Sonntag 27.09.20, 19:13 Uhr

Die Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten


Auf der Demonstration der Antifaschistische Aktion Bochum am Abend vor der Kommunalwahl unter dem Motto „Keine Nazis in den Stadtrat – am 12.09. für antifaschistische Politik auf die Straße!“ hat die Gruppe f:antifa eine Rede gehalten zur Rolle der Frau innerhalb der Extremen Rechten und ihr nur vermeintlich emanzipatorisch-feministisches Agieren. Die Rede im Wortlaut:

»Seit Jahrhunderten wird Frauen eigenständig motiviertes Denken und Handeln abgesprochen.
Emanzipierten sich Frauen im Laufe der Zeit jedoch  sexuell, gesellschaftspolitisch und
ökonomisch, traten im Zuge der Suffragetten-Bewegung auch öffentlich für ihre Rechte ein und
erkämpften sich das Wahlrecht, sowie in der Weimarer Republik erstmalig auch Sitze im Parlament, so erfuhren die erkämpften Privilegien mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten eine Beschneidung und letztendlich ihre Negierung.
Der Doktrin des NS folgend, hatte die Frau ihrem Mann gehorsam zu folgen, ihm den Rücken zu
stärken, Kinder zu gebären und zu erziehen und somit den Erhalt des Deutschen Volkes zu
garantieren.
Zum Rollenbild der Frau gehörte, dass sie niemals als eine Persönlichkeit wahrgenommen wurde,
die intrinsisch politisches Bewusstsein entwickelte und dementsprechend eigenmotiviert handelte.
Folgerichtig wurde eine Frau lediglich als das Anhängsel ihres Mannes registriert und über ihre
Rolle als treusorgende Ehefrau und Mutter definiert.
Diese Wahrnehmung unterliegt historischer Kontinuität und verschwand nicht mit dem Fall
Nazideutschlands am 8. Mai 1945. Schon in den ersten NS-Prozessen nach Ende des Zweiten
Weltkriegs kristallisierte sich heraus, dass Frauen als Täterinnen nur marginal als solche identifiziert wurden. Charakterisiert als ideologisch Verführte, dem Mann hörige Person, wurden sie in der Regel noch milder verurteilt als die wenigen vor Gericht gebrachten männlichen Nazis, oder gar nicht zu Rechenschaft gezogen.
Dass Rechte Frauen durchaus auch in der BRD militant agierten und agieren, z.B. den Deutschen
Aktionsgruppen oder der Kameradschaft Süd, wird nicht kolportiert, da die Szene männlich geprägt ist.
Stärke, Macht, Herrschaft, Willenskraft, Dominanzstreben und Überlegenheitsphantasien
entsprechen dem traditionellen Männerbild und werden nicht in Beziehung zu agierenden Frauen
gesetzt.
Die zur Kerngruppe der Kameradschaft Süd gehörenden Frauen, welche Sprengstoff und Waffen
lagerten, wurden 2004 vor Gericht lediglich als Mitläuferinnen eingeordnet.
Auch die Beziehung der NSU-Terroristin Beate Zschäpe zu Uwe Mundlos wurde lange Zeit auf
eine emotionale Abhängigkeit reduziert, politische Motivation zur Ausführung ihrer Taten wurde ihr erst zugesprochen aufgrund der kontinuierlichen, intensiven Recherche antifaschistischer Gruppen,
so dass Zschäpe letztendlich als Täterin verortet und verurteilt werden konnte.
Das Klischee der unpolitischen Frau wird auch heute noch immer in vielen Gesellschaftskreisen
unreflektiert reproduziert.
Feminine – nicht feministische Gruppen – Rechter Frauen greifen dieses Klischee auf, benutzen es
und profitieren von ihm.
So titulieren sich die Mitglieder des Ring Nationaler Frauen, einer Organisation der NPD, als
„antifeministisch, traditionsbewusst und volkstreu“. Sie propagieren die „naturgegebene
Verpflichtung als deutsche Mutter“, knüpfen damit direkt am traditionellen, patriarchalen Rollenbild des NS an und versuchen es zu kolportieren.
Die Frauen stilisieren sich als zivilgesellschaftliche Aktivistinnen, engagieren sich in
Bürger*inneninitiativen, Elternbeiräten, Hausaufgabenhilfen oder Hartz IV-Beratungsstellen und
unterwandern diese ideologisch.
Mittels bewusster Indoktrination von Lebensalltag, Kindererziehung und Ehrenamt werden Privates und Politisches stark miteinander verwoben. Durch die so stattfindende kulturelle Subversion kann ein breiter, gesellschaftspolitischer Konsens erwirkt werden.
Eine weitere feminine Gruppe ist die der Völkischen.
Aufgrund der vermeintlichen Sicherung des Fortbestandes der „auserwählten Rasse“ erfahren diese Frauen ein hohes Maß an Berechtigung und Anerkennung innerhalb ihrer Szene.
Ihr Außer-Haus politisches Engagement beschränkt sich -neben der Teilnahme und Ausrichtung
diverser völkischer Feste- auf die Teilnahme am 1000-Kreuze-Marsch und den Kampf gegen
Abtreibung.
Wiederum eine Kategorie bilden Rechte Frauen, die rein stilistisch dem hippen Mainstream
