Der Deutsche Städtetag hat eine Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten gestartet“ und plädiert dafür, „Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit außerhalb von Hauptstraßen auszuprobieren.“ Einige Großstädte sind einen Schritt weiter. Aachen, Augsburg, Freiburg im Breisgau, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm formulieren in einer gemeinsamen Erklärung: „Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.“ Siehe Positionspapier des Städtetags mit der Erklärung der sieben Städte.
Die Stadtgestalter hatten daraufhin gefordert: „Bochum soll sich dem Städtebündnis für mehr Tempo 30 anschließen.“ Die CDU-Fraktion erwiderte, dass Tempo-30 als Regelgeschwindigkeit auf allen Bochumer Straßen Unsinn“ sei. In einer Pressemitteilung bekräftigen die Stadtgestalter ihre Forderung: »Nach Ansicht der Stadtgestalter soll sich Bochum einer Initiative mehrerer Städte anschließen, die flächendeckend Tempo 30 innerorts ermöglichen wollen.
Nun gehen die Stadtgestalter auf die Kritikpunkte der anderen Parteien ein: „Bei der Gretchenfrage in Sachen Klimaschutz und Verkehrswende knicken die Bochumer Parteien ein. Dabei zeigen Städte wie Münster und Freiburg, denen seit Jahren eine höhere Lebensqualität, eine bessere wirtschaftliche Lage und ein nachhaltigerer Verkehrsmix attestiert wird, dass Tempo 30 innerorts das neue Normal wird“, kritisiert Stadtgestalter Dr. Volker Steude. Auch das Umweltbundesamt befürworte Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit.
„Die Koalition neutralisiert sich wieder gegenseitig. Zwar ringt man sich zu einem dünnen Lippenbekenntnis für Tempo 30 durch, aber weder Grüne noch SPD wollen in Sachen Modellvorhaben aktiv werden“, schildert Dr. Steude. „In der Ratssitzung am 26. August werden die Koalitionäre aber Farbe bekennen müssen. Insbesondere die Bochumer Grünen werden sich erklären müssen, warum sie sich gegen die Linie ihrer Landtagsfraktion stemmen werden“, kündigt Dr. Steude einen entsprechenden Antrag seiner Fraktion „Die PARTEI & Stadtgestalter an und verweist auf einen entsprechende Initiative der Grünen im Landtag, die in die gleiche Stoßrichtung geht.
Der ÖPNV würde von der rot-grünen Koalition lediglich vorgeschoben, meinen die Stadtgestalter. „Tempo 30 soll der Regelfall werden, von dem auf den wichtigsten Hauptachsen dennoch abgewichen werden kann. Die wichtigsten Busverbindungen werden so nicht verlangsamt. In den anderen Bereichen kommen Busse aufgrund ihrer Größe und den häufigen Haltestellen bereits jetzt kaum über Tempo 30 im Schnitt hinaus“, argumentiert Dr. Steude. Als weiteren Baustein zur Busbeschleunigung soll die Vorrangschaltung nach Ansicht der Stadtgestalter für den ÖPNV umfangreich ausgebaut werden.
„Die Schauergeschichten der CDU von einem Verkehrskollaps lassen sich nach einer wissenschaftlichen Analyse nicht halten und sind auch in den Niederlanden, Spanien, Helsinki, Brüssel oder Oslo nicht festzustellen“ ergänzt der promovierte Physiker Dr. Carsten Bachert, Ratsmitglied der Stadtgestalter. „Schaltet man konsequent eine auf Tempo 30 abgestimmte Grüne Welle, dann werden sich Staulagen eher entschärfen als zuspitzen. Der Verkehrsfluss wird sich verbessern, das Autofahren entspannter werden. Der eh schon geringe rechnerische Zeitverlust von 2 Minuten auf 5 Kilometern wird sich dadurch zusätzlich markant verringern“, so Dr. Bachert.
Die Vorteile würden massiv überwiegen, so die Stadtgestalter: „Unfälle mit Personenschäden gehen um bis zu 70% zurück, wie Erfahrungen aus Münster und München beweisen“, fasst Dr. Bachert zusammen. „Unfälle mit 50 km/h gleichen einem Sturz aus 10 Metern Höhe, Unfälle mit 30 km/h einem Sturz aus 3,6 Metern Höhe“, veranschaulicht Dr. Bachert. „Das hat nichts mit Erziehung zu tun, wie uns die CDU vorwirft , sondern mit mehr Sicherheit für Senior*innen, Kinder und Radfahrende“, so Dr. Bachert.
„Die sinkenden Unfallzahlen und die Abnahme der Unfallschwere machen ein erhebliches volkswirtschaftliches Plus aus“, ergänzt Ökonom Dr. Steude. „Ein großer Teil der externen Kosten des Autoverkehrs geht auf Unfallschäden zurück. Zusammen mit der Reduzierung der Klimakosten und der erheblichen Senkung der Lärmbelastung von Anwohner*innen entpuppt sich Tempo 30 als finanzielle und gesundheitliche Win-Win-Situation. Das sollte die CDU doch als bürgerliche Partei überzeugen“, meint Dr. Steude.«