft steckt in einem Umbruch – und das Theater tut es auch. Gewisse bisherige Selbstverständlichkeiten haben sich aufgelöst, und was kommt, ist nicht ausgemacht. Unser Eindruck ist, dass wir alle im Moment sehr darum ringen, wie es auf diesem Planeten weitergehen kann, wie aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen ist, um eine Zukunft zu haben, an welche Werte wir uns halten wollen und welche wir verraten haben. Unsere Kunst will es sich nicht bequem machen – und verbinden, nicht spalten. Wir wollen existentiellen Fragen nachgehen, wir wollen uns verbünden, wir wollen trösten und Kraft spenden. Es sind keine einfachen Zeiten – und die besten, um Kunst zu machen.“

Auch das diesjährige Familienstück setzt sich mit den Veränderungen von Welt und Gesellschaft auseinander. Kate DiCamillos fantasievolle Geschichte Die wundersame Reise von Edward Tulane erzählt von einem Porzellanhasen, der seine Heimat und alles, was er kennt, verliert. Und der auf seiner abenteuerlichen und manchmal auch gefährlichen Reise lernt, wie wichtig es ist, geliebt zu werden – und zu lieben. Auf die Bühne gebracht wird die Erzählung von Regisseurin Liesbeth Coltof, die mit „Die unendliche Geschichte“ und „Hoffen und Sehnen / Umut ve Özlem / Nadzieja i tęsknota“ in Bochum schon Tausende Kinder und Erwachsene begeistert hat. Premiere ist am 25. November 2023 im Schauspielhaus.

Cathrin Rose: „Die Geschichte von Edward Tulane ist eine echte Entdeckung! Sie erinnert an Pinocchio, der ebenso auf einer abenteurlichen Reise begreifen lernt, wie wichtig Liebe und Familie ist.“

Wieviel Eskapismus verträgt eine Gesellschaft, die hemmungslos nach jedem Strohhalm greift, um zu vergessen, dass sie sterblich ist? Dieser Überlegung geht Mateusz Staniak in seiner Inszenierung Don Juan. Am Ende aller Tage nach, die am 1. Dezember 2023 Premiere in den Kammerspielen feiert. Der junge polnischstämmige Regisseur, der sich 2021 mit „Wer hat meinen Vater umgebracht?“ dem Bochumer Publikum vorstellte, wird Molières Klassiker in das Setting einer heutigen Clubatmosphäre stellen und in der lustvollen, auch selbstzerstörerischen Bejahung des Heute Fragen nach dem Morgen stellen.

Die Geschwister Imre und Marne van Opstal machen mit choreografischen Arbeiten zwischen Tanz, Theater, Performance und bildender Kunst seit geraumer Zeit die Bühnen Europas aufregend unsicher. Ihre Arbeiten sind bildreich, vital und vielschichtig, ihre Tanzsprache ist originell, theatral und unverblümt. Am Schauspielhaus Bochum betreten sie neues Terrain: In Out of Touch lassen sie Tänzer*innen und Schauspieler*innen zusammentreffen, um gemeinsam einen Text zu erobern, der die Kraft der Fantasie feiert. Premiere: 20. Januar 2024 im Schauspielhaus.

Der tragisch-legendäre Club 27, dem so berüchtigte Mitglieder wie Brian Jones, Janis Joplin, Jimi Hendrix, Jim Morrison, Kurt Cobain und Amy Winehouse angehören, lädt ab dem 2. Februar 2024 zur Vollversammlung in die Kammerspiele. Unter dem Titel Club 27 – Songs für die Ewigkeit garantieren Regisseur Guy Clemens und Musiker Stefan „Pele“ Götzer einen Abend, an dem kein explosives Lebensgefühl und kein guter Song ausgelassen werden.

Der Regisseur Christopher Rüping hat in Bochum mit seinen Inszenierungen „Das neue Leben“, „Einfach das Ende der Welt“ und „Miranda Julys Der erste fiese Typ“ so zärtlich wie lustig wie klug von unseren Sehnsüchten, unseren Ängsten, unseren Bindungen und unserer Einsamkeit erzählt. Seine neue Inszenierung wird am 9. März 2024 im Schauspielhaus Premiere feiern.

Wie in der vergangenen Spielzeit wird es auch in der Saison 23/24 in den Kammerspielen eine Koproduktion mit der Folkwang Universität der Künste geben. Regie übernimmt Katharina Birch, die mit ihrer Inszenierung „Die Schöne und das Biest“ die Herzen vieler Zuschauer*innen eroberte. Premiere des Theaterabends, mit dem die zehn Schauspiel-Studierenden des dritten Jahrgangs einen großen Schritt in ihr Berufsleben gehen, ist am 16. März 2024.

Mit Eugène Ionescos Die kahle Sängerin wird 1950 das „Theaters des Absurden“ begründet, das der Sinnfreiheit der Welt durch grotesk-komische und irreale Szenen zu begegnen sucht. Dabei ist das Stück mehr als nur eine Parodie gesellschaftlicher Konventionen. Der scheinbare Unsinn bespielt den schmalen Grat der Logik, auf dem die Sprache wandelt. Johan Simons bringt die „Tragödie der Sprache“ ab dem 26. April 2024 auf die Bühne des Schauspielhauses.

