Freitag 30.04.21, 22:13 Uhr

Die fehlende Liebe zum Detail?


Die Radwende Bochum schreibt: Die Mobilitätswende kommt auch auf der Königsallee nicht voran. Der in der letzten Woche gefasste Grundsatzbeschluss sorgt erneut dafür, dass Geld für umfangreiche Maßnahmen in die Hand genommen wird, obwohl es sich um ein anschlussloses Teilstück handelt. Dies führt nicht zu einem durchgehenden sicheren Radstreifen, weil gleichzeitig der Antrag des adfc zum beschleunigten Ausbau bis zum Schauspielhaus abgelehnt wurde. Hier planen SPD und Grüne frühestens ab 2027 Verbesserungen. Bis dahin sollen Radfahrer*innen dort auf der gefährlichen Straße, auf der Tempoüberschreitungen die Regel sind, fahren.


Stadtauswärts ab Wasserstraße soll der Radweg ab 2023 weiter auf dem Fußweg, der teilweise nur zwei Meter breit ist, geführt werden. Die Benutzung der Auto-Fahrspuren ist in dem Abschnitt aber freigegeben – die Konflikte mit Fußgänger*innen und Autofahrer*innen sind damit für Radfahrer*innen vorprogrammiert. Eine solche „Wahlfreiheit“ führt täglich zu zahllosen engen Überholungen und manchem Abdrängen von Radfahrer*innen, was derzeit bereits auf der Wittener Straße zwischen Ferdinandstraße und Südring zu beobachten ist.

Die Grundsatzentscheidung überrascht besonders, weil SPD und Grüne in ihren Koalitionsvertrag vereinbart hatten, solche kombinierten Wege nicht mehr bauen zu wollen. Nun zeigt sich, dass sie bei der allerersten neuen Planung doch wieder genau dies nicht beachten. Gleichzeitig fordern auch die Empfehlungen für den Bau von Radverkehrsanlagen (ERA), solche kombinierten Wege nicht mehr zu erstellen.

Auch die Radwende sieht das Anschlussstück als eine Herausforderung, denn auch sie will die Baumallee erhalten. Einig scheinen sich alle Beteiligten, dass die Führung über den Fußweg eine schlechte Lösung ist. Deshalb ist es für die Radwende unverständlich, dass keine der zahlreichen Alternativideen wirklich geprüft wurde. Radwende fragt, „warum wurde sich weder von der Verwaltung noch von SPD oder Grünen intensiver bemüht, eine für alle zufriedenstellende Lösungen zu suchen?“

Schon eine der Grundlagen der Entscheidung war fragwürdig. Die Leistungsfähigkeit wurde von der Verwaltung nur in Bezug auf den Autoverkehr geprüft, aber nicht bezüglich ÖPNV und Radverkehr. So wurde der Status Quo von rund 20.000 Autos auf der Königsallee zum unhintergehbaren Mindeststandard. Es müsste aber die Leistungsfähigkeiten der verschiedenen Mobilitätsformen gegeneinander abgewogen werden und Kompromisse gefunden werden. Die Festlegung auf eine feste Zahl von Autofahrten ist umso widersprüchlicher, als die rot-grüne Rathauskoalition 2014 bei der Bewerbung als Radfreundliche Stadt eine Reduktion des Autoverkehrs zugesagt hatte. Im Mobilitätskonzept der Stadt wurde 2020 explizit eine Reduktion des Autoanteils um 15 % als Ziel festgehalten.

Alternativen prüfen

In der Debatte stehen sieben Alternativvarianten. Die Radwende erwartet, dass diese in den noch folgenden konkreten Planungsbeschluss miteinbezogen werden.

Für einen zwei Meter breiter Radweg gäbe es nach Einschätzung der Radwende verschiedene Varianten:
– Wie auf der Wittener Straße (in Höhe Akademiestraße) könnte das 250 Meter lange Teilstück auf eine Fahrspur verengt werden.
– Auf dem Teilstück könnte eine Umweltspur für Busse und Radfahrer*innen entstehen.
– Die Führung auf dem Teilstück könnte über eine überbreite Fahrspur geführt werden, auf der nur Busse und LKW nicht überholt werden können. Die Verwaltung hatte diese Möglichkeit geprüft und sah darin keine relevanten Verkehrseinschränkungen. Dafür müsste gegenüber der bisherigen Planung ein Meter mehr Platz gewonnen werden. Das wäre möglich
a) wenn fünf Laternenmasten entfernt würden, wodurch in der Mitte mindestens ein Meter Platz entstünde. Die Lampen würden dann wie an fast allen Straßen der Stadt über auf beiden Straßenseiten aufgestellten Masten befestigt.
b) durch das Versetzen der Parkplätze der stadtauswärts führenden Fahrbahn um einen Meter nach rechts.
c) durch Verlegung der 24 Parkplätze.

Wichtig ist der Radwende ebenfalls, dass hier kein anschlussloses Teilstück entsteht. Der zeitnahe Ausbau auf dem Teilstück Schauspielhaus – Arnikastraße, wie ihn der adfc Bochum konkret vorgeschlagen hat, sollte daher ebenfalls geprüft werden.

Wenn, so die Radwende, auf der Königsallee und an weiteren Straßen keine pragmatischen und innovativen Detailkonzepte erdacht werden, wird es keine Mobilitätswende in Bochum geben. Erst eine unterbrechungsfreie, gute und sichere Radinfrastruktur ermöglichte vielen Bochumer*innen den Umstieg aufs Rad. Die selbstgesteckten Ziele von SPD und Grünen können nur so erreicht werden. Es wird Zeit, dass die Parteien aufhören, nur schöne Ziele zu formulieren, sondern die Umsetzung angehen.