entsprechen, über Soziale Medien Einfluss nehmen und den Nationalen Widerstand ästhetisieren.
Ihr Auftreten wird bewusst völlig unpolitisch und harmlos inszeniert, so dass sie vollkommen
unverdächtig wirken und ihre Indoktrination scheinbar nebenher vollziehen. Themen wie
Erziehung, Familie, Sexualität oder Gewalt gegen Frauen werden antifeministisch aufgeladen.
Da Antifeminismus gesellschaftlich anschlussfähig ist, können diese Aktivistinnen in einem breiten
Spektrum wirken und genießen hierdurch ein sicheres Standing innerhalb der Rechten Szene.
Ziel ihrer Strategie ist eine Verschiebung von Tabus, verbal oder in Taten.
Menschenverachtende Äußerungen werden normalisiert und ebnen den Weg für gewalttätige
Handlungen.
So nutzen diese Frauen zum Beispiel die #metoo-Debatte zur Infiltration des gesellschaftlichen
Mainstreams: bei der #metoo-Debatte engagieren sich Frauen weltweit gegen Vergewaltigung und Femizide. Die rechten Socialmedia-Blogerinnen stilisieren die deutsche Frau als Opfer
ausländischer, muslimischer Täter. Aus Einzelfällen wird ein kulturalistischer, rassistischer
Generalverdacht formuliert, dem europäischen Politikestablishment wird die Verantwortung für
sogenannte Überfremdung zugewiesen und sekundär somit für die hieraus angeblich resultierenden Taten.
Emotion verknüpft mit Ideologie par Excellence!
Die NPD setzt auch im aktuellen Wahlkampf auf das tradierte Familienschema und propagiert auf
ihren Wahlplakaten Vater – Mutter – Kind : VATERland, MUTTERsprache, KINDERglück
Ariane Meise , NPD-OB-Kandidatin für Bochum, hetzt gegen „kulturfremde Männer“ und
reproduziert kulturalistische, patriarchale Ressentiments gegen migrantische Männer, da diese
Stereotypen von der Mitte der Gesellschaft geteilt und akzeptiert werden und
Wähler*innenstimmen versprechen.
Letztendlich entlarvt sie den Status der NPD-Frauen und den der rechten und rechtspopulistischen Frauen der Gesellschaft: die geballte Projektion dieser Vorurteile führt dazu, dass patriarchale Strukturen in der breiten Masse der Gesellschaft oder des eigenen engen Umfelds weniger wahrgenommen werden.
Auch für die AfD imaginiert die Familie als den Sehnsuchtszustand der traditionellen, binären
Rollenzuschreibung.
Für die AfD stellt die Familie die „Keimzelle der Nation“ dar. Deutsche Werte können nur innerhalb einer traditionellen, intakten Familie vermittelt werden.
Geflüchtete oder migrierte Familien mutieren zu einer Bedrohung des Volkskörpers. Dem zu
erwartenden demographischen Problem stellt die Partei die Forderung nach mindestens drei
Kindern pro Familie entgegen, kombiniert mit steuerlichen Vorteilen für Kinderreiche.
Alternative Lebensformen wie Patchwork-Familien, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften
oder gar kinderloser Paare, sollen steuerrechtlich bestraft werden. Seit einiger Zeit wird innerhalb
der AfD das sogenannte Familienwahlrecht diskutiert, bei dem die Eltern pro minderjährigem Kind
eine weitere Stimme verbuchen können.
Die Gleichstellung der Geschlechter bedeutet für Mitglieder der AfD ein totalitäres
Gesellschaftsexperiment, das zur Auflösung der vermeintlich natürlichen Geschlechter und der
binären Ordnung führe.
Gleichstellungsgremien an Unis sollen abgeschafft werden, ebenso wie Sexualkundeunterricht an
Grundschulen, da dieser für Früh- oder Hypersexualisierung verantwortlich gemacht wird und somit zu einer Entwertung des klassischen Familienbildes beiträgt. Des weiteren propagiert der
Landesverband NRW versuchsweise eine duale Trennung von Jungen und Mädchen im Unterricht,
sowie die Abschaffung jeglicher Geschlechterquoten, da diese Männer diskriminiere.
Unser Fazit
Frauen der Extremen Rechten agieren sehr wohl mit eigener politischer Bewusstheit, unterwerfen
sich jedoch tradierten, patriarchalen Mustern, um das Überleben des Deutschen Volkes zu sichern
und reproduzieren kulturalistische, sexistische, homophobe, rassistische Stereotype.
Obwohl sie sich vermeintlich für die sozialen und politischen Belange von Frauen einsetzen,
zementieren sie lediglich eine binäre, patriarchale Geschlechterordnung, welche die Unterdrückung
von Frauen sowohl begründet, als auch weiter tradiert.
Wir, die feministische Antifa, feminist struggle bochum, fordern ein selbstbestimmtes Leben eines
jeden Menschen jenseits gesellschaftlicher Zwänge!
Wir fordern den Aufbau einer egalitären Gesellschaft!
Wir fordern alle auf mit uns für das Ende des Patriarchats zu kämpfen!
Und heute fordern wir zusätzlich die verfuckte Regierung dieses Staates auf:
Beendet das Elend auf Lesbos! Öffnet die Grenzen!«