Mittwoch 31.03.21, 21:10 Uhr

Antisemitische Vorfälle in Bochum


Bei der Kundgebung der „Querdenker“ am Samstag weigerte sich ein Teilnehmer, die Mund- und Nasenmaske richtig zu tragen. Als ihn ein Polizist aufforderte, die Maske auch über die Nase zu ziehen, fragte der Betreffende den Polizisten, ob er auch zu den KZ-Wächtern gehöre. Die Jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen schreibt dazu: »Im Rahmen der Proteste rund um die Corona-Pandemie kommt es immer wieder zu antisemitischen Zwischenfällen. Nun sind auch für Bochum zwei solcher Fälle bekannt. Am Samstag, den 27. März 2021 bezeichnete ein Teilnehmer der örtlichen Querdenken-Proteste einen der eingesetzten Polizeibeamten als „KZ Wächter“. Durch diese direkte Bezugnahme auf die Shoah handelt es sich um eine direkte Täter-Opfer-Umkehr:

Ein Teilnehmer einer verschwörungsideologischen und somit strukturell antisemitischen Kundgebung vergleicht sich mit den Opfern der Shoah, indem die Polizei als Teil der demokratischen Exekutive mit den Wachmannschaften nationalsozialistischer Konzentrations- und Vernichtungslager dargestellt wird.«
»Der zweite Vorfall ereignete sich ebenfalls am Wochenende vom 26. auf den 28. März 2021: Im Bereich der Erzbahntrasse vom Westpark bis Bochum Hordel sowie an der Graffiti-Wand im Westpark wurden zahlreiche verschwörungsideologische Graffiti angebracht. Unter anderem war dort zu lesen: „No Media No Virus“ und „BRD AG = KZ“.
Bei beiden Inhalten handelt es sich um Verschwörungsmythen, hinter denen antisemitische Topoi zu erkennen sind. Die Corona-Pandemie wird als eine Erfindung der Medien dargestellt, vornehmlich, um die Gesellschaft zu unterdrücken und die Bundesrepublik Deutschland wird als eine von Mächten im Hintergrund fremdbestimmte Firma bezeichnet, die darüber hinaus noch mit einem Konzentrationslager verglichen wird.
Während erstere Aussage erst auf den zweiten Blick dem strukturellen Antisemitismus zuzuordnen ist, handelt es sich bei der zweiten Behauptung um einen Inhalt der so genannten Reichsbürgerbewegung, die die Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt und wahlweise glaubt, noch immer im so genannten „Dritten Reich“ oder in einer von den Siegermächten fremdbestimmten GmbH zu leben.
„All diese Verschwörungserzählungen gehen von mehr oder minder geheimen Mächten im Hintergrund aus, die Deutschland fremdbestimmen würden“, erläutert Justin Mantoan, Mitarbeiter der Integrationsagentur ZIVA – Zusammen für Vielfalt und Integration, gegen Antisemitismus der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen und fährt fort: „Verschwörungsmythen sind stets strukturell antisemitisch, wenn sie eine solche geheime Macht herbeiphantasieren, die im Dunkeln arbeite und von dort aus die Macht übernehmen wolle oder schon übernommen habe. Zahlreiche dieser Mythen haben ihren Ursprung in antisemitischen Erzählungen des Mittelalters oder, seit Beginn des 20. Jahrhunderts, in den so genannten Protokollen der Weisen von Zion.“
Wenn diese strukturell antisemitischen Erzählungen darüber hinaus noch mit direkten Bezügen zur Zeit des Nationalsozialismus und zur Shoah versehen seien, so Mantoan, habe man es zu allem Überfluss noch mit Formen des strukturellen Antisemitismus zu tun. „Dies ist keine Kritik an den Corona-Maßnahmen, sondern ein direkter Angriff gegen das Judentum mitten in Bochum.“«