Sonntag 03.05.20, 17:18 Uhr
Redebeitrag der DKP am 1. Mai vor dem Schauspielhaus:

Von Kampfgeist ist wenig zu spüren


Wir, die Deutsche Kommunistische Partei in Bochum, demonstrieren heute hier mit, da die Gewerkschaften ihre Maidemonstrationen coronabedingt abgesagt haben. Doch auch vor dem Virus sah es trüb aus um den internationalen Kampftag der Arbeiterklasse. Zumindest in Deutschland ist von Kampfgeist wenig zu spüren. In vielen Branchen ist die Bereitschaft der Beschäftigten, sich zu organisieren und für die eigenen Interessen einzutreten, spürbar zurückgegangen. Immer weniger Menschen verstehen sich als Arbeiterinnen oder Teil der Arbeiterklasse. Doch egal ob in Industrie, Handel oder Dienstleistungssektor angestellt, solange für die Profite der Unternehmerinnen, Aktionäre und anderer Kapitalisten gearbeitet wird, müssen wir diesen Umstand als eins begreifen: als ein Ausbeutungsverhältnis. Dieser Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit kann zwar verdeckt, aber nicht aufgelöst werden.

Das merken wir jetzt gerade, wo die Banken und Großkonzerne ihre Regierung in Stellung bringen, mit der nächsten Krise umzugehen. Hunderte Milliarden an Steuergeldern werden den Konzernen als Zusatzsubventionen und Schuldenübernahmen in den Arsch geschoben. Die massenhafte Zahlung des Kurzarbeitergeldes bedeutet nichts, außer dass die Arbeitenden jetzt mit ihren Steuern und Sozialabgaben ihre eigenen Löhne zahlen. Dies ist kein sozialer Fortschritt, wie uns der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil verkaufen möchte, sondern Umverteilung von unten nach oben. Es ist Klassenkampf. Nur im Interesse des Kapitals und gegen uns.

Nun haben wir bereits festgestellt, dass die Lohnabhängigen in diesem Land nicht gerade auf den Barrikaden stehen, um zurückzuschlagen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sicherlich hat der Sozialpartnerschaftsgedanke zu diesem Missstand beigetragen. Ebenso aber auch Unwissenheit und Angst, Leistungsdruck, übertriebener Individualismus, Staatsvertrauen, Nationalismus und weitere Gründe. Auf jeden Fall fehlt es den Leuten an Selbstwirksamkeitserfahrung: Die Erkenntnis und das Erleben, dass man erfolgreich sein kann, wenn man sich zusammenschließt.

Unser Ziel als DKP ist es, die Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, diese Erfahrungen zu machen. Wir wollen Mut machen, Fragen stellen, Zusammenhänge benennen. Wir haben noch nicht die goldene Ansprache gefunden, die bei allen den Mut entfacht, sich zu artikulieren und zu organisieren. Doch Nichtstun kommt nicht in Frage.

Dafür sind wir seit nun fast zwei Jahren alle paar Wochen an einem Krankenhaus in Langendreer aktiv. Wir gehen auf Stationen und sprechen mit den Kolleginnen, verteilen Flyer und führen Umfragen durch. Natürlich veröffentlichen wir auch die Ergebnisse und versuchen so, das Schweigen der Kolleginnen und Kollegen untereinander zu durchbrechen. An Weihnachten und Neujahr sind wir mit kleinen Aufmerksamkeiten für die Sonderschicht da und zollen so den Kolleginnen Anerkennung. Wir thematisierten hier aber auch lange vor Corona, dass sich von Dankbarkeit keine Miete zahlt. Am 8. März sprachen wir natürlich über Lohngefälle und doppelte Ausbeutung der Frau. Die Kolleginnen kennen unsere Gesichter, haben unsere Telefonnummer und Mailadresse. Sie wissen, dass wir für sie da sind, wenn sie was bewegen wollen. Für heute hatten wir eine Kundgebung vor dem Klinikum angemeldet, doch Polizei und Ordnungsamt haben insgesamt fünf Vorschläge abgelehnt, wie wir unser Recht auf Versammlungsfreiheit trotz Corona hätten wahrnehmen können. Jetzt werden wir Anfang nächster Woche unsere Redebeiträge in gedruckter Form an die Scheibenwischer der Autos der Beschäftigten anbringen, um sie wissen zu lassen, dass für uns der 1. Mai auch ein Tag für sie ist.

Wir halten diese kleinschrittige Arbeit für notwendig, um neue Mitstreiter zu gewinnen. Wir können nicht ausschließlich in unseren Komfortzonen agieren. Nur wer versteht, dass die eigenen Interessen, die aller Lohnabhängigen sind, kann sie gegen die Interessen der Arbeitgeber durchsetzen. Im Betrieb mit den Kolleginnen gegen die Arbeitgeber. Im Viertel mit den Nachbarn gegen die Mieterhöhung der Vermieter. In den Basisgruppen und Vertrauenskörpern der Gewerkschaft gegen Standortlogik und Sozialpartnerschaft.

So werden die kommenden Maidemos hoffentlich schon bald mit neuer Kampfkraft gefüllt sein. Wir freuen uns darauf, mit euch diesen besseren Zeiten entgegen zu gehen. Bleibt gesund. Glück auf!