Weitere Bilder von der Seebrücke-Aktion
Unmittelbar vor der gestrigen Sitzung des Bochumer Rates hat die Bochumer Seebrücke Bewegung mit einer Aktion ihrer Forderung Nachdruck verliehen, Bochum zum sicheren Hafen zu machen. Carla Scheytt (Foto) erklärte für die OrganisatorInnen: »Es sind mehr Menschen auf der Flucht als jemals zuvor. Fast täglich erreichen uns Nachrichten von Menschen, die auf ihrer Flucht über das Mittelmeer gestorben sind. Zivile Seenotrettung wird kriminalisiert, das Retten ist kaum mehr möglich. Und auch in den Wüsten sterben Menschen auf ihrem Weg in die Sicherheit oder werden in EU-finanzierten Lagern interniert. Die Nachrichten von Folter, Vergewaltigung und Zwangsarbeit in libyschen Gefängnissen sind längst Alltag geworden. An der Grenze zwischen Bosnien und Kroatien stecken zehntausende Menschen fest und das Camp Moria auf Lesbos in Griechenland ist mittlerweile berühmt aufgrund der menschenunwürdigen Behandlung im Lager.
Zehntausende Menschen, die vor Krieg, Gewalt, Hunger und Armut fliehen, werden vermisst. Diese Liste lässt sich endlos fortführen. Das sind die Zustände an den EU-Außengrenzen und die Folgen der Abschottungspolitik.
Und diese Grausamkeiten, die Menschenrechtsverletzungen, das Sterben und all‘ das Leid lassen uns manchmal hier vor Ort fraglos und ohnmächtig zurück.
Doch es gibt Hoffnung: Im Oktober sind hier in Bochum mehr als fünftausend Menschen im Rahmen der Seebrücke-Bewegung auf die Straße gegangen. Wir haben sichere Fluchtwege gefordert, das Recht auf Familienzusammenführung und ein Ende der Kriminalisierung der Seenotrettung. In der vergangenen Woche haben wir im Rahmen unserer Aktionswoche mit vielen Veranstaltungen auf die Situation an den Außengrenzen aufmerksam gemacht und für die Seebrücke Bewegung geworben. Und wir richteten und richten unseren Blick auch konkret auf die Verantwortung hier vor Ort.
Bochum nimmt nämlich im Gegensatz zu anderen Kommunen in NRW viel weniger geflüchtete Menschen auf. Denn in Bochum ist die zentrale Registrierungsstelle für Flüchtlinge, genannt Landeserstaufnahmeeinrichtung LEA. In dieser findet die Erstregistrierung von geflüchteten Menschen statt. Diese dauert nur wenige Stunden und die Menschen werden dann nach ganz Deutschland weiter verteilt. Aufgrund dieser LEA muss die Stadt Bochum 1.000 geflüchtete Menschen weniger aufnehmen, obwohl die Ankommenden selbst in Bochum nur einige Stunden bleiben. Das hat die Stadt vor einiger Zeit mit der NRW-Landesregierung verhandelt.
Und deshalb sind wir heute hier, um zu zeigen: Wir wollen nicht, dass unsere Stadt eine Sonderregelung wahrnimmt und weniger Menschen hier leben dürfen, während gleichzeitig tausende Menschen ertrinken oder in Lagern an den Außengrenzen festsitzen. Wir fordern, dass Bochum mindestens 1.000 Menschen aufnimmt, die von Seenotrettungsorganisationen vor dem Ertrinken gerettet wurden!
Gleich zwei Mal wird heute im Rat der Stadt Bochum über die Forderungen der Seebrücke Bewegung entschieden. Denn aufgrund des breiten Protestes der Seebrücke Bewegung hier in Bochum hat die Bochumer Linksfraktion gemeinsam mit der Sozialen Liste einen Antrag mit unseren Forderungen in den Stadtrat gebracht. Es wird beantragt, dass die Stadt auf die Sonderabsprache mit dem Land NRW verzichten soll, durch welche Bochum weniger Geflüchtete zugewiesen bekommt als andere Städte. Bochum soll gegenüber der Landes- und der Bundesregierung die Bereitschaft erklären, mindestens diese 1.000 Plätze für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Weitere Forderungen sind der Abbau von diskriminierenden Hürden bei der Wohnungssuche, die Einhaltung des städtischen Unterbringungs- und Betreuungskonzepts sowie ein Aktionsplan für kommunalen und gemeinwohlorientierten Wohnungsbau.
Zusätzlich zu diesem Antrag hat sich wenige Tage vor der heutigen Ratssitzung eine breite Mehrheit aus dem Rat darauf verständigt, die Resolution „Aufnahme von aus Seenot geretteten Flüchtlingen“ einzubringen. Sie beinhaltet die Forderung an die Bundesregierung, dass aus Seenot gerettete Flüchtlinge in Deutschland zusätzlich aufgenommen werden sollen.
Wir haben einen offenen Brief an alle Ratsmitglieder geschrieben, in dem wir dazu auffordern: Stimmt heute zwei Mal mit Ja und übernehmt auch hier lokal vor Ort Verantwortung für Menschen auf der Flucht!
Wir nehmen in diesem Brief Stellung zum Antrag und zur eingebrachten Resolution und machen deutlich, warum es uns nicht reicht, lediglich der Resolution zuzustimmen. Der Resolutionstext lautet wie folgt: „Der Rat der Stadt Bochum spricht sich dafür aus, aus Seenot gerettete Flüchtlinge in Deutschland zusätzlich aufzunehmen. Der Oberbürgermeister wird gebeten, der Bundesregierung und der Landesregierung NRW die Bereitschaft zur Aufnahme in Bochum mitzuteilen.“ Die Aktiven der SEEBRÜCKE Bewegung fordern, dass ihre jeweiligen Kommunen vor Ort zusätzliche Verantwortung übernehmen, als sie laut geltendem Verteilschlüssel nehmen müssten. Genau dies wird aber im Resolutionstext unserer Meinung nach nicht gefordert. Ein echtes Signal der Solidarität heißt deshalb für uns: Wir in Bochum nehmen die Verantwortung ernst, verzichten auf unsere Sonderregelung und setzen uns dafür ein, dass mindestens 1.000 Menschen nach Bochum kommen dürfen.
Wir appellieren deshalb an die Mitglieder des Rates der Stadt Bochum und an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch: Stimmt heute zwei Mal mit JA! Erklärt Bochum ebenfalls zu einem sicheren Hafen! Zeigt Solidarität mit Menschen auf der Flucht und macht deutlich: Auch lokal, hier vor Ort, kann etwas getan werden für Menschen auf der Flucht! Über 30 Städte und Kommunen in Deutschland sind diesen Schritt bereits gegangen.
Wir hier in Bochum als Teil der Seebrücke Bewegung stehen weiterhin an der Seite der Retter*innen im Mittelmeer. Und wir stehen an der Seite derjenigen Menschen, die zur Flucht gezwungen werden. Für diese Menschen, die sich auf der Flucht befinden oder bei dem Versuch zu fliehen, gestorben sind, haben wir heute symbolisch diese Schuhe mitgebracht. Jedes Paar Schuhe steht für Menschen die fehlen, ihren Familien, ihren Freunden. Menschen die der See zum Opfer fielen in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Wir wollen Verantwortung übernehmen. Hier vor Ort. Dankeschön.«