Donnerstag 22.04.21, 14:40 Uhr

Das Baumfällen & das Ökokonto


Die Stadt Bochum hat offensichtlich einen für sie interessanten Weg gefunden, weiter ohne Rücksicht auf vorhandene Bäume Bauprojekte zu planen, dann das Fällen der Bäume als alternativlos darzustellen und Ausgleichsmaßnahmen zu versprechen. Das Projekt heißt „ökologische Aufwertung landwirtschaftlicher Flächen“ und klingt zunächst sehr gut. In der ungewöhnlich ausführlichen Pressemitteilung zu dem Projekt wird auch kurz erwähnt, worum es tatsächlich geht: „Die Kosten trägt die Stadt Bochum. Dafür speist die Stadt Bochum die so erzielten Biotopaufwertungen in ein so genanntes Ökokonto ein. Aus diesem städtischen Ökokonto kann dann später bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise Bauvorhaben, der verpflichtende Ausgleich abgebucht werden.“ Die Pressemitteilung der Stadt im Wortlaut:

»Die Stadt Bochum startet ein großes Projekt zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft, das so genannte PIK-Projekt (PIK = produktionsintegrierte Kompensation). Dazu wurde kürzlich ein Auftrag an die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft vergeben.
Ziel ist es, rund 40 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche in Bochum ökologisch deutlich aufzuwerten – beispielsweise durch die Anlage von Blühstreifen, Verzicht auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Pestiziden und viele weitere Strukturmaßnahmen. Umgesetzt werden diese Maßnahmen durch die Bochumer Landwirte, die dazu Verträge mit der Stiftung Westfälische Kulturlandschaft schließen. Die Landwirte erhalten eine Entschädigung für die Umsetzung dieser Natur- und Artenschutzmaßnahmen. Die Kosten trägt die Stadt Bochum. Dafür speist die Stadt Bochum die so erzielten Biotopaufwertungen in ein so genanntes Ökokonto ein. Aus diesem städtischen Ökokonto kann dann später bei Eingriffen in Natur und Landschaft, beispielsweise Bauvorhaben, der verpflichtende Ausgleich abgebucht werden.
Dieses Projekt ist im dichten Ballungsraum der Metropole Ruhr in dieser Art und Größenordnung bislang einzigartig. Als Mitglied im Bündnis für Biologische Vielfalt und als Klimanotstandskommune engagiert sich die Stadt Bochum damit auf besondere Weise für die biologische Vielfalt. Denn die 40 Hektar große Fläche bleibt als Kompensationsfläche dauerhaft für die bäuerliche Kulturlandschaft erhalten und wird ökologisch aufgewertet. Das sorgt für mehr Artenvielfalt, den Insekten- und auch ganz allgemein den Artenschutz, für Verbesserungen des Grundwasserhaushaltes, für Aufwertungen des Landschaftsbildes.

Dem jetzigen Startschuss für die großflächige ökologische Flächenaufwertung ist 2019 ein Pilotprojekt vorausgegangen, Kooperationspartner war Landwirt Jan Bockholt. Die fünf Hektar große Pilotfläche liegt in Bochum-Langendreer auf der Stadtgrenze zu Witten, wo Bockholt auch seinen Hof hat. Die Maßnahmen sind für beide Seiten erfolgreich angelaufen. Daher hat sich die Stadt Bochum nun entschieden, das Projekt deutlich auszuweiten.

Die Stiftung „Westfälische Kulturlandschaft“
Die Stiftung Westfälische Kulturlandschaft ist gemeinnützig und wurde vom Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband gegründet. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die bäuerliche Kulturlandschaft in Westfalen zu erhalten und zu verbessern. Die Stiftung besitzt neben ihrem agrarwissenschaftlichen Know-how beste Kontakte zu den landwirtschaftlichen Ortsverbänden in Bochum und der Landwirtschaftskammer NRW. Die Landwirtschaftskammer begrüßt ausdrücklich das Vorhaben der Stadt Bochum sowie die Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Kommune.
Die Stiftung wird die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Bochum zunächst für einen Zeitraum von zehn Jahren bei diesem Projekt begleiten.

Fakten zur Bochumer Landwirtschaft
Etwa 16 Prozent der Fläche Bochums wird landwirtschaftlich genutzt. Schon vor Jahrhunderten wurde hier Ackerbau betrieben, was noch heute in der Landschaft Bochums sichtbar ist. Viele der landwirtschaftlichen Flächen befinden sich im Eigentum der Stadt und sind an über 30 Pächterinnen und Pächter zur Bewirtschaftung verpachtet. 70 Prozent der Betriebe Bochums sind Haupterwerbsbetriebe. Ein Bochumer Betrieb wird nach zertifizierten biologischen Standards betrieben. Rund 50 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden als Grünland bewirtschaftet, da Bochum viele Pensionspferdebetriebe hat. In den letzten Jahrzehnten ist der Flächenanteil der Landwirtschaft jedoch rückläufig. Viele dieser Flächen wurden bebaut, andere wurden als Ausgleichsflächen für diese Bautätigkeiten genutzt, indem zum Beispiel neuer Wald aufgeforstet wurde. Diese Praxis führte deutschlandweit zu einem so genannten doppelten Flächenverbrauch in der Landwirtschaft. Für einzelne Betriebe hat dies existenzbedrohende Ausmaße angenommen. Diesen Trend aufzuhalten, mindestens zu verlangsamen, ist ein weiteres Ziel des PIK-Projektes.«