Sonntag 20.09.20, 17:39 Uhr

Fakten über die finanziellen Einnahmen der Kirchen


Quelle für die Jahre 2012 – 2018: Statistisches Jahrbuch 2019 des Statistischen Bundesamtes, Seite 73. Für das Jahr 2019: Veröffentlichungen der EKD und der Deutschen katholischen Bischofskonferenz.

Am vergangenen Montag war in der Bochumer WAZ zu lesen: »Steigende Kosten und sinkende Kirchensteuereinnahmen erfordern eine grundsätzlich andere Finanzierungssystematik, fordern die 126 Delegierten der Kreissynode am Samstag in der Christuskirche. Sollte sich das nicht erreichen lassen, „wird es unausweichlich sein, unser gesamtes Kita-System drastisch zu verkleinern“, kündigt Superintendent Gerald Hagmann an.“ Zu dieser Nachricht gab es keine Richtigstellung.


Da den beiden großen staatlich finanzierten Kirchen die Mitglieder scharenweisen weglaufen, hinterfragen auch gute Journalist*innen selten solche Fakenews. Schließlich leuchtet es scheinbar ein, dass weniger Mitglieder auch weniger Steuereinnahmen bedeuten. Die Fakten sehen anders aus: Von 2012 bis 2019 sind die staatlich eingetriebenen Kirchensteuern z.B. jährlich gestiegen; für die ev. Kirche von 4,62 auf 5,95 Milliarden Euro. Das wirtschaftliche Wachstum in Deutschland war stärker als der Mitgliederschwund der Kirchen. Außerdem schenken die meisten Bundesländer den beiden Großkirchen noch sogenannte Staatsleistungen. Sie sind von umgerechnet 23,308 Mio. Euro im Jahr 1949 auf 548,667 Mio. Euro im Jahr 2019 gestiegen.

Wer sich mit der Glaubwürdigkeit der Kirchen in Finanzangelegenheiten beschäftigt, sollte auch wissen: Millionär*innen und Milliardär*innen, die einer der beiden großen Kirchen angehören, sind vom Kirchensteuerzwang befreit. Sie können niedrigere Beitragssätze aushandeln. Im aktuellen Fall der Kindergartenfinanzierung ist wichtig zu wissen, dass die Kirchen in ihren Einrichtungen mittlerweile weniger als 10 Prozent der Kosten übernehmen. Das war vor 60 Jahren ganz anders geplant. Da waren die Kirchen noch bereit ein Viertel der Kosten zu übernehmen, um Einfluss auf die Sozialisation von Kindern ausüben zu können. Damals war hoch umstritten, in welchen Umfang die Kirchen und Wohlfahrtsverbände Sozialeinrichtungen betreiben sollten, die vom Staat und anderen öffentlichen Kassen finanziert werden.

Als Ende der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Union über die absolute Mehrheit im Bundestag verfügte und der damalige Kanzler Adenauer fürchtete, bei der nächsten Wahl erheblich an Stimmen zu verlieren, beschloss die Mehrheit der Union im Bundestag gegen den heftigen Widerstand von SPD und FDP das sogenannten Subsidiaritätsprinzip für die Jugend- und Sozialeinrichtungen. Das bedeutete, dass nicht-staatliche Träger immer den Vorzug bei der Errichtung von Einrichtungen in diesem Bereich bekommen, der Staat aber den Großteil der Kosten tragen muss.

Dies war vor allem ein Wahlgeschenk von Adenauer an die Kirchen, deren Wahlkampfunterstützung er dann auch bekam. Mehrere Bundesländer reichten Verfassungsbeschwerde ein und scheiterten an der knappsten möglichen Mehrheit von BVerG-Richtern auf Adenauers Seite. Seitdem glauben Menschen, dass sie mit ihren Kirchensteuern soziale Einrichtungen und Leistungen finanzieren. Kaum jemand weiß, dass die kirchlichen Krankenhäuser in Bochum ausschließlich von Krankenkassen, Patientenbeiträgen und aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.

Niemand hat vor 60 Jahren geahnt, dass die Kirchen heute feststellen würden, dass sich ihre Investitionen in die Sozialisation von Kindern nicht auszahlen und die Menschen trotzdem den Kirchen davon laufen. Wenn Kirchen sich aus dem KiTa-Bereich zurückziehen, dann ist das ein gesellschaftlicher Fortschritt. Kinder werden nicht mehr gezwungen zu beten, es gibt mehr Kindergartenplätze für Kinder von Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder religiös beeinflusst werden. Es gibt dann mehr Arbeitsplätze, in denen das Betriebsverfassungsgesetz gilt und weniger Arbeitsplätze in katholischen Einrichtungen, in denen Beschäftigte z.B. befürchten müssen, entlassen zu werden, wenn sie sich scheiden lassen und neue Partner*innen finden.
Auch wenn die Begründung fern der Wahrheit liegt, ist die Ankündigung der ev. Kirche, Kindergartenplätze aufzugeben, ein positiver Schritt in die von Grundgesetz versprochene Richtung auf Trennung von Kirche und Staat.