Der Regisseur Ulrich Rasche, 1969 in Bochum geboren, verbindet in seinen vielfach ausgezeichneten Arbeiten Körper, Sprache und Musik zu einem chorischen Rhythmus und einer eindringlichen Ästhetik. Mit Arthur Schnitzlers Traumnovelle begibt er sich auf eine surreal-erotische Reise durchs Unterbewusstsein – voller skurriler Charaktere, unvollendeter Fantasien und verdrängter Sehnsüchte. Premiere ist am 18. Mai 2024 im Schauspielhaus.

Sie selbst nennt ihr Theater „verzaubertes Philosophieren“: Phänomene und Stoffe unserer Zeit zu erspüren, zu recherchieren und zu befragen, um sie dann – mit allen künstlerischen Mitteln – auf die Bühne zu bringen, das ist die Theater-Praxis der Autorin, Regisseurin und Musikerin Manuela Infante. Nach ihrer vielbeachteten Bochumer Inszenierung „Noise. Das Rauschen der Menge“ über akustische Phänomene politischer Unruhen feiert am 30. Mai 2024 in den Kammerspielen eine neue Arbeit der chilenischen Theatermacherin Premiere.

Der Musiker Till Brönner und die Choreografin Nicole Beutler begeben sich in einem Auftragswerk der Brost-Stiftung auf Spurensuche ins Ruhrgebiet, um sich der inneren Beschaffenheit der Region und ihrer Bewohner*innen zu nähern. Die Entdeckungen ihrer Streifzüge sind das Ausgangsmaterial ihrer ersten gemeinsamen Arbeit PULS (AT), die am 7. Juni 2024 Premiere im Schauspielhaus feiert.

Im Theaterrevier für Kinder und Jugendliche wird die neue Theatersaison am 10. September 2023 mit Der Struwwelpeter (für Menschen ab sechs Jahre) eröffnet. Regisseurin Katharina Birch wird die Erzählung von Heinrich Hoffmann 178 Jahre nach ihrer Veröffentlichung für alle inszenieren, die ermutigt werden müssen, Regeln zu hinterfragen – und gelegentlich zu brechen.

Die britische Theaterkompanie Theatre-Rites kreiert mit Regisseurin Sue Buckmaster magisches, visuelles Theater für Kinder und die Erwachsenen, die sie begleiten. Ihre Arbeit wird in Großbritannien und international präsentiert, unter anderem „Die unglaubliche Geschichte des kleinen Roboterjungen“ am Schauspielhaus Bochum. Die neue Koproduktion Es liegt was in der Luft mit dem Jungen Schauspielhaus verspricht, ein außergewöhnliches, witziges und vitalisierendes Erlebnis rund um das Element Luft zu werden. Premiere feiert das Stück für Menschen ab vier Jahren am 12. November 2023.

Die Jugendlichen der Drama Control machen sich zusammen mit Lennard Walter und Kat Heß auf die Suche nach den sozialen Komponenten von Druck. Es geht um den Druck, funktionieren zu müssen: in Leistungssystemen, der Familie, der eigenen Peergroup und in der Auswahl der neuesten Sneaker. Was passiert, wenn der Druck zu groß ist? Das Projekt DRuCK für Menschen ab zwölf Jahren feiert am 21. Januar 2024 Premiere im Theaterrevier und reist danach durch die Klassenzimmer von Bochumer Schulen.

Godswill Madu: „Wir haben schon angefangen mit der Arbeit an dem Stück. Denn hier werden unsere Geschichten im Mittelpunkt stehen.“

Weiterhin im Programm bleiben zahlreiche beliebte Stücke aus dem Repertoire, etwa die beiden in diesem Jahr zum Berliner Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen Der Bus nach Dachau der niederländischen Performancegruppe De Warme Winkel und Maxim Gorkis Kinder der Sonne in der Regie von Mateja Koležnik. Darüber hinaus der emotionale Liederabend Mit anderen Augen von Selen Kara und Torsten Kindermann oder Tom Schneiders energiegeladene Inszenierung Am laufenden Band. Ebenso weiterhin an der Königsallee zu sehen sind vielbeachtete Arbeiten von Johan Simons wie unter anderem Hamlet, Der Würgeengel, Macbeth und Woyzeck. Auch Guy Clemens’ hochgelobte Inszenierung Wer hat Angst vor Virginia Woolf?, Robert Gerloffs humorvoller Abend Sherlock Holmes jagt Dr. Watson und Christopher Rüpings vom Publikum umjubelte Inszenierung Miranda Julys Der erste fiese Typ stehen auf dem Spielplan der neuen Saison.

Als neue Mitglieder im Ensemble begrüßt das Schauspielhaus Bochum die Schauspielerinnen Danai Chatzipetrou, die vom Staatstheater Kassel wechselt, und Abenaa Prempeh, die vom Schauspielstudium an der Universität Mozarteum Salzburg an die Königsallee kommt, sowie den Schauspieler Oliver Möller, der bereits von 2005 bis 2010 im Schauspielhaus Bochum engagiert war und nach Theaterengagements in München und einigen Jahren als freier Schauspieler nun zurückkehrt